Die Lösung liegt im Wasser


Mit Wasserlack lassen sich unterschiedliche Oberflächen veredeln. Bild: Erich Keller AG
Mit Wasserlack lassen sich unterschiedliche Oberflächen veredeln. Bild: Erich Keller AG
Wasserlack. Seit vielen Jahren ist der Wasserlack ein Thema in der Schreinerbranche. Heute bestehen kaum noch Defizite bezüglich der Oberflächenqualität. Eine Umstellung des Lacksystems ist mit etwas Aufwand verbunden, kann sich aber durchaus lohnen.
Es ist nicht erst seit den Wahlen klar: Grün ist im Trend. Das ökologische Bewusstsein ist so ausgeprägt wie selten zuvor. Dies zeigt sich auch in der Holzbranche. Insbesondere bei der Oberflächenbehandlung.Eine Vorreiterrolle hat die Erich Keller AG im thurgauischen Sulgen inne. Dort stellte man bereits im Jahr 1992 teilweise auf Wasserlack um. «Das war ein Bekenntnis zur ökologischen Verantwortung, welche auch in unserem Leitbild abgebildet ist», erklärt Geschäftsleitungsmitglied Markus Neff.
Die Wurzeln des Wasserlacks reichen in der Automobilbranche bereits ein halbes Jahrhundert zurück. Ende der 70er-Jahre kam dann der erste Wasserlack für die Holzbehandlung auf den Markt. Doch es sollten noch viele Jahre vergehen, bis dieser zu einer echten Alternative zum lösemittelbasierten Lack ausgereift ist. «Früher musste man Idealist sein, um mit Wasserlack zu arbeiten», sagt Joachim Linge, Produktmanager des Lack- und Farbenherstellers Ruco im zürcherischen Glattbrugg. Heute seien diese den Lösemittellacken ebenbürtig.
Bei den Wasserlacken gilt es grundsätzlich zu unterscheiden zwischen ein- und zweikomponentigen Produkten. 1K-Lacke sind lufttrocknend. Bei 2K-Lacken findet durch die Zugabe von Härtern eine chemische Vernetzung statt, welche die Oberfläche extrem widerstandsfähig macht. Vergleicht man die Qualität von wasser- und lösemittelbasierten Lacken, so ist in der Regel von 2K-Lacken die Rede.
Bei der Erich Keller AG werden mehr als 50 Prozent der Objekte mit Wasserlack behandelt. In den allermeisten Fällen mit 2K-Produkten. Anders als zu Anfangszeiten sieht Markus Neff bezüglich der Widerstandsfähigkeit bei technischen Beanspruchungen heute keine Einschränkungen mehr.
Bezüglich der Optik weise der Wasserlack im Vergleich aber hie und da noch geringfügige Mankos auf. Dabei spricht er unter anderem die Anfeuerung an. Noch erreiche man nicht die gleiche Tiefenwirkung wie bei den polyurethanbasierten DD-Lacken. Ausserdem habe Wasserlack in seltenen Fällen noch eine «Plastikoptik», wie es der Fachmann ausdrückt.
Für Neff ist es aber eine Frage der Zeit, bis auch die letzten Einschränkungen wegfallen. «Die Produkte, welche von den Lackherstellern gerade lanciert werden, sind extrem vielversprechend», sagt er.
Sind die erwähnten Details erst einmal ausgemerzt, so bleibt noch eine Bastion: die Hochglanzoberfläche.
Grundsätzlich sind hochglänzende Oberflächen mit Wasserlacken möglich. Doch im Vergleich mit dem Pendant auf Lösemittelbasis offenbaren sich folgende Probleme:
Laut Stefan Koller, Geschäftsleiter der Votteler AG im sanktgallischen Schwarzenbach, verwenden auch Autolackierer für die hochglänzenden Decklacke lösungsmittelbasierte Produkte. Dies, obwohl der Grundlack häufig wasserbasiert ist.
Hochglanzoberflächen mit Wasserlack sind möglich bei einer Härtung durch UV-Strahlen. Dabei werden die Moleküle in kurzer Zeit vernetzt. In diesem Fall sollte der Lack jedoch über einen Festkörperanteil von nahezu 100 Prozent verfügen.
Bei Votteler setzen zurzeit knapp 10 Prozent der Kunden ganz oder teilweise auf Wasserlack, und der Trend geht klar nach oben. Spannenderweise sei die Romandie gegenüber der Deutschschweiz stark untervertreten, sagt Koller. Einen deutlichen Unterschied stellt er auch bezüglich der Firmengrösse fest. «Grössere Betriebe entschliessen sich viel eher für einen Wechsel auf Wasserlack als KMUs.» Dies lässt sich einerseits wohl durch die Umrüstkosten und andererseits durch die erforderlichen Platzverhältnisse beim Trocknungsvorgang begründen. Doch der Reihe nach: Entschliesst sich ein Betrieb zu einem Wechsel auf wasserbasierte Lacke, oder zu einer Ergänzung durch solche, so sind einige Vorkehrungen zu treffen. In einem ersten Schritt müssen sämtliche Geräte, die mit dem Wasserlack in Berührung kommen, von einfachem Stahl auf Edelstahl umgerüstet werden. Dies, um der Korrosion vorzubeugen, die sich aus der guten Leitfähigkeit des Wassers und der daraus resultierenden Beschleunigung des Ionentransports ergibt.
Bestehen die Spritzgeräte aus Edelstahl, so können diese bei einem Wechsel des Lacksystems umgenetzt werden. Das heisst, sie werden mit einer Reinigungsverdünnung durchgespült, bis keine Lackreste mehr ersichtlich sind. Um Lösemittelreste der Verdünnung zu enfernen, werden sie anschliessend mit Alkohol und am Ende mit ausreichend klarem Wasser gespült. Bei einer Umstellung zurück auf Lösemittellack erfolgt der Umnetzungsprozess in umgekehrter Reihenfolge. Alles in allem also ein recht aufwendiges Prozedere. Oftmals müssen bestehende Geräte durch neue ersetzt werden, da sich eine Totalzerlegung und Reinigung nicht lohnt. Bei der Erich Keller AG hat man sich für eine doppelte Infrastruktur entschieden. Dies gilt auch für den Lackierautomaten. Dieser ist beidseitig mit je einem Spritzaggregat ausgestattet, sodass ein Wechsel zwischen Wasser- und Lösemittellack jederzeit ohne vorgängiges Umrüsten möglich ist. «Der Aufwand für ein regelmässiges Umnetzen wäre ganz klar zu gross», erklärt Markus Neff. Ausserdem gehe man dabei auch immer das Risiko ein, dass die Gerätschaften einmal nicht ganz sauber gereinigt sind und sie damit das Spritzresultat beeinträchtigen.
Verarbeitet ein Unternehmen sowohl Lösungsmittel- wie auch Wasserlacke, empfehlen sich deshalb separate Systeme und Gerätschaften.
Dass KMUs seltener auf Wasserlack umstellen, hängt neben den Umrüstkosten auch mit dem Abdunstverhalten des Wassers zusammen. Die Verdunstungszahl von Wasser sei 80, diejenige des Lösemittels Ether 1, erklärt Stefan Koller. Wasser brauche also 80-mal länger, um zu verdunsten. Während der Trocknungszeit des Lackes verbleiben die Objekte in der Ablüft- oder der sogenannten Flash-off-Zone. Das heisst, dass der Betrieb über genügend Platz verfügen muss, um die Objekte während der Trocknung lagern zu können. Deutlich verkürzt werden kann die Trocknungsphase durch Konvektionswärme oder durch die Installation von Infrarot-Strahlern.
Neben der hohen Verdunstungszahl hat Wasser auch eine enorm hohe Verdampfungsenergie. Es ist ausreichend Wärme nötig, um das Wasser vom flüssigen in den gasförmigen Zustand zu überführen. Die optimale Temperatur bei Verarbeitung und Trocknung liegt zwischen 18 und 25 Grad Celsius. Entscheidend für den Trocknungsvorgang ist neben der Raumtemperatur auch die Luftfeuchtigkeit. Im Idealfall liegt die relative Luftfeuchtigkeit zwischen 45 und 65 Prozent. Die erwähnten Parameter sind für den Trocknungsprozess entscheidend. Sie müssen regulier- und kontrollierbar sein. Der Spritzbereich muss über einen Luftaustausch verfügen und entsprechend den Anforderungen geheizt und entfeuchtet werden. Eine Alternative zur konventionellen Trocknung ist die UV-Härtung, wobei die Lacke mittels Polymerisation innert Sekunden vom flüssigen in den festen Zustand übergehen und sich sofort weiterverarbeiten lassen. Eine UV-Härtung rechnet sich jedoch erst bei sehr grossen Stückzahlen und wird für den Schreiner in der Regel erst bei einer Lackierstrasse interessant.
Grundsätzlich gibt es bei der Verarbeitung von Wasserlack keine riesigen Unterschiede zum Lösemittellack. Um ein gutes Resultat zu erzielen, gilt es dennoch einige Besonderheiten zu beachten; dies bereits beim Transport und der Lagerung.
Wasserlacke sind frost- und hitzeempfindlich. Sie sollten deshalb weder Temperaturen unter 5 Grad Celsius noch grosser Hitze ausgesetzt sein. Eine Vorgabe, die bei den klimatischen Bedingungen in der Schweiz schon mal zur Herausforderung werden kann. Tatsächlich gibt es Lackhersteller, die Sommer- und Winterlacke in ihrem Angebot haben.
Die Oberflächenqualität kann mit der richtigen Vorbereitung des Werkstücks wesentlich beeinflusst werden. So ist bei Wasserlack noch weitaus wichtiger als bei Lösemittellack, dass die Werkstücke vollkommen sauber und fettfrei sind. Ein Thema ist auch die Holzaufrauung durch Wasserlacke. «Beim Wasserlackaufbau schleifen wir generell eine Körnung feiner», erklärt Markus Neff. Je nach Feinheitsgrad kann das Werkstück vor der Applikation des Lackes gewässert und geschliffen werden. Zusätzlich kann der Anwender die Aufrauung vermindern, indem er beim ersten Lackauftrag nicht zu dick spritzt.
Das zentrale Thema bei der Applikation ist die hohe Oberflächenspannung des Wassers. Um eine gute und regelmässige Benetzung des Werkstücks zu gewährleisten, müssen die Lacktröpfchen möglichst fein zerstäubt werden. Dies erfordert einen höheren Spritzdruck. Ein einfaches und ressourcenschonendes Mittel ist dabei die Vergrösserung der Leitungsquerschnitte.
Qualitativ hochwertige Wasserlacke sind in etwa gleich teuer wie vergleichbare Lösemittelprodukte. Jedoch entfällt dabei die Voc-Abgabe. Wasserlack verfügt über einen höheren Festkörperanteil als sein Pendant und kann deshalb materialsparender eingesetzt werden. Dafür ist aber die Topfzeit deutlich kürzer.
«In unserem Betrieb können wir die Grenzwerte der Luftreinhalte-Verordnung (LRV) des Lösemittelausstosses im Schnitt um den Faktor drei bis fünf unterschreiten», sagt Neff. Wasserlacke enthalten einen wesentlich geringeren Anteil an organischen Lösemitteln. Dieser liegt in der Regel bei 10 bis 15 Prozent.
Trotz geringeren Emissionen darf der Arbeitsschutz (PSA) beim Verarbeiten von Wasserlack nicht vernachlässigt werden. Die PSA sollte analog jener beim Spritzen von DD-Lacken sein. Für die Aufbewahrung von Wasserlacken ist hingegen kein Explosionsschutz-Zonen-Bereich erforderlich.
Bei der Entsorgung gilt: Egal ob Wasser- oder Lösemittellack, Reste müssen separat entsorgt werden und Härter sowieso. Das heisst, auch der bei 2K-Wasserlacken anfallende Lackschlamm ist als Sondermüll zu entsorgen, da er aufgrund des hohen Wasseranteils nicht einer thermischen Verwertung zugeführt werden kann. Von Gesetzes wegen gibt es somit keine Unterschiede, bis auf den Umstand, dass die Entsorgung bei Wasserlacken günstiger ist.
Bei wasserverdünnbaren 1K-Systemen ist die Entsorgung deutlich einfacher. Unter Umständen kann der Lackschlamm nach einer Ultrafiltration rezykliert und dem System als frisches Lackmaterial zugeführt werden. Dies gilt auch für die Lackresten oder Overspray. Auf diese Weise können die Ressourcen erheblich geschont werden.
In den Labors der Lackhersteller wird intensiv nach neuen Rezepturen mit möglichst wenig Lösemittelgehalt geforscht. Dies unter dem Aspekt des Umweltschutzes und speziell bezüglich des Abbaus der Ozonschicht. Die Entwicklung konnte während der vergangenen Jahre Schritt für Schritt mitverfolgt werden. Diese Sensibilisierung sei wichtig, findet Stefan Koller. «Wir müssen dennoch realistisch bleiben und wegkommen vom Schwarz-Weiss-Denken». Es sei nicht möglich, jetzt sofort einen lösungsmittelfreien Lack zu erfinden. «Es steckt aber noch viel Potenzial in der Reduktion», ist er überzeugt.
Ähnlich sieht das auch Joachim Linge. Für den Lackhersteller sei es wichtig, auf dem eingeschlagenen Weg weiterzugehen und intensiv nach zukunftsgerichteten Produkten zu forschen. «Nur wegen der VOC-Abgabe wird kein Schreiner auf Wasserlack umsteigen», meint er. «Wir müssen den Anwender nicht zu einer Umstellung zwingen, sondern ihn durch die Qualität des Wasserlackes davon überzeugen.»
Einen Wechsel von Lösemittel- auf Wasserlacke ist wohl für jeden Schreiner anfänglich noch gewöhnungsbedürftig. «Aufgrund der längeren Trocknungszeiten müssen allenfalls die Arbeitsabläufe angepasst werden», sagt Linge. Eine Frage der Organisation und damit auch eine der Kernkompetenzen des Schreiners.
www.erichkeller.comwww.votteler.swisswww.ruco.chDie Anfänge der Wasserlacke liegen in den 60er-Jahren in der Automobilindustrie. Damals machte man sich unter anderem wegen eines Grossbrandes mit mehreren Toten und einem riesigen Sachschaden infolge Lösemittel Gedanken über wässerige Alternativen. Bezüglich der Chemie bestand aber ein grundsätzliches Problem: Das Binde- mittel, als Hauptbestandteil eines Lackes, muss genau jene Eigenschaft ausweisen, die nach der Applikation auf der Oberfläche fehl am Platz ist – die Wasserlöslichkeit. Heute ist es dennoch möglich, Filmbildner zu produzieren, die nahezu wasserlöslich sind. Trotzdem werden die Bindemittel zuerst im klassischen Lösemittel gelöst, danach in Wasser dispergiert. Anschliessend wird das Lösemittel durch sogenanntes «Strippen» abdestilliert. Dies ist der Grund, warum auch Lacke auf Wasserbasis einen geringen Anteil an Lösemittel aufweisen.
Veröffentlichung: 07. November 2019 / Ausgabe 45/2019
Laserreinigung. Auch wenn das Laserschwert noch eine Weile Science-Fiction bleiben wird, ist mit gebündelten Lichtstrahlen bereits heute vieles möglich, was vor 50 Jahren nur in Filmen funktionierte. So zum Beispiel Rost und Schmutz einfach mit einem Laserstrahl zu verdampfen.
mehrBeizen. Dem Holz nach Belieben eine kräftige Farbe schenken, ohne auf Maserung und Farb- verlauf im Holzbild achten zu müssen, und trotzdem das Holz noch erkennen können. Das können nur Beizen. Sonst braucht es nicht sehr viel dazu. Es gilt: Probieren geht über Studieren.
mehrPaidPost. Beim traditionsreichen Unternehmen Gross Fenster + Türen GmbH in Salzweg bei Passau (D) hat Range + Heine aus Winnenden (D) kürzlich die horizontale Flutanlage für die Grund- und Zwischenbeschichtung von Holzteilen modernisiert und erweitert.
mehr