Die Königin der Alpen

Ein modernes Bündnerstübli aus Arvenholz wirkt sich positiv auf Geselligkeit und Behaglichkeit aus. Bild: Michi Läuchli

Arvenholz.  Das heimische Nadelholz bietet neben seiner ansprechenden Optik mit den verwachsenen Astpartien einen charakteristischen Duft. Daneben besitzt es Fähigkeiten, die es zu einem aussergewöhnlichen Naturprodukt machen.

Wer liebt ihn nicht, den Geruch von Arvenholz? Zirbelkiefer, Zirbenkiefer, Arbe, Arve, Zirbe oder Zirbel – Pinus cembra hat viele Namen – und doch den einen, unverkennbaren Duft. Treffend dazu schrieb 1935 der Autor A. L. Schnidrig in der Zeitschrift «Die Alpen»: «Der Arvenwald ist die Zierde des Gebirges, dessen kahlen Schädel er mit weihrauchduftenden Locken schmückt.»

Nachweislich gesundheitsfördernd

Der charakteristische Arvenduft stammt sehr wahrscheinlich von den ätherischen Ölen, erforscht ist dies aber nicht. Nachgewiesen wurden hingegen die positiven Auswirkungen von Arvenholz auf die Lebens- respektive Schlafqualität. In einer Forschungsarbeit des Joanneum Research in Weiz (A) wurden verschiedene Experimente durchgeführt, welche den positiven Einfluss von Arvenholz aufzeigten. So liess man die Probanden beispielsweise in Räumen mit Arvenholz arbeiten, danach in Räumen, welche mit Holzimitaten ausgekleidet waren. Oder man liess sie in Arven- oder Holzimitatbetten schlafen. In beiden Fällen wurden gleich mehrere positive Effekte von echtem Arvenholz gegenüber dem Imitat beobachtet: Beim Schlafen in einem Arvenbett senkte sich die Herzrate signifikant, die Schlaftiefe und die -länge nahmen zu.

«Der Arvenwald ist die Zierde des Gebirges, dessen kahlen Schädel er mit weihrauchduftenden Locken schmückt.» A. L. Schnidrig

 

Der Einfluss eines Arvenbettes machte sich auch tagsüber positiv bemerkbar, so lag die mittlere Herzfrequenz über 25 Stunden in einem Arvenholzbett um rund 3500 Herzschläge niedriger, was einer Stunde Herzarbeit pro Tag entspricht. Die Probanden fühlten sich ausgeruhter und weniger wetterfühlig, was sich schliesslich in einem geringeren Stresslevel bemerkbar machte.

Wertvolle Inhaltsstoffe

Den gesundheitlichen Nutzen des Holzes bestätigt Ernst Zürcher von der Berner Fachhochschule für Architektur, Holz und Bau. Für ihn ist aber noch nicht klar, ob es alleine den Terpenen zuzuschreiben ist oder ob weitere Stoffe respektive Effekte im Spiel sind. Holz wirkt wie ein elektrischer Isolator und lädt die Raumluft weniger auf. Folgedessen sollte Arvenholz roh belassen oder höchstens geölt werden. Das Holz zu lackieren, ist kontraproduktiv, weil es die Poren verschliesst und die Stoffe somit nicht mehr austreten können.

Gebirgswaldbaum

Das in der Arve vorhandene Pinosylvin, welches höchstwahrscheinlich für den Duft verantwortlich ist, agiert als natürliches Abwehrmittel gegen pflanzenfressende Lebewesen. Es hilft der Arve, in ihrer rauen Umgebung zu überleben. Das Verbreitungsgebiet dieser Baumart erstreckt sich über den gesamten Alpenbogen, ausserdem gibt es vereinzelte Bestände in den Karpaten. In der Schweiz befinden sich die Hauptareale im Wallis und im Engadin, zudem gibt es nördlich der Alpen Bestände im St. Galler Oberland, im Kanton Glarus, im Berner Oberland, im Kanton Freiburg und im Waadtland sowie alpensüdseitig bis ins mittlere Tessin. Dabei wachsen die Nadelbäume hauptsächlich an Standorten mit mittlerer Bodenfeuchte. Sie bevorzugen gleichmässig feuchte und tonhaltige Böden, während lange liegender Schnee zu vermehrtem Pilzbefall führt und sich negativ auf die Bäume auswirkt.

Ein Baum der Extreme

Unter den föhrenartigen Waldbaumarten des Alpenraums nimmt die Arve wortwörtlich eine überragende Stellung ein – sie ist die höchststeigende Baumart Europas. In den Hochlagen-Wäldern kommen neben Arven auch Lärchen und Fichten in unterschiedlichen Anteilen vor, die Arve wächst jedoch auch weit über die Baumgrenze von Lärche und Fichte hinaus und bildet den obersten Waldsaum auf etwa 2500 Metern. Zu verdanken hat sie dies der guten Anpassungsfähigkeit an das raue Gebirgsklima, so können Temperaturen von plus 40 Grad bis zu minus 40 Grad der Arve nichts anhaben. Mühelos trotzt sie den extremen Wetterverhältnissen von Wind, Schnee, Blitz und Sturm.

Umso erstaunlicher, dass Arven über 1000 Jahre alt werden können, was sie zu einer der langlebigsten Baumarten der Welt macht. Es ist daher nicht verwunderlich, wird sie auch als «Königin der Alpen» bezeichnet. Der immergrüne Baum wird bis zu 25 Meter hoch und kann einen Stammdurchmesser von bis zu 1,7 Meter erreichen.

Ausserdem leisten die Bäume aufgrund ihrer Höhenlage auch einen wichtigen Beitrag zum Lawinenschutz. Bestimmt durch die schroffen Wetterverhältnisse, denen die Arven ausgesetzt sind, können sie teilweise bizarre Wuchsformen entwickeln.

Symbiose mit dem Tannenhäher

Arven beginnen nach etwa 60 Jahren, Blüten zu tragen, die sich im obersten Kronendrittel bilden. So sind diese optimal dem Wind ausgesetzt, der dafür sorgt, dass sich die Pollen gut verteilen. Die Zapfen wachsen dann erst im Folgejahr heran. Das weiche Innere gleicht den Pinienkernen, ist nährstoffreich und schmackhaft. Es war früher eine willkommene, aber aufwendig zu gewinnende Erweiterung des Speiseplans und ein wertvolles Exportprodukt. Doch nicht nur für die Menschen, auch für den Tannenhäher stellen die Arvensamen eine schmackhafte Nahrung dar, die er ab dem Spätsommer jeweils als Wintervorrat im Boden versteckt.

Für die Verbreitung der Arvensamen und das Überleben der Art spielt dieser Vogel somit eine notwendige Rolle, da die Arvensamen schwer sind und keine Flughilfen haben. Ein Tannenhäher legt innerhalb einer Saison etwa 10 000 Verstecke an, wovon er selbst unter dicken Schneeschichten ungefähr 80 % wiederfindet – was ziemlich erstaunlich ist. Die verbleibenden Verstecke sind für die Arve der Hoffnungsträger, denn sie bieten einen idealen Nährboden für die Keimung der Samen. Leider wurde der Vogel aber lange als Schädling angesehen und bis ins 20. Jahrhundert gejagt. Das hatte schwerwiegende Auswirkungen auf die Waldbestände.

Lange übernutzt

Neben der finanziell abgegoltenen Tannenhäherjagd hatte auch die Nutzung von Arvenholz als Brennholz einschneidende Auswirkungen auf die Bestände, sodass diese stark übernutzt waren. Dazu wurde in gewissen Regionen auch Waldstreu für Tierfutter verwendet: Weil die benötigten Rohhumusauflagen entfernt wurden, verschwanden nicht nur die wichtigen Keimbette, sondern auch die Keimlinge.

Dass in den Schweizer Alpen dennoch so viele Arven zu finden sind, verdankt sich nicht nur dem Umdenken in der Holznutzung, sondern auch der Widerstandskraft dieser Baumart. Die Holznutzung ist heute durch den Hiebsatz klar geregelt. Er garantiert, dass nur so viel Holz geschlagen, respektive dem Wald entnommen wird, wie auch wieder nachwächst. «Anhand des Betriebsplans, der das Planungsinstrument des Waldbesitzers ist, wird der Hiebsatz erstellt und berechnet», sagt Riet Denoth von der Sägerei in S-chanf GR.

Arve im Klimawandel

Obschon die Arve ein widerstandsfähiger Baum ist, macht auch der Klimawandel kein Halt vor ihr, er führt zu wärmeren und trockeneren Waldhabitaten. Somit ist anzunehmen, dass sich die Vegetationsstufen und damit auch der Lebensraum der Arven in höher gelegene Lagen verschiebt. Hier hat die Arve allerdings einen schweren Stand, denn sie ist gegenüber den von unten vordringenden Baumarten konkurrenzschwach und wächst zudem nur langsam. Ausserdem sind Topografie und Boden für sie wegen fehlenden Rohhumus in höheren Lagen ungünstig. Erschwerend kommt hinzu, dass die Arve fast nur durch den Tannenhäher nach oben gelangt, dieser aber grösstenteils in bereits bewaldeten Gebieten seine Verstecke anlegt. Die Gefahr besteht also, dass gewisse Arvenbestände zukünftig kleiner werden oder lokal sogar verschwinden.

Ideales Möbelholz

Der Tannenhäher ist nicht der Einzige, der sich für die Arve interessiert – das Holz wird schon lange für die Produktion von Möbeln verwendet. Gerade wegen der antibakteriellen und insektenabwehrenden Eigenschaften war es schon früher beliebt für Möbel zur Lagerung von Esswaren und Kleidern. Weil es weich und leicht ist, zudem nicht splittert und die Äste verwachsen sind, lässt es sich gut bearbeiten. Seine milde Farbe und die Eigenschaft des leichten Aufquellens machen es auch zum Beizen und für Küferarbeiten wie Milchgeschirre ideal.

Nachfrage steigt

Die Anfrage bei regionalen Sägereien zeigt, dass Dschember – wie die Arve in den rätoromanischen Gegenden der Schweiz gerne genannt wird – sehr gefragt ist, selbst Preiserhöhungen von 25 % in den vergangenen Monaten bremsen die Nachfrage nicht aus. Ganz im Gegenteil: «Sie ist zurzeit grösser als die Liefermöglichkeit», wie Co-Forstleiter Denoth sagt. Für den Preisanstieg sind verschiedene Faktoren verantwortlich. «Das Fällen ist eine aufwendige Arbeit, weil die Arven oft aus unwegsamem Gelände mittels Seilkran oder Helikopter zum Holzlager transportiert werden müssen», sagt er. Zudem kann der Schreiner vom geschlagenen Holz letztlich nur rund einen Viertel nutzen, da der Verschnitt in Sägerei und Schreinerei bei jeweils 100 % liegt. Der gelblich-weisse Splint wird traditionell nicht verwendet, da er nach kurzer Zeit dunkle Streifen und Flecken bekommen kann. Für die Arvenmöbelproduktion wird nahezu 95 % Schweizer Holz verwendet, wie Recherchen bei mehreren Schreinereien zeigen. Nachfolgend sind einige aktuelle Kreationen von Bündner Betrieben aus Arvenholz zu sehen.

Holz mit besonderen Eigenschaften

Arvenholz fühlt sich nicht nur angenehm an, es besitzt nachweislich gesundheitsunterstützende Inhaltsstoffe, die zu einem besseren Wohlbefinden führen.

  • Harmonisierend: Arvenholz schafft natürliche Harmonie, schenkt Schlaf- komfort und Ruhe im Schlafzimmer. Es reduziert Wetterfühligkeit und Nachtschweiss.
  • Vitalisierend: Die Arve belebt und kräftigt. Ihr intensiver Duft vitali- siert den Geist, und ihr feines Aroma wirkt belebend. Zudem kräftigt Zirbenöl die Muskulatur und wirkt entspannend.
  • Bakterienhemmend: Arvenholz vertreibt dank dem enthaltenen Pinosylvin (Alpha-Pinen) Kleider- motten. Auch deshalb werden in den Alpen seit Langem Schränke, Lebensmitteltruhen und Holz- kissen aus Arvenholz hergestellt. Alpha-Pinen sind Terpene, also flüchtige organische Substanzen. Diese werden von Pflanzen als natürliches Abwehrmittel gegen pflanzenfressende Lebewesen eingesetzt.
  • Herzschonend: Schlafen im Umfeld von Arvenholz verbessert den Tief- schlaf. Es senkt die Herzfrequenz, also die Herzrate um bis zu 3500 Herzschläge in 24 Stunden, was der Ersparnis einer Stunde Herzarbeit pro Tag entspricht. Der erste und tiefste Schlafzyklus – der REM-Schlaf – dauert länger, dadurch nimmt die Schlaf- qualität zu, und die vegetative Erholung steigt.

Drehbarer Schrank

Entstanden ist die Idee für den drehbaren Arvenschrank während einer Reise, auf der sich Architekt Jon Armon Rauch 2012 befand. Er war für das Design zuständig, Curdin Müller entwickelte die Konstruktion. Durch die unübliche Schrankform lässt sich «Circus» frei im Raum platzieren. Der Schrank hat eine kreuzförmige, tragende Struktur und wird von dünnen, eingenuteten Aussenwänden umschlossen. Der 2030 × 640 × 640 mm grosse Zylinder steht auf einem runden, drehbaren Stahlfuss. Die zwei Schrankhälften werden durch Soss-Scharniere geöffnet, im Innern befinden sich satinierte Glastablare. «Circus» wird in der Schreinerei Curdin Müller in Strada hergestellt.

mobigliamueller.ch

Massiver Raumtrenner

Um den Essbereich zur Büroecke in einem Einfamilienhaus zu unterteilen, realisierte die Engadiner Lehrwerkstatt einen Raumtrenner aus massiver Arve. Das Möbel misst 3100 × 2380 × 430 mm, hat offene Nischen, Schubladen, Türli und wurde roh belassen. Es war zugleich das Abschlussprüfungsmöbel eines Lehrlings im vergangenen Jahr.

www.lehrwerkstatt.ch

Tisch mit X-Beinen

«La Crusch» heisst übersetzt «das Kreuz», womit die x-förmigen Tischbeine des mas- siven Tisches gemeint sind. Die Kreation von Frars Hohenegger aus Fuldera nimmt traditionelle Verbindungen wie die Gratleiste auf und kombiniert sie mit anderen Materialien wie der massiven Messing-Zugstange zwischen den Beinen, welche zur Stabilität beiträgt. Den Tisch gibt es in drei verschiedenen Grössen. Die Tischplatte kann für den Transport vom Untergestell abgenommen werden.

www.raina.chwww.frars-hohenegger.ch

Arve-Glas-Kombi

Die Kombination von Arvenholz mit ein- gefärbten. satinierten Glasfronten ergeben moderne Möbelkreationen. Sie werden von David Rohrbach in Zernez nach Kundenwunsch hergestellt. Neben dem Standardformat von1600 × 760 × 450 mm ist das Sideboard aus unbehandelter Arve in allen möglichen Grössen erhältlich, auch die Farbe der Schiebetüren lässt sich frei wählen.

www.arvenatelier.chwww.davidrohrbach.com

Modernes Arven-Sideboard

Das Sideboard setzt auf schlichte Linien ohne Schnörkel und möglichst wenig Metallbeschläge. Ausser den Topfbändern ist das 1600 × 800 × 45 mm grosse Möbel komplett aus massivem geölten Arvenholz. Gefertigt wird es in der Rominger Holzmanufaktur AG in Pontresina. Die Schreinerei wird in dritter Generation geführt und setzt hauptsächlich auf Schweizer Holz.

www.rominger.ch

Tradition trifft Moderne

«Recham» ist Rätoromanisch und heisst Kreuzstich auf Deutsch. Dieser wurde neu interpretiert und auf die Tür-Innenseiten des massiven Arvenkubus gelasert. Entwickelt hat ihn Ramon Zangger, gebaut wird er heute von Stefan Trutmann, der die Tradition der Familie Zangger-Rechsteiner in Samedan weiterführt. Der Kasten mit Kastanienholz-Tablaren ist rückseitig beleuchtet und hat eigens entwickelte CNS-Scharniere, welche gleichzeitig auch als Gratleiste fungieren.

ramonzangger.chschreinerei-trutmann.ch

Arvenkubus

Im schlichten Design aus regionalem Arvenholz – gemacht in Graubünden. So stellt die Pinus Cembra Naturprodukte GmbH in Masein ihren filigranen Arvenkubus «Schember» vor. Der quadratische Kubus misst 380 × 380 × 380 mm und wird bei der Arvenmöbel Camenisch in Pragg-Jenaz und der Ladner Schreinerei in Domat-Ems produziert.

arverei.ch

Lebenswerk

Arven für den Rheinwald

Theodor Gerber begann 1972, sich für die Aufzucht von Arven zu interessieren. Sein Ziel war es, den Arven-Lärchen-Bannwald im hinteren Rheinwald im Kanton Graubünden wiederherzustellen. Unterstützt wurde er dabei von Bauern, Jägern und vielen freiwilligen Helfern, die zusammen die Arbeitsgemeinschaft «Arven fürs Rheinwald» bildeten. Nach dem Tod von Theodor Gerber 2019 wurde aus der Arbeitsgemeinschaft im April 2021 ein Verein gegründet. Den beteiligten Personen ist es zu verdanken, dass heute an über 15 Standorten im Rheinwald Arven wachsen und der Tannenhäher zurück ist. In den vergangenen Jahren wurden so weit über 70 000 Arven gepflanzt. «Der Verein soll das Lebenswerk von Theo Gerber weiterführen und den Dialog zwischen den Vereinsmitgliedern und den Bewohnern im Rheinwald fördern», sagt der Präsident Christoph Gerber.

arven-rheinwald.ch

Michi Läuchli

Veröffentlichung: 18. Mai 2023 / Ausgabe 20/2023

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