Die Ausbildungsplätze sind fest in Frauenhand
Die drei Lernenden der Thomas Sutter AG: Sandra Nagel, Saskia Brülisauer und Rahel Zellweger (von links). Bild: Nicole D'Orazio
Die drei Lernenden der Thomas Sutter AG: Sandra Nagel, Saskia Brülisauer und Rahel Zellweger (von links). Bild: Nicole D'Orazio
Bei der Thomas Sutter AG in Haslen bei Appenzell AI gibt es derzeit drei weibliche Lernende. Rahel Zellweger, Saskia Brülisauer und Sandra Nagel geniessen es und verstehen sich sehr gut.
Eigentlich ist es kein Thema, irgendwie aber doch. Die Lernenden der Thomas Sutter AG in Haslen bei Appenzell AI sind alles junge Frauen. «Als ich hier angefangen habe, gab es erst eine Frau im Betrieb», erzählt die 18-jährige Rahel Zellweger, die im dritten Lehrjahr ist. «Dass wir mittlerweile drei weibliche Lernende sind und auch noch weitere Frauen in der Werkstatt arbeiten, hat sich erst ergeben. Das ist wohl Zufall.» Die 16-jährige Sandra Nagel hat letzten Sommer mit der Lehre begonnen. «Als ich hier schnupperte, waren es erst zwei Frauen. Aber mir gefällt’s.» Das wird noch länger so bleiben, denn im Sommer fängt nochmals eine junge Frau ihre Ausbildung bei der Thomas Sutter AG an.
«Für uns ist die Situation halt normal geworden. Es ist toll, dass wir uns so gut verstehen, die gleichen Interessen haben und uns gegenseitig unterstützen», sagt Rahel Zellweger. «Ich denke schon, dass das Arbeitsklima anders ist, wenn mehrere Frauen in einem Betrieb angestellt sind.» Was den Unterschied genau ausmache, können die drei Lernenden nur schwierig beschreiben. «Wir haben überhaupt keine Probleme mit Männern und arbeiten auch gerne mit ihnen zusammen. Aber ich denke, dass es von den Sprüchen und der Umgangsform her wohl etwas weniger ruppig her- und zugeht, wenn auch Frauen anwesend sind», meint die 17-jährige Saskia Brülisauer, die im zweiten Lehrjahr ist. So habe sie es jedenfalls auch von Schulkollegen gehört. «Aber wenn wir nur Frauen im Betrieb wären, fände ich das auch nicht so toll. Eine Mischung sollte schon sein.» In der Berufsschule in Herisau AR und in den überbetrieblichen Kursen in Teufen AR finden sie diesen Mix vor. Bei der Ältesten der dreien ist etwa ein Drittel der Klasse weiblich, bei den zwei anderen sind es vier und fünf Frauen.
Die Ausbildung zur Schreinerin gefällt den drei Appenzellerinnen. «Ich trainiere gerade für die Teilprüfung», sagte Rahel Zellweger beim Interview Ende März. Sie sei etwas nervös und sollte sich noch etwas reinknien. «Dabei werde ich gut unterstützt. Ich denke schon, dass es klappen wird, und bereite mich gut vor.»
An den Samstagen ist derzeit auch Sandra Nagel oft in der Werkstatt anzutreffen. Sie stellt noch ihr Möbel für die Freizeitarbeiten-Ausstellung der Appenzeller Lernenden fertig. «Es wird ein Nachttisch», beschreibt die Trognerin. Sie verwendet Nussbaum, und die Oberfläche ist aus furniertem Nussbaum. «Ich investiere meine Freizeit gerne in das Objekt, es macht mir Spass.»
Saskia Brülisauer ist mit ihrem Bett hingegen bereits fertig. «Es ist aus Esche und hat halbrunde Beine. Das ist noch schwierig zu erklären», sagt sie und lacht. Die Produktion sei eine Herausforderung gewesen. Sie habe immer mal wieder pröbeln müssen, wie sie weitermachen könne. «Aber es ist gut herausgekommen. Ich bin zufrieden. Das Besondere ist, dass das Bett metallfrei ist. Darauf habe ich bewusst verzichtet.» Nach der Ausstellung kommt das Bett dann in ihr Zimmer, worauf sich die Schlatterin schon freut.
Der Auszugstisch von Rahel Zellweger ist bald fertig. Sie muss nur noch die Oberfläche behandeln. Auch sie hat Nussbaum verwendet. Das Holz gefällt ihr, und sie findet, dass Nussbaum gut zu anderen Holzarten passt. Im Lehrbetrieb werde allgemein oft mit Nussbaumholz gearbeitet, sagt die Teufnerin. «Den Tisch habe ich für mich gemacht. Wenn ich eines Tages von Zuhause ausziehe, werde ich ihn in meine Wohnung mitnehmen.»
Der Lehrbetrieb ist auf Möbel spezialisiert, und die jungen Frauen sind deswegen oft mit individuellen Aufträgen und mit Massivholz beschäftigt. «Wir wollen schöne und feine Arbeit abliefern», sagt Sandra Nagel. Den Qualitätsstandard der Produkte des Unternehmens schätzen die drei als hoch ein. «Wir sind daher recht ehrgeizig und konzentriert bei der Sache», fügt Saskia Brülisauer an. Küchen werden in Haslen kaum produziert, Fenster und Türen gar nicht. «Es ist toll, dass wir an so abwechslungsreichen Aufträgen arbeiten können», sagt Rahel Zellweger. In der Regel dürften sie an einem Projekt von Anfang bis Schluss arbeiten. «Ausser bei Schritten, für die wir Spezialisten haben, wie für die Bedienung des CNC-Bearbeitungscenters oder für die Oberflächenbehandlung.» Zu den Aufgaben der Lernenden gehören auch Serienarbeiten. Sandra Nagel arbeitet gerade an 200 Kleiderbügeln und zeigt diese ihren Arbeitsgspänli. «Bei Kollektionsmöbeln gibt es immer wieder Serien wie Kleiderbügel, Stühle oder Accessoires. Ich mache das gerne.» Zu Beginn der Lehre hätten sie alle öfters solche Serien- arbeiten übernommen, sagt Rahel Zellweger. «Ich finde, man lernt dabei sehr viel, auch wenn es vielleicht eher langweilig tönt. Man lernt, über längere Zeit die Genauigkeit beizubehalten.»
Dass sie kaum auf einer Baustelle arbeiten, finden die drei Appenzellerinnen nicht schlimm und vermissen es auch nicht. «Einmal einen Tag auf der Baustelle zu erleben, würde ich aber noch gerne», sagt Saskia Brülisauer. «Damit ich sehe, wohin die Möbel kommen, die ich herstellen durfte. Und dass ich dabei auch erleben darf, mit was für einer riesigen Freude der Kunde die Möbel in Empfang nimmt.»
Dass sie Schreinerin werden möchte, war Rahel Zellweger bereits in der zweiten oder dritten Klasse klar, wie sie erzählt. «Mein Vater ist Schreiner. Als ich klein war, hat er mich ab und zu auf die Baustelle mitgenommen. Die Arbeit hat mir sofort gefallen.» Zu Beginn sei ihr Vater jedoch etwas skeptisch gewesen, weil er dachte, es sei nicht das Richtige für sie. An ihrer Entscheidung hat dies aber nichts geändert. «Noch immer bin ich voll überzeugt.» Sandra Nagel strebte einen handwerklichen Beruf an und schaute sich verschiedene an. «Beworben habe ich mich als Schreinerin und Gestalterin Werbetechnik und bin hier gelandet.» Saskia Brülisauer besuchte durch ihre Nachbarin Ramona Rempfler am Zukunftstag eine Schreinerei. «Ich habe noch in viele andere Berufe reingeschnuppert, aber nichts gefiel mir besser als Schreinerin.»
Gedanken über ihre berufliche Zukunft haben sich die jungen Frauen indes noch nicht gross gemacht. «Ich kann mir gut vorstellen, zuerst einige Jahre als Schreinerin zu arbeiten und dann später eine Weiterbildung zu machen», sagt Rahel Zellweger. «Aber ich habe mich noch nicht gross informiert. Ich habe ja noch Zeit.» Saskia Brülisauer möchte nach der Lehre gerne eine Saison auf einer Alp verbringen. Eine Weiterbildung kann sie sich ebenfalls vorstellen. «Zuerst will ich mich aber auf die Ausbildung konzentrieren.»
Sandra Nagel hat überlegt, die Berufsmatur während der Ausbildung zu absolvieren. Jetzt ist sich die 16-Jährige allerdings nicht mehr so sicher. «Ich habe gemerkt, dass nur noch ein Tag zur Schule zu gehen fast anstrengender ist als in der Werkstatt zu stehen. Nur sitzen und zuzuhören braucht fast mehr Energie», begründet sie. Sie werde die Entscheidung deswegen in Ruhe auf sich zukommen lassen. Die 16-Jährige kann sich vorstellen, später in Richtung Zeichnen oder Architektur zu gehen. «Die andere Seite zu sehen, wäre schon spannend.»
Obwohl sie derzeit in ihrer Freizeit oft in der Werkstatt stehen, gehen die drei jungen Frauen auch gerne und regelmässig ihren Hobbys nach. Saskia Brülisauer begeistert sich für Volksmusik. Sie spielt Klavier. Mit ihren drei Geschwistern bildet sie die Formation «Echo vom Gerstgarten». Nach dem Sieg eines Folklore-Nachwuchswettbewerbs durfte sie kürzlich in der Sendung «Potzmusig» des Schweizer Fernsehens SRF in einem Beitrag einen kleinen Einblick in die Schreinerwelt in ihrem Lehrbetrieb gewähren.
Sandra Nagel singt in einem Chor und freut sich, dass nach der Pandemie auch wieder Auftritte auf dem Programm stehen. Rahel Zellweger spielt Badminton in der 3. und 4. Liga und spielt gerne Gitarre.
Die drei freuen sich auf die weitere gemeinsame Zeit. «Lustig ist, dass ich wegen der Arbeit immer mehr den Innerrhoder Dialekt angenommen habe und ein lustiges Gemisch spreche», sagt Rahel Zellweger und lacht. «Meine Eltern haben auch schon Sprüche gemacht, weil ich vom St. Galler Dialekt immer mehr den Innerrhödler übernehme», fügt Sandra Nagel an. Saskia Brülisauer ist darüber amüsiert und sagt: «I fäb hald ab.»
Nicole D'Orazio
Veröffentlichung: 02. Juni 2022 / Ausgabe 22/2022
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