Die Abschlussarbeit fährt auf vier Rädern

Damian Marty im Innern der Bar. Bild: Nicole D'Orazio

Lehrziit. Für Damian Marty war schon früh klar, dass er Schreiner werden möchte. Aus Begeisterung für das Arbeiten mit Holz hat der Thurgauer als Abschlussarbeit der Sekundarschule einen Pferdeanhänger zu einer Bar umgebaut.

Es wurde eine etwas aufwendigere Abschlussarbeit. Und der Lehrer hatte Zweifel, ob Damian Marty sich mit dem Projekt nicht übernimmt und ob dieses auch wirklich fertig wird. Einen Pferdeanhänger hat der Thurgauer während 1000 Stunden in eine mobile Bar verwandelt. Zum Schluss der Sekundarschule in Felben-Wellhausen TG war das Objekt jedoch tatsächlich einsatzbereit. «Ich habe von klein auf viel mit Holz gebastelt und gearbeitet», erzählt der 18-Jährige. «Ich wusste daher schon in der 3. oder 4. Klasse, dass ich Schreiner werden möchte.» Die Idee zu seinem Abschlussprojekt keimte in ihm auf und er überlegte, wie er sie realisieren sollte. «Auf Youtube habe ich mir verschiedene Videos von Umbauten und Holzarbeiten angeschaut. Diese haben mir geholfen.»

Kleine Küche eingebaut

Zuerst ging es darum, einen passenden Pferdeanhänger zu finden. «Beim siebten Händler haben mein Vater und ich endlich einen zu einem fairen Preis gefunden. Bezahlt haben ihn meine Eltern.» Bei Bekannten durfte Marty eine Scheune für den Umbau nutzen. «Ich habe alles selbst gemacht. Die Pläne gezeichnet, viele Telefonate mit Händlern geführt und die passenden Küchengeräte rausgesucht.» Zuerst hat er den Innenraum mit Fichte-Dreischichtplatten (16 Millimeter) verkleidet. So gab es Platz für eine kleine Küche. «Neben Stauraum und einem Kühlschrank verfügt diese über ein Waschbecken und einen Geschirrspüler», beschreibt er. «Zudem habe ich eine Batterie und einen Wassertank eingebaut. Der Anhänger würde also ohne Stom- und Wasseranschluss auskommen.» Die Arbeitsplatte hat er aus einer 19-Millimeter-Spanplatte mit Kunstharz-Oberfläche produziert. Das Ganze sei knifflig gewesen, weil wenig Platz vorhanden war. Die Pläne hatte er sicher dreimal anpassen müssen. «Bei der Ausführung lief aber alles gut.» Neben dem Innenausbau hat der Frauenfelder auch das Dach neu lackiert und der Aussenfassade des Transporters eine Fichten-Täferverkleidung verpasst. «Einzig die Klappe des Fensters sowie die Hecktür habe ich extern herstellen lassen.»

Seinen Mitschülern hat Damian Marty sein Projekt verheimlicht und diese dann überrascht, als sein Vater mit dem Anhänger in der Schule vorfuhr. «Zuerst glaubten sie nicht, dass das mein Projekt ist. Es war eine der aufwendigsten Abschlussarbeiten überhaupt an der Schule Frauenfeld.» Er ist stolz, dass er es geschafft hat. Gut bewertet wurde sie auch, aber das war für ihn nicht das Wichtigste. Nochmals machen würde er das Projekt so aber nicht. «Nicht während der Schule oder Lehre, aber danach, wenn ich genug Zeit hätte, sofort. Ich habe den Aufwand unterschätzt.»

Die Bar ist nun ein Familienprojekt

Die Tiny Bar, wie das Projekt heisst, ist seit dem Ende der Pandemiemassnahmen regelmässig im Einsatz. Vor Kurzem an einem Stadtfest in Frauenfeld, derzeit steht sie in Steckborn TG am Ufer des Untersees. «Mein Vater hat das Wirtepatent und betreibt die Bar nun. Meine Schwester hilft ihm», erzählt Damian Marty. Er könnte den Aufwand nicht stemmen. «Ich kann ab und zu mal frei nehmen, aber neben der Lehre kann ich keine Bar leiten.» Das Ziel sei, dass der Anhänger über den Sommer auf einem Fixplatz stehen und betrieben werden kann. «Im Winter ist das schwierig. Aber vielleicht überlegen wir uns was. Ich finde es toll, dass die Bar zu einem Familienprojekt geworden ist.» Er sei seinen Eltern dankbar, dass sie ihn unterstützt und die Kosten übernommen hatten. «Wir mussten auch noch einen Bus kaufen, der den Anhänger ziehen kann. Die Gesamtkosten haben sich auf einen mittleren bis höheren fünfstelligen Betrag belaufen.» Genaueres möchte er nicht verraten. Weggeben will er die Bar auf keinen Fall. «Ich habe schon einige Kaufangebote erhalten. Aber sie ist unverkäuflich.»

Halbzeit in der Lehre

Seine Begeisterung für den Schreinerberuf ist nach wie vor ungebrochen. Gerade hat Damian Marty das zweite Lehrjahr beendet. Er ist bei der Kunz Schreinerei in Frauenfeld angestellt und fährt nach Weinfelden TG in die Berufsschule. «Es gefällt mir sehr gut und die Ausbildung entspricht meinen Erwartungen», sagt er. «Schreiner ist ein toller Beruf, der vielseitig ist. Man macht nie zweimal das Gleiche. Klar bleibt ein Schrank immer ein Schrank, aber bei jedem gibt es wieder Neues.» Der Frauenfelder freut sich, dass er diesen Sommer eine «Mitstiftin» erhält und nicht mehr der einzige Lernende im Betrieb ist. «Auch mein Berufsbildner wechselt. Aber ich bin sicher, dass ich mich auch mit dem neuen gut verstehen werde», blickt er optimistisch in die Zukunft.

Vor der Teilprüfung hat Marty Respekt und möchte bald mit dem Training anfangen. Sein Lehrbetrieb stellt vor allem Möbel und Küchen her und bietet allgemein Innenausbau-Arbeiten an. «Es gibt eigentlich nichts, was ich nicht gerne mache. Allerdings bevorzuge ich die Abwechslung. Wenn ich mal zwei Wochen lang das Gleiche machen muss, zum Beispiel ölen, mag ich das logischerweise nicht besonders. Aber das kennen ja alle.»

Nicole D'Orazio

www.tiny-bar.ch
 

www.kunz-schreinerei.ch

 

Veröffentlichung: 04. August 2022 / Ausgabe 31-32/2022

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