Der Tournee-Schreiner


Schilder wie dieses fräst Matthias Lehmann von Hand – in der mobilen Werkstatt ist kein Platz für eine CNC-Maschine. Bild: SZ, Andreas Reinhart
Schilder wie dieses fräst Matthias Lehmann von Hand – in der mobilen Werkstatt ist kein Platz für eine CNC-Maschine. Bild: SZ, Andreas Reinhart
Circus knie. Matthias Lehmann stammt aus dem bernischen Burgdorf, ist aber gerade ein bisschen überall zuhause: Der Schreiner geht mit dem Circus Knie auf Tournee und kümmert sich unterwegs um alles, was aus Holz ist. Die SchreinerZeitung gewährt Einblicke in den besonderen Handwerkeralltag.
Der neue Affenwagen für den Zirkus-Zoo sei sein Lieblingsstück, sagt Matthias Lehmann und legt dabei eine ansteckende Begeisterung für seinen Beruf an den Tag. Da hat einer sein Plätzchen gefunden: «Ich habe nach der Lehre jahrelang Fenster montiert», erzählt er. «Aber ich wollte mehr Abwechslung bei der Arbeit.» Nun absolviert er seine erste Saison mit dem Circus Knie und begleitet die Tournee im eigenen Wohnwagen – geparkt in unmittelbarer Nähe der mobilen Werkstatt, die er mit den Schlossern teilt.
In dieser mobilen Werkstatt erledigt Lehmann, was in der Firma Knie an Holzarbeiten anfällt. Hauptsächlich natürlich für die laufende Tournee, etwa Bodenplatten für die Manege, Reparaturen am Interieur der Wohnwagen und Campingfahrzeuge oder Beschilderungen. Hin und wieder fällt aber auch etwas für den Kinderzoo oder das Knie-Hauptquartier in Rapperswil an, im Moment gerade eine Treppe für eine Mietwohnung im Knie-Gebäude. Die grösseren und vor allem die planbaren Teile bereitet Lehmann in der zirkuseigenen Schreinerei im Rapperswiler Winterquartier vor, damit sie rechtzeitig zum Tourneestart parat sind. In der Schreinerei in Rapperswil sind sie zu dritt – Matthias Lehmanns Chef und seine Arbeitskollegin bleiben allerdings während der Tournee dort. Dieses Team ist es auch, das – jeweils über den Winter – die Aufbauten und das Interieur der Wohnwagen bzw. der Camper sowie der Tierwagen herstellt und montiert. Kaum unterwegs, ist dann aber Schluss mit Arbeiten Planen: Die Tage im Werkstattwagen bestehen, so Lehmann, zu etwa der Hälfte aus Unvorhergesehenem. Vor allem dann, wenn die Artisten eintreffen und ihre Wohnwagen und Camper beziehen, gelte es jeweils noch ein paar Spezialwünsche zu erfüllen, erzählt er.
Aber genau das ist es, was der 29-Jährige an seiner Arbeit liebt: die Abwechslung, die Improvisation, die aussergewöhnlichen Arbeitszeiten. «Hier kann ich den Kopf gebrauchen und muss nicht nur Fertigteile montieren.» Was er beim täglichen Rundgang durch die Manege an Reparaturbedürftigem findet, nimmt er mit: «Wenn zum Beispiel ein Pferd in der Manege einen Spiegel zertritt, muss der für die nächste Vorstellung wieder in Ordnung sein.» Was Matthias Lehmann von anderen Schreinern unterscheidet, ist, neben dem Unterwegssein, auch der Bezug zu seinen Werkstücken: «Andere Schreiner bauen eine Küche ein und sehen sie danach nie wieder. Hier im Circus Knie sehe ich, wie etwas entsteht – aber ich bekomme auch mit, ob es sich danach bewährt», erklärt er.
Damit auch spontane Reparaturarbeiten reibungslos ausgeführt werden können, muss die mobile Werkstatt schlau organisiert sein. Das Herz der Werkstatt ist eine drehbare Kombimaschine, Material und Werkzeuge sind platzsparend über den ganzen Wagen verteilt. Lange Hölzer unter dem Dach, kleine unter dem Boden, Platten quer zum Wagen in einer Lücke. Schrauben, Nägel und Beschläge finden in verschiedenen Schränken Platz, die Schleifmaschine lässt sich versenken. Die wichtigsten Ersatzteile habe er dabei, sagt er, aber eigentlich «braucht man wohl eine ganze Tournee, um zu wissen, wovon es mehr oder weniger braucht und welche Teile besonders oft kaputt gehen». Übrigens: Im Circus Knie werden bei Holzarbeiten praktisch ausschliesslich Kreuz- oder sogar Schlitzschrauben verwendet; Torx-Schrauben sucht man vergeblich. Der Grund leuchtet ein: Kreuz- und vor allem Schlitzschrauben lassen sich wesentlich besser von Erde, Sand und Staub befreien, während die verschmutzten Torx-Schrauben schnell einmal nicht mehr zu gebrauchen sind.
Wenn die Verweildauer an einem Ort lange genug ist, lohnt es sich für Lehmann, das Vordach auszufahren, um Platz zu gewinnen. So kann auch mal ein Projekt erledigt werden, das mehrere Tage in Anspruch nimmt. Und je nach Gastspielort kommen ortsabhängige Arbeiten dazu – in Zürich etwa ein zusätzlicher Boden beim Bistro-wagen. Dauert ein Engagement nur zwei Tage, wie zum Beispiel in Olten, bleibt die Werkstatt auch mal zu. «Ich bin eine One-Man-Show und kann mir die Arbeit selbst einteilen», sagt Matthias Lehmann. Zudem fährt er, in Burgdorf auf einem Bauernhof aufgewachsen, beim Auf- und Abbau des Zirkuszeltes den Traktor – da bleibt bei kurzen Gastspielen wenig Zeit, die Schreinerei in Betrieb zu nehmen. Lehmann war schon als Kind fasziniert, wenn der Circus Knie nach Burgdorf kam. Und jetzt, Jahre später, hat er sich entschieden, sein Leben «on the road» zu verbringen. «Man muss das wollen», sagt er. «Wenn einen zuhause nichts hält, geht man mit – so eine Chance kriegt man kaum ein zweites Mal.» Es wird sich zeigen, ob der Zirkusvirus auch bei Mat- thias Lehmann zuschlägt – und ob aus einer Saison plötzlich ein halbes Leben wird. Apropos Saison: Die aktuelle Tournee des Circus Knie dauert noch bis im Spätherbst: In Lugano finden vom 17. bis 20. November 2016 die letzten Vorstellungen statt.
www.knie.chVeröffentlichung: 23. Juni 2016 / Ausgabe 25/2016
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