Der Schein trügt nicht

Der aussen liegende Sonnenschutz bringt den grössten Effektfür angenehme Temperaturen im Innern. Bild: Chrisitian Härtel

Beschattung.  Die entscheidenden Parameter für angenehme Temperaturen hinter Glas und Fenstern sind keine Geheimsache, auch wenn es manchmal den Anschein hat. Forschende in Österreich haben die zehn goldenen Regeln für «coole Räume» formuliert.

Die Ausgangslage ist schon oft formuliert worden und bleibt trotzdem noch zu oft folgenlos. Denn diese lautet: Die Anzahl der Hitzetage mit über 30 °C und der darauffolgenden Tropennächte mit mehr als 20 °C nimmt stetig zu. Diese sind vor allem im städtischen Raum ein Problem. Der Kühl- und Energiebedarf nimmt dadurch zu, während der Heizenergiebedarf nicht in gleichem Masse sinkt, wie er dies rein rechnerisch durch den Effekt der Erderwärmung tun könnte. Unterm Strich bedeutet dies: Wir brauchen zu viel Energie, wobei der Anteil zum Kühlen zunimmt. Im Gegensatz zum winterlichen Wärmeschutz rückt der sommerliche Hitzeschutz erst in jüngerer Zeit vermehrt ins Blickfeld. Holzforschung Austria und die Technische Universität Graz haben in einem gemeinsamen Projekt zahlreiche Varianten simuliert, um einen ganzheitlichen Lösungsansatz zur Reduktion des Energiebedarfs mit einer möglichst hohen Tageslichtausbeute zu finden.

Ein Ergebnis der Bemühungen sind die zehn goldenen Regeln für das «passive Haustechnikelement» Fenster (siehe Übersicht unten). Durch deren Einhaltung kann eine Reduktion der Raumtemperatur und des Kühlbedarfs erzielt werden. Die Ergebnisse in Form der zehn goldenen Regeln lesen sich wie das Einmaleins des Umgangs mit Fenster und Lüftung.

Längst hat diese noch nicht jede und jeder verinnerlicht, und auch wenn es sich nicht um neue Erkenntnisse handelt, sind die formulierten Planungs- und Verhaltensregeln dank der vielen Simulationsstudien doch zum ersten Mal mit wissenschaftlichen Erkenntnissen untermauert worden.

 

Die zehn goldenen Regeln

Aussen liegende Beschattung viel besser als innen liegende

Die aussen liegende Beschattung führt zu den geringsten Temperaturerhöhungen im Sommer und zur höchsten Einsparung beim Kühlenergiebedarf.

Wenn das Anbringen einer Aussenbeschattung nicht möglich ist, ist eine helle, innen liegende Beschattung besser als gar kein Sonnenstopp, insbesondere wenn eine hohe Einstrahlung gegeben ist.

Beschattung in allen Himmelsrichtungen notwendig

Die Einstrahlungsenergie im Norden beläuft sich in den Monaten Mai bis September auf etwa 60 % derer im Süden. Damit ist die Gefahr einer sommerlichen Überhitzung bei fehlender Beschattung auch in nordseitigen Räumen gegeben.

Ug-Wert ≤ 1,0 W/m2K

Der Wärmedurchgangskoeffizient des Glases (Ug-Wert) der Aussenfenster sollte die Marke von 1,0 W/m2K nicht überschreiten und so niedrig wie möglich sein.

Solarer Gesamtenergiedurchlassgrad der Verglasung ≥ 0,5

Ein g-Wert der Verglasung unter 0,5 sollte wegen der Verschlechterung der Tageslichtausnutzung und des Verlustes an solaren Gewinnen in der Heizperiode vermieden werden. Sonnenschutzverglasungen werden somit nicht empfohlen.

Mindestens 50 % der Fenster zum Öffnen

Um eine ausreichende Lüftung, vor allem bei Nacht, gewährleisten zu können, sollte bei der Planung mindestens die Hälfte der Fensterfläche zum Öffnen vorgesehen werden.

Die Querlüftung ist die effizienteste Art der Fensterlüftung, weil dadurch die Raumluft am schnellsten ausgetauscht wird.

Lüftungsverhalten an Aussentemperatur anpassen

Für eine kühlende Lüftung sollten die Fenster nur dann geöffnet werden, wenn die Aussentemperatur die Innentemperatur unterschreitet. Sie sollten geöffnet bleiben, wenn die Innentemperatur sich an die Aus-sentemperatur angeglichen hat, wodurch die gespeicherte Wärme in den Bauteilen abgeführt werden kann.

Nachtlüftung vorsehen

Durch das Lüften in der Nacht lässt sich die über den Tag eingebrachte Wärme wieder abführen. Im Idealfall werden die Fenster erst geöffnet, wenn die Aussentemperatur unter der Innentemperatur liegt. Tagsüber sollten die Fenster bei hohen Aussentemperaturen geschlossen bleiben.

Auch bei Auskragung zusätzliche Beschattung notwendig

Auch bei Auskragungen wie einem Balkon oder einem Vordach ist eine zusätzliche aussen liegende, bewegliche Beschattung notwendig. Selbst bei grösseren Bautiefen von zwei Metern wird der Kühlbedarf durch eine Auskragung nur wenig gesenkt.

Wiederum sollte bei der Planung berücksichtigt werden, dass Auskragungen ab einem Meter Tiefe eine spürbare negative Auswirkung auf das Tageslichtangebot haben.

Fenstergrösse

Grosszügige Verglasungen wirken sich positiv auf die Tageslichtverfügbarkeit aus, setzen aber für die Sommertauglichkeit eine gut geplante und richtig genutzte aussen liegende Beschattung voraus.

Windbeständigkeit der Beschattung

Bei der Wahl der aussen liegenden Beschattung ist eine für den Standort geeignete Windwiderstandsklasse zu wählen.

www.holzforschung.at

Christian Härtel

Veröffentlichung: 04. Juli 2024 / Ausgabe 27-28/2024

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