Der Klau auf dem Bau


Der Diebstahl von Material auf Baustellen kommt vor. Weitaus häufiger schauen Langfinger nach Handmaschinen vom Schreiner. Bild: Photocase, Kallejipp
Der Diebstahl von Material auf Baustellen kommt vor. Weitaus häufiger schauen Langfinger nach Handmaschinen vom Schreiner. Bild: Photocase, Kallejipp
Diebstahl auf Baustellen. Die Medienberichte über Diebstähle auf Baustellen sind zahlreich geworden. Vor allem Grossobjekte sind immer wieder Ziel von Professionellen. Einen wirk- samen Schutz gibt es kaum, aber Möglichkeiten, das Risiko zu minimieren.
Ob Sonnenstoren, Kupferkabel, Geschirrspüler, Handmaschinen oder ganze Bagger – geklaut wird auf dem Bau offenbar alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Baustellen scheinen immer öfter Selbstbedienungsläden für professionelle Banden und für Gelegenheitsdiebe zu sein.
«Nicht nur die Zahl der Diebstähle nimmt immer mehr zu, vor allem auch die Dreistigkeit, mit der geklaut wird auf Baustellen», weiss Daniel Schegg, Geschäftsführer der Dietsche Montageprofis AG in Diepoldsau. Wer seine Maschinen beim Znüni liegen lässt, läuft heute grosse Gefahr, danach nicht mehr mit ihnen arbeiten zu können.
Es sind die teils spektakulären und bandenmässig organisierten Diebstähle, welche in den Medien auf grosses Echo stossen. Von solchen Einbrüchen durch professionelle Diebe, auch in gesicherte Container auf Baustellen, scheinen Schreiner seltener betroffen. Aber die Gelegenheitsdiebe machen vielen Betrieben bei der Montage zu schaffen. «Wir hatten noch keinen Fall, bei dem etwas aufgebrochen wurde. Aber je grösser die Baustelle, desto unpersönlicher das Miteinander und umso mehr wird geklaut. Es sind dann einfach auch viele Leute auf einer Baustelle unterwegs, sobald es sich um ein Grossprojekt handelt», erklärt Schegg.
Da kommt während der Mittagspause dann schon Mal eine Montagesäge abhanden, auch wenn diese 40 kg wiegt. Und solche Fälle häufen sich, weshalb das Thema auch in der Fachgruppe Montage bei den Mitgliedern erörtert wurde. Und dabei wurde klar: «Die Kollegen erleben das alle ähnlich», sagt Schegg, «und wir sind einigermassen ratlos, wie man dem begegnen soll.»
Etwa Jack Breitenmoser, Geschäftsleiter der Peter Baumgartner Schreinermontagen AG in Gossau SG. «Das ist ein grosses Thema für uns, denn die Diebstähle nehmen immer mehr zu. In der Agglomeration Zürich ist es dabei stärker ausgeprägt als in ländlichen Gebieten und auch in anderen Agglomerationen haben wir das nicht so stark erlebt wie in Zürich. Geklaut wird alles, auch Wasserwaagen, Leitern oder Böcke, aber bevorzugt Akkuschrauber und andere Handmaschinen», erklärt Breitenmoser. Neben Dritten, welche sich einfach Zutritt zu einer Baustelle verschaffen, scheinen es vor allem Handwerkskollegen zu sein, die sich bedienen, denn: «Je neuer und teurer die Maschinen, desto grösser die Begierde», sagt Schegg. Zur Anzeige gelangen solche Fälle oft nicht, weshalb die Statistiken der Polizei nicht aussagekräftig sind für diese Art des «Schwundes». Die Dunkelziffer der Diebstähle kann deshalb als recht hoch eingeschätzt werden.
«Vor den grossen Ferien im Sommer und vor Weihnachten ist es ganz massiv mit den Diebstählen», so Breitenmoser. Ein Zeichen dafür, dass viele Handmaschinen zu Ferienbeginn in den Kellern der Kollegen verschwinden. Die Vermutung liegt auch nahe, dass es Handwerker aus allen möglichen Ländern sind, die dazu beitragen. «Aber ich möchte das nicht an Nationalitäten festmachen, schon eher am Gefälle im Lohn sowie am Unterschied im Lebensstandard», sagt Daniel Schegg.
Im Gegensatz zu den Bandendiebstählen, wo auch Mal mehrere Tonnen Kupfer abtransportiert werden, scheint Material weniger das Ziel bei den Gelegenheitsdieben auf mittelgrossen Baustellen zu sein. Obwohl Daniel Schegg auch da schon einen Fall erlebt hat. «Wir hatten Küchen zu montieren. Die Kochfelder waren bereits eingebaut. Am nächsten Tag fehlten auf einmal die Backöfen, die noch nicht montiert waren», berichtet Schegg.
Zur Gruppe der möglichen Gelegenheitsdiebe gehören genauso die eigenen Mitarbeiter. Die Meldung in Schweizer Medien, wonach 30% des Warenschwundes im Einzelhandel auf das Konto der Mitarbeiter geht, hatte für Aufsehen gesorgt. Auch lässt sich das Ergebnis bestimmt nicht einfach auf das Handwerk übertragen. Die Schwierigkeit bei der Selbstbedienung durch eigene Leute besteht jedoch darin, dass diese meist ihr Handeln nicht als Diebstahl einschätzen, sondern deutlich geringer. Das Bewusstsein darüber, ein Delikt zu begehen, fehlt oft. Auch hier gilt: Je grösser das Unternehmen, desto unpersönlicher und um so geringer das Bewusstsein, durch das eigene Handeln dem Arbeitgeber damit zu schaden.
Diebstähle von eingebauten Geräten oder Fertigprodukten sind ganz besonders heikel, nicht nur, weil der Schaden erheblich ist, sondern weil der Schreiner dann in der Regel auf dem Schaden sitzen bleibt. Wer haftet, wenn Küchengeräte eingebaut waren, aber die Baustelle noch nicht abgenommen wurde? Das ist nicht nur eine juristische Frage, sondern auch ein praktisches Problem. Denn wie soll der Schreiner beweisen, dass der Backofen bereits montiert war? Und was, wenn der Bauherr eine Verantwortung ablehnt, sich auf die noch nicht erfolgte Abnahme beruft und sich somit herausnimmt? Dann ist der Schreiner in jedem Fall in einer schwierigen Situation. Abhilfe dagegen kann eine entsprechen- de Versicherung schaffen. Meistens jedoch decken die Versicherungspolicen den Diebstahl auf Baustellen nicht oder nur mit Zusatzoptionen ab. «Der einfache Diebstahl ist in der Regel nicht versicherbar. Durch die Sachversicherung kann lediglich der Einbruchdiebstahl auf Baustellen und in Baubaracken versichert werden. Aber diese Deckung muss ebenso speziell vereinbart werden. Die normale Aussenversicherung reicht nicht aus», erklärt der Dienstleister Promrisk, ein Unternehmen der Promea.
Hat man eine Versicherung, die entsprechende Zusatzleistungen anbietet, steigen die Kosten für diese Absicherung jedoch schnell an, vor allem, wenn man alle denkbaren Fälle miteinbeziehen möchte. «Der Selbstbehalt im Schadenfall ist einfach viel zu hoch», weiss Jack Breitenmoser aus eigener Erfahrung.
Auf Baustellen befinden sich gesicherte Räume meistens zuerst im Keller. Schreiner arbeiten aber genauso im dritten Stock und müssten so vor jeder Pause und bei Arbeitsende am Abend die Maschinen und auch das Material entsprechend wegräumen und am nächsten Tag wieder hochtragen. «Das ist in der Praxis aber nicht machbar, weil viel zu aufwendig», sagt Schegg. Unter Umständen kann sich die Montage einer Bautür lohnen, vor allem, wenn man längere Zeit vor Ort ist. Bei der Peter Baumgartner Schreinermontagen AG versucht man sich zu schützen gegen den Klau. «Vor dem Znüni und vor der Mittagspause sichern wir die Maschinen entsprechend mit Ketten und Schlössern an Heizkörpern oder Ähnlichem», erklärt Breitenmoser. Das helfe, auch wenn Schegg wieder ein Beispiel aus der eigenen Erfahrung einfällt, bei dem eine Maschine auf Böcken angeschraubt war und trotzdem demontiert wurde.
Es bleibt eine Sorgfaltsaufgabe für Handwerker, Material und Maschinen vor diebischem Zugriff zu schützen. Dazu beitragen kann die punktgenaue Lieferung von Material und Geräten auf Baustellen und im Falle von grossen Stückzahlen auch die Teillieferung, um lagernde Werte möglichst zu vermeiden.
Miteinkalkulieren kann man den Diebesschwund ebenfalls schlecht. «Würden wir das in die Offerte miteinbeziehen, wäre der Auftrag bei einem Mitbewerber», so Daniel Schegg. Geht vielleicht eine Mitbenützung von abschliessbaren Containern auf grösseren Baustellen noch, sind die Kosten für einen eigenen «Schutzraum» auf der Baustelle in der Regel viel zu hoch.
Vor einigen Jahren lancierte der Qualitätshersteller Hilti sein TPS-System am Markt. Der elektronische Diebstahlschutz funktioniert ähnlich wie die Wegfahrsperre beim Auto. Das Werkzeug kann mit aktiviertem TPS nur betrieben werden, wenn der Benutzer im Besitz eines elektronischen Freischaltschlüssels ist. Jetzt schafft Hilti das System jedoch wieder ab. «Die Handwerker haben es nur teilweise nachgefragt», erklärt Claudia Wallner vom Unternehmen die Gründe. Ein gewisser Schutz besteht bei Hilti über das Flottenmanagement, bei dem über die Seriennummer im Falle einer Reparatur der rechtmässige Eigentümer bestimmt wird.
Auch Festool hat in sein neues Servicepa-ket «All-inclusive» die Diebstahlproblematik aufgenommen. Neben einer Reihe von Serviceleistungen ersetzt das Unternehmen seit April auch gestohlene Maschinen. Der Festool-Service «All-inclusive» bietet 36 Monate lang einen Schutz im Falle eines Diebstahls. Egal, ob der Dieb in der Werkstatt, im Auto oder auf der Baustelle zuschlägt – im Falle eines Diebstahls wird gegen Zahlung des Selbstbehaltes von 150 Franken eine neue Maschine zur Verfügung gestellt. «Unser neues Servicepaket ist einzigartig. Der Kunde muss lediglich im Ersatzfalle den Selbstbehalt bezahlen», erklärt Silvia Pirro von Festool das Konzept. Voraussetzung für den Ersatz ist die Registrierung der Maschine bei Festool, im Falle eines Diebstahls eine Anzeige bei der Polizei und innerhalb von fünf Tagen nach der Tat die Vorlage des Servicezertifikates beim Fes-tool-Händler. Dann bekommt der Handwerker eine neue Maschine, für die der Diebstahlschutz dann aber nicht mehr gilt. Weitere laufende Kosten fallen dabei nicht an.
Daniel Schegg ist überrascht von diesem Angebot, «denn das Risiko, auf Baustellen beklaut zu werden, ist hoch».
www.hilti.chwww.festool.chVeröffentlichung: 13. Juni 2013 / Ausgabe 24/2013
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