Der Aufwand ist enorm

Hier ist Länge ein Nach-teil: Durch Paketsortierungsanlagen passen nur Pakete bis zu einer Länge von 100 cm. Alles, was länger ist, muss von Hand mit entsprechenden Kos-ten sortiert werden. Bild: DPD

Logistik.  Die Materialwirtschaft in den Schreinereien hat sich radikal verändert. Schreiner halten weniger Lager, Beschlägehändler dafür umso mehr. Diese investieren viel in die Logistik. Trotz grossem Aufwand können sie aber ihre Leistungen kaum offen verrechnen.

Heute bestellen – morgen im Haus. Das Bestellwesen in der Schreinerei hat sich in den letzten Jahrzehnten bei allen Materialien verändert. Noch vor wenigen Jahren führte fast jeder Schreiner ein umfangreiches Beschlägelager. Man bestellte Topfbän-der, Türdrücker, Auszüge, Tablarträger und Bügelgriffe in Grossmengen und war dadurch jederzeit lieferbereit. Ausserdem hat man sich auf nur wenige Modelle eines Beschlags beschränkt. Wer Auszugsbeschläge für eine Küche benötigte, hatte nur die Wahl zwischen Teil- und Vollauszug und hat sie dem Lager entnommen. Sank der Bestand unter eine bestimmte Menge, wurde wieder eine Grossmenge nachbestellt.

Schreiner halten kaum noch Lager

Das hat sich innert kurzer Zeit radikal geändert. Die Auswahl an Produkten ist in den letzten Jahrzehnten regelrecht explodiert. Gab es früher bei den Topfbändern je ein Mittel- und ein Endband, sind es heute Dutzende von Varianten. Die Paul Koch AG führt heute ein Sortiment von über 40 000 Artikeln, eine Vielfalt, wie sie noch vor wenigen Jahrzehnten undenkbar war.

Heute wird täglich, ja stündlich und auftragsbezogen bestellt, es gibt kaum noch Mindestbestellmengen. Im Extremfall werden selbst die benötigten Schrauben kalkuliert und automatisch nachbestellt. Viele Unternehmen bestellen mit «ComNorm», einer Plattform, die den Datenaustausch zwischen Schreiner und Händler in beide Richtungen erlaubt.

Universelles Hilfsmittel?

Als universelles Hilfsmittel für die Beschaffung wird in sehr vielen Betrieben die Branchensoftware eingesetzt. Auch wer «ComNorm» nicht einsetzt, kann Offertanfragen, Angebote und Bestellungen direkt aus der Branchenlösung online auslösen. Wer die universelle Schnittstelle nicht einsetzen will, ist aber auf eine gewisse Lieferantentreue angewiesen, weil in der Regel nur die Integration eines bestimmten Anbieters möglich ist. «ComNorm» hingegen funktioniert mit allen angeschlossenen Lieferanten und bietet den Austausch in beide Richtungen an. Das heisst, es müssen keine Stammdaten gepflegt werden und auch die Preise sind immer aktuell erfasst. Die Plattform erlaubt zudem Funktionen wie Preisanfragen, Angebote und Bestellungen. In Zukunft sollen die Funktionen von «ComNorm» noch einmal erweitert werden. «Momentan läuft ein Projekt, welches zum Ziel hat, Informationen nach der Bestellung auch wieder in die Branchensoftware zurückfliessen zu lassen», sagt Roland Wick, Geschäftsführer der Com Norm GmbH. Bei den Daten soll es sich vor allem um aktuelle Informationen zum Lieferstatus, um Kosten in Zusammenhang mit der Lieferung und um Zahlen für die Nachkalkulation handeln. Anhand eines konkreten Beispiels erklärt Wick, wie das funktionieren könnte: «Nachdem alle Bestellungen eines Auftrags ausgelöst und bestätigt wurden, wird der Produktionsleiter beim Aufstarten seiner Branchensoftware den Lieferstatus für die bestellte Ware direkt angezeigt bekommen. Er kann dann aufgrund der Informationen einen Arbeitsgang oder eine Mon- tage verschieben». Alle Nutzer der Branchensoftware werden sich je nach Bedarf über den Lieferstand aller mit «ComNorm» vorgenommenen Bestellungen informieren können. Rechnungsdaten werden direkt ein- fliessen. Die «ComNorm»-Plattform wird sich wohl durchsetzen, der Nutzen ist für alle Partizipierenden sehr hoch.

Viel Aufwand mit der Datenpflege

Ganz anders sieht die Bestellsituation bei Firmen aus, die «ComNorm» nicht unterstützen: Weil die Branchensoftware nur dann korrekte Ergebnisse anzeigen kann, wenn die Daten laufend gepflegt werden, braucht es entsprechenden Zusatzaufwand. Ohne den automatischen Austausch greift die Software nur auf statische, vorgefasste Stammdaten mit Bestellnummern, Kalkulationsdaten, Formaten und Preisen zurück. In der Praxis haben sich «Business-to-Busi-ness»-Lösungen ausserhalb von «ComNorm» als ungünstig erwiesen. Vom Bestellen nach Tagespreisen ist man weit weg, zudem ändern sich die Sortimente der Lieferanten laufend, was zu Unsicherheiten führt.

Kein Durchgang für CNC-Daten

Einen kleinen Wermutstropfen gibt es aber auch bei der «ComNorm»-Lösung: Nach wie vor bietet das System keinen Austausch von CAD- und CNC-Daten. Aus diesen kann man zusammen mit Materialdaten ein Paket schnüren und bereits im CAD einfügen. Die Branchensoftware kann aus den importierten Zeichnungsdaten Materialinformationen und Maschinensteuerungen extrahieren. Die Materialdaten könnte man mit «ComNorm» zur Bestellung weiter nutzen. Was den Transfer von CAD- und CNC-Daten betrifft, funktioniert der Datenaustausch über «ComNorm» nicht. Wer den verknüpften CAD-ERP-CNC-Weg einschlagen will, muss also entweder die CAD-Daten für jedes Produkt erfassen und sich bereits beim Zeichnen auf ein bestimmtes Produkt und damit auf einen Lieferanten festlegen oder die Zeichnung nach dem Beschaffungsentscheid noch einmal anpassen. Die freie Lieferantenwahl wird dadurch etwas eingeschränkt.

Kontrolle lässt Preise sinken

Obwohl es relativ einfach möglich wäre, Bestellungen aus der Branchensoftware ohne die «ComNorm»-Plattform zu tätigen, macht dies kaum Sinn. Zu gross ist das Risiko, mit veralteten Daten zu arbeiten. So drucken viele Schreiner die Beschlägelisten aus und senden sie per Fax oder als PDF elektronisch an die Lieferanten, um Preise und Verfügbarkeit zu klären. Die Bestellung erfolgt anschliessend ebenfalls über die traditionellen Kanäle. Dieses System erfordert viel Aufwand. Wer Bestätigungen mit Bestellungen vergleicht, hat tiefere Preise und weniger Fehllieferungen.

Maximal 30 kg

Wer eine Beschlägebestellung auslösen will, hat die Qual der Wahl. Nach wie vor gibt es sehr viele Beschlägehändler in ganz unterschiedlicher Grösse und mit sehr variablen Logistiklösungen. Während die Grossen wie Koch, Opo, Geiser, Würth und SFS eine ausgeklügelte Logistik aufgebaut haben und damit schon fast die ganze Schweiz bedienen, vertrauen viele kleinere Händler auf ihre regionale Verankerung und halten den Aufwand für die Logistik tief. Neben dem eher regional genutzten Abholservice vertrauen die Grossen ihre Pakete, Paletten und Sperrgutstücke entweder externen Zustellern an oder haben einen eigenen Frachtdienst mit festen Routen aufgebaut. Je nach gewünschtem Lieferzeitpunkt kommen Paketdienste zum Einsatz oder Transportunternehmen. «Bei Einzelpaketen bietet die Post einen sehr guten Service», sagt Ruedi Länzlinger, Logistikleiter bei der Paul Koch AG. Das Einzelgewicht pro Paket sei aber auf 30 kg beschränkt, was sehr schnell eine Aufteilung auf mehrere Pakete nötig mache. «Das treibt die Versandkosten in die Höhe», sagt Länzlinger.

Länge ohne Grenzen

Ganz anders funktionieren die Transportunternehmen. Sie berechnen ihre Tarife aufgrund des Gesamtgewichts und der Anzahl Abladestellen. Das macht sie für gros-se Lieferungen attraktiv. Zudem sei bei der Post auch die maximale Paketlänge limitiert. Was länger als ein Meter ist, bekommt einen Sperrgutzuschlag, die maximal versendbare Paketlänge beträgt auch als Sperrgut nur 2,50 m. Diese Beschränkungen gibt es bei den Transportunternehmen nicht. In der Regel ist das Versenden von Stangen-ware bis über 6 m möglich. Grosse Beschlägelieferanten organisieren ihre Logistik-unternehmen in vorgegebenen Fuhren an festgelegten Wochentagen oder betreiben eigene Fahrzeuge, für die sie ebenso einen festen Fahrplan organisieren.

Lohnt sich die Selbstabholung?

Einzelne regional tätige Händler unterhalten zudem gut frequentierte Abholzentren. Der Aufwand beim Selbstabholen steht aber in der Regel in keinem Verhältnis zu den eingesparten Portokosten. Selbstabholung macht nur dann Sinn, wenn der Weg sehr kurz ist oder wenn man die Beschläge wirklich schnell braucht. In der Regel profitieren Schreiner ausgiebig von den angebotenen Logistikleistungen. Kein Wunder – sie kosten auch kaum etwas, jedenfalls nicht direkt. So ist es bei allen Lieferanten Usanz, für «normale» Logistikleistungen – das heisst Transport mit dem Camion, komissionsweise verpackt, angeschrieben und in der Sammellieferung – nichts zu verlangen. Wenn überhaupt, setzen die Lieferanten höchstens eine Frankogrenze.

In der Regel sind die Frachtkosten ab einem Rechnungsbetrag von 750 Franken im Preis für die Beschläge inbegriffen. «Diese Usanz basiert auf den Handelsgebräuchen vergangener Zeiten, als die Schreiner noch Lager hatten», sagt Länzlinger. Leider habe sich das mit dem Verschieben des Lagers zum Händler nicht auf die Kostenverteilung ausgewirkt. Selbst die Frankogrenze ist offenbar verhandelbar, auch wenn das auf Lieferantenseite niemand bestätigen will. Das freut zumindest die Schreiner, auch wenn sie sich der komfortablen Situation nicht immer bewusst sind.

Trotz der unbefriedigenden Situation der Händler wird sich an den Handelsgebräuchen kaum etwas ändern, zu gross ist die Konkurrenz. Im Gegenteil: Die Händler unternehmen sehr viel, um ihre Kundschaft bei Stange zu halten, sie bauen deshalb auch den Service immer mehr aus. So hat die Paul Koch AG kürzlich ein neues Hochregallager für Kleinbehälter in Betrieb genommen, das eine noch feinere Logistik-leistung ermöglicht. Jetzt rüstet der Beschlägehändler praktisch jede eintreffende Bestellung sofort und lagert sie im entsprechenden Behälter wieder ein. Der Besteller kann entscheiden, wann und wie die Lieferung erfolgen soll.

Viel in die Logistik investiert

Möchte der Besteller die Lieferung bereits am anderen Tag im Haus haben, wird die Charge bis 17 Uhr verpackt und per Post spediert. Reicht die Lieferung zum üblichen Wochentermin aus, lagert Koch alle Bestellungen erst kurz vor dem Verlad aus und bündelt die verschiedenen Kommis- sionen zur Sammellieferung. Dieses Vorgehen hat Koch gewählt, um bis kurz vor dem Verlad noch Bestellungen erfassen zu können. «Würden wir die ganze Lieferung erst am Schluss rüsten, müssten wir den Bestellschluss sehr viel früher ansetzen», sagt Länz- linger. Auch die anderen grossen Händler arbeiten mit ähnlichen Systemen.

Diese Logistikleistungen werden nur indirekt in die Verkaufspreise eingerechnet. Den kleinen Händlern bleibt dabei nichts anderes übrig, als mit dem Angebot der Grossen nachzuziehen. Mit gutem Service und tiefen Anlagekosten kompensieren sie die Nachteile.

Comnorm

Durchschlagender Erfolg?

«ComNorm» ist eine für Schreiner frei zugängliche Schnittstelle, die verschiedene Kommunikationsstandards zu einem einzigen zusammenführt. Da- mit ist der Datenaustausch der Teilnehmer in beide Richtungen möglich. Kunden navigieren dabei immer direkt mit dem Anbieter. Für Schreiner ist es möglich, direkt aus der eigenen Branchensoftware zu kommunizieren und auf Webshops, Bestellmasken und Stammdaten der Lieferanten zuzugreifen. Die Initianten des Projekts sind im Verband Schweizer Schreiner Software (VSSS) zu suchen. Schreiner können aus acht Anbietern von Branchensoftware auswählen, die «ComNorm» unter- stützen, Bei den angeschlossenen Zu- lieferern sind es 14 Beschlägelieferanten sowie einige Holzwerkstoffhändler. Für Besteller ist die Benutzung der Platt- form kostenlos, «ComNorm» gehört den angeschlossenen Softwareentwicklern. Die Anzahl Schreinereien, die «ComNorm» einsetzen, dürfte zwischen 2500 und 3000 liegen.

www.comnorm.ch

wi

Veröffentlichung: 03. Oktober 2013 / Ausgabe 40/2013

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