Den Traum bauen

Der Katamaran noch in der Werft der Jugendlichen. Bild: PD

Jugendprojekt. Die Mitglieder des gemeinnützigen Vereins Ocean Youth Sailing aus Steckborn TG haben während dreieinhalb Jahren an einem Katamaran gearbeitet. Der junge Schreiner Beni Wieland hat einen grossen Teil zum Innenausbau beigetragen.

13,6 Meter lang, 7 Meter breit und 7,5 Tonnen schwer: Der Hochsee-Katamaran ist ein rechter Brocken. Maximal 14 Passagiere haben Platz. Während dreieinhalb Jahren haben die Mitglieder und Helfer von Ocean Youth Sailing an ihm gebaut. 400 Helfer waren am Werk, aufgewendet wurden über 20 000 Arbeitsstunden. Mitte August wurde das Boot eingewassert.

Beni Wieland hat etliche Stunden am Katamaran gearbeitet. Er gehörte von Beginn weg zum Jugendprojekt des gemeinnützigen Vereins. «Das Ganze war eine Bieridee», erzählt er und lacht. «Mitglieder des Vereins Jugendsegeln Steckborn haben davon geträumt, möglichst vielen Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus allen Bevölkerungsschichten das Hochseesegeln zu ermöglichen.» Dazu sollte das Ausbildungsschiff durch die Jugendlichen selbst gebaut werden. Eines Tages könnte dieses mit jungen Passagieren sogar die Welt umsegeln. «Der Segelsport soll nicht nur für Reiche sein.» Mit dem Projekt hat der Verein zudem den Teamgeist, verantwortungsvolles Handeln und die Eigenständigkeit der Teilnehmer gefördert. Aus dem Traum entstand eine Idee und dann schliesslich Ocean Youth Sailing. Fast der ganze damalige Vorstand der Jungsegler Steckborn habe 2014 den gemeinnützigen Verein gegründet, erzählt Wieland.

Keine übliche Vorgehensweise

Als junger Schreiner war der heute 25-Jährige für den Innenausbau zuständig. «Am Anfang dachte ich, dass wir wie bei einem kleinen Haus vorgehen können», berichtet er. «Doch ich habe schnell gemerkt, dass das nicht funktioniert. Ich musste alles neu durchdenken. Für Türen, Regale oder Kästen habe ich etliche Schablonen gebaut, sie ausprobiert und angepasst», sagt Beni Wieland. «Diese habe ich geleimt und dann verstärkt.» Teilweise sei er sich vorgekommen wie ein Erstlehrjahrstift, weil vieles nicht sofort funktioniert habe. Bei der Küche hatte er Hilfe von einem Küchenbauer.

Gewicht spielte eine grosse Rolle

Da der Katamaran nur rund 40 Zentimeter ins Wasser eintauchen soll, musste das Bauteam aufs Gewicht achten. «Die Trägerplatten bestehen deswegen entweder aus Duflex-Schaum oder stirnseitigem Balsaholz als Kern, der wie ein Sandwich beidseitig mit Glasfasern verstärkt ist», berichtet Wieland. Überall, wo Kabelabdeckungen drauf kamen, habe man zusätzlich Eichenfurnier verwendet. «Dessen längliche Streifen sind ein Designelement, das sich durchs ganze Schiff zieht.» Für die statischen Platten wurden solche mit Balsakern verwendet, da sie technisch-mechanische Eigenschaften haben. Bei den Schubladen und Schränken kam der Schaumkern zum Einsatz, da er extrem leicht ist.

Flüchtlinge ins Projekt integriert

Unterstützt wurde der Thurgauer nicht nur von vielen freiwilligen Helfern. Im Rahmen eines Arbeitsintegrationsprojektes mit der Peregrina Stiftung haben anerkannte Flüchtlinge am Katamaran mitgearbeitet. Denn der Verein suchte nach einer Möglichkeit, dass die Werkstatt auch unter der Woche sinnvoll genutzt wurde. Und die Idee passte zum sozialen Gedanken. «Nach der Lehre habe ich so meinen einjährigen Zivildienst geleistet», sagt Beni Wieland.

Geklappt habe das recht gut, die Flüchtlinge waren handwerklich geschickt. «Klar ging immer mal wieder etwas schief. Doch das machte nichts. Wir haben zum Beispiel gemerkt, dass wir alles ohne Ecken konstruieren müssen. Der Bau war für alle ein Lernprozess.» Die Flüchtlinge hatten Freude an der Arbeit und hatten kräftig mit angepackt. Schön sei, dass einige von ihnen durch den Einsatz Praxis gewinnen konnten und so später ein Praktikum, einen Ausbildungsplatz oder einen Job gefunden hätten, erzählt Wieland.

Mitte August war für die Vereinsmitglieder der grosse Tag: Der Katamaran wurde im thurgauischen Bottighofen am Bodensee vor viel Publikum und Medienvertretern eingewassert. Die Taufe erfolgte kurz danach. In einer internen Abstimmung wurde der Name Vellamo bestimmt. Auf dem See wird das Schiff nun auf Herz und Nieren getestet. Und natürlich sollen Jugendliche und Erwachsene das Segeln lernen und den Hochseeschein erlangen. Über den Winter soll der Katamaran dann nach Basel und von da über den Wasserweg in die Nordsee transportiert werden. «Wir haben auch schon über den Bau eines zweiten Schiffes nachgedacht», erzählt der Steckborner. «Ob es dazu kommt, kann ich noch nicht sagen. Zuerst brauchen sicher alle mal eine Pause.» Der feste Kern des Bauteams bildeten zwischen 30 und 40 Personen. Alle anderen wirkten sporadisch oder temporär mit.

Der Bau am Katamaran war für Beni Wieland ein Gewinn. «Mit der Schreinerlehre hatte ich dafür natürlich die perfekten Voraussetzungen», meint er und grinst. «Ich habe dadurch ein super Grundverständnis fürs Bauen und könnte nun in verschiedensten Bereichen weiterarbeiten. Zum Beispiel im Bootsbau.» Ursprünglich hatte er Zimmermann lernen wollen. Doch die feine und etwas genauere Arbeit des Schreiners gefiel ihm besser. Deswegen hatte er sich dann für diese Ausbildung, die er bei Felix Meier in Steckborn absolvierte, entschieden. «Wir waren nur zu zweit im Betrieb. Das war toll und die Arbeit sehr abwechslungsreich.»

Seit einem Jahr besucht Beni Wieland an der Berner Fachhochschule in Biel den Bachelor-Lehrgang in Holztechnik. Was er danach machen will, kann er noch nicht sagen. «Vielleicht zieht es mich in Richtung Management. Mal schauen. Lernen macht mir Spass.» Dem Holz abschwören will der Schreiner allerdings nicht. «Der Katamaran ist zwar fertig. Doch ich bin weiterhin beim Jugendsegeln in Steckborn aktiv und repariere unter anderem die Boote. Das macht mir Freude.» Zudem hat der Thurgauer ein besonderes Hobby: Er stellt hölzerne Brillen her. «Brauche ich mal eine, sollte es nur ein Exemplar aus Holz sein.»

www.oceanyouthsailing.com

Finanzierung

Es fehlen noch 10 000 Franken

Den Bau des Katamarans hat der Verein Ocean Youth Sailing durch Sponsoren, Spenden und Crowdfunding finanziert. «Für das Material haben wir Firmen angefragt und wurden teilweise erhört», erzählt Beni Wieland. Das Budget beläuft sich auf 385 000 Franken, davon fehlen aktuell noch 10 000 Franken. «Zu Beginn haben wir Familien, Verwandte und Freunde um Spenden gebeten. Vom Startkapital haben wir Pläne gekauft.» Dann sei die Suche harzig verlaufen. Mittels Crowdfunding hätte der Verein nochmals 30 000 Franken zusammen- gebracht. Als man Fortschritte sah, stieg der Glaube der Öffentlichtkeit ans Projekt. So hätten ihnen auch Stiftungen und Sponsoren Geld und Material zukommen lassen. Und die Unteri Müli AG Bottighofen stellte ihnen einen Bauplatz zur Verfügung.

ndo

Veröffentlichung: 03. Oktober 2019 / Ausgabe 40/2019

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