Datenvernetzung in der Schreinerei?

Datenvernetzung.  Die Integration verschiedener Software zu einem durchgehenden Workflow wäre auch in der Schreinerei wünschbar. Die Umsetzung ist aber mit grossen Schwierigkeiten verbunden. Zwei Experten geben Auskunft über Chancen und Risiken.

Schreinerzeitung: Das Thema Vernetzung ist in aller Munde, man redet in allen Branchen von durchgängiger Datenverwaltung. Welche Chancen sehen Sie für den Schreiner?

Eduard Bachmann: Theoretisch könnte man fast jede Software, ganz egal ob CAD, Datenbanken oder Steuerungen miteinander verknüpfen, sie zum Datenaustausch fit machen. Also könnte man vom CAD aus Bearbeitungsprogramme erstellen, die Werkstoffbewirtschaftung ansteuern, die Bearbeitungszeiten kalkulieren und das Ganze sowohl in die Kalkulationsdaten wie auch in die Auftragsabrechnung und die Kennzahlenauswertung integrieren. Es gibt in diese Richtungen unzählige Möglichkeiten. Wünschenswert wäre, wenn dies alles automatisch funktionieren würde. In der Praxis bestehen aber grosse Hindernisse.

Wo liegen die Probleme?

Gerhard Meyer: Die Realität zeigt, dass der Aufbau solcher Systeme mit sehr viel Aufwand verbunden ist. Dies kann zur Einschränkung der Flexibilität führen.

Eduard Bachmann: Die Hersteller der einzelnen Programme sagen auch immer wieder, es sei kein Problem, die Systeme zu vernetzen, in Tat und Wahrheit braucht es sehr viel mehr Engagement als man meint. Die Gretchenfrage stellt sich bereits bei der Konzeption der Planung, etwa wo man den Datenfluss startet. Fange ich mit der Auftragsbearbeitung im CAD oder erst im ERP an? Exportiere ich die Daten vom ERP zum CAD oder umgekehrt? Diese Fragen sind zentral und werden meist durch die Betriebsorganisation bestimmt. Es gibt Unternehmen, die Daten nicht zweimal erfassen möchten, andere sind gar nicht in der Lage, bereits am Anfang technisch korrekte Daten zu erfassen, etwa wenn der Verkauf gar nicht über den notwendigen technischen Hintergrund verfügt.

Wie muss man beginnen, wenn man ein Vernetzungsprojekt starten will?

Gerhard Meyer: Man muss einfach zuerst die Frage beantworten, wo welche Daten wichtig sind. Die Betriebe sind ganz unterschiedlich organisiert und haben darum ganz individuelle Bedürfnisse. Es gibt zum Beispiel Industriebetriebe, die volle Durchgängigkeit verlangen, wo also alles über ein ERP-System läuft. Vom ersten Kundenkontakt bis zur Abrechnung des Auftrages ist alles miteinander verbunden, findet ein Datenaustausch statt. Dann gibt es Betriebe, die nur CAD und Produktion miteinander verbinden und das ERP quasi nur nebenbei zur Projektverwaltung nutzen.

Eduard Bachmann: Eine andere Variante kann sein, die Daten erst in das ERP zu übernehmen, wenn alles fixiert ist, also alle Materialien definiert sind und die Bearbeitungsprogramme stehen.

Warum nutzt man denn die Daten nicht über die ganze Auftragsbearbeitung?

Eduard Bachmann: Die Schwierigkeiten fangen schon ganz am Anfang an. Wenn man zum Beispiel im ERP ein Volumen – vielleicht ein Brett – definiert, kann das eine Schrankseite, eine Tür oder auch ein Tischblatt sein. Entsprechend muss man sehr früh dem Teil Regeln beibringen, ihm sagen was es sein soll, wie es aussehen und was es beinhalten soll. Diese Regeln aufzubauen und auch die Eigenschaften zuzuweisen ist mit viel Aufwand verbunden, Aufwand, den man sich in der Offertphase vielleicht noch sparen will. Oder man erfasst nur die wichtigsten Eigenschaften.

Gerhard Meyer: Dabei wäre die vollständi- ge Erfassung von Anfang an sehr wichtig und auch der richtige Weg zur Durchgängigkeit. Es gibt nichts Schlimmeres als Daten von ungenügender Qualität, weil daraus oft grosse Nachfolgeprobleme entstehen.

Wie müsste der Weg eines Auftrages in der Schreinerei genau aussehen?

Eduard Bachmann: Zuerst werden die Kundendaten erfasst, dann die eigentliche Konstruktion mit Materialdefinitionen und Bearbeitungsdaten, anschliessend die Herstellung und zum Schluss die Nachkalkulation und Abrechnung.

Gerhard Meyer: Man kann daraus natürlich auch nur einzelne Bausteine vernetzen, zum Beispiel ERP und CAD. Daraus lassen sich relativ einfache Konfiguratoren erstellen, zum Beispiel um Schränke herzustellen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse aber weiter zu verwenden, ist schon bedeutend komplizierter. Man kann also ohne Weiteres Volumen im CAD definieren, ihnen Eigenschaften zuweisen, Beschläge einbetten inklusive Makros mit Bearbeitungsdaten und daraus auch kalkulatorische Daten gewinnen.

Wo liegen die Grenzen solcher Systeme?

Gerhard Meyer: Die grosse Frage ist immer die gleiche: Was mache ich, wenn es deutlich komplizierter wird und die Stückzahlen sehr gering sind? Im normalen Tagesgeschäft mit lauter Einzelstücken ist der Aufwand in Bezug zum Nutzen einfach enorm. Ein Problem liegt zum Beispiel bei der sauberen Datenpflege. Jeder Beschlag muss mit dem korrekten Preis, den aktuellen Bearbeitungsdaten, mit dem richtigen Zeitfaktor für die Kalkulation und die Auslastungsplanung und vielem mehr erfasst sein und die Daten müssen laufend aktualisiert sein. Eine Veränderung wirkt sich von der Kalkulation bis zur Kapazitätsplanung aus. Das ist sehr komplex und mit viel Aufwand verbunden. Es ist zudem sehr schwierig, überhaupt noch den Überblick zu den Abhängigkeiten zu behalten. Wechselt man einen Eckbeschlag, weil der andere einen Rappen günstiger ist, zieht dies wie eine Welle enorm viele Veränderungen durch alle vernetzten Bereiche nach sich. Ob man die Auswirkungen im Griff hat und ob sich dann das Wechseln des Eckverbinders wirklich lohnt, muss jeder Betreiber selber entscheiden. Gänzlich vernetzte Systeme findet man darum hauptsächlich dort, wo es sehr viele gleiche Produkte oder Komponenten braucht, etwa bei der Produktion von Badmöbeln, Schränken oder Küchen.

Eduard Bachmann: Aber auch in diesen Bereichen lohnt sich das Ganze nur, wenn das Sortiment sehr straff gehalten wird und grosse Sortimentsdisziplin herrscht. Sonst ufert der Aufwand sehr schnell aus. Diese Unternehmen betreiben sehr viel Aufwand, um die Daten zu pflegen. Man darf das nicht unterschätzen.

Wie kann man denn da noch den Überblick behalten?

Eduard Bachmann: Das ist sehr schwierig. Man muss zum Beispiel auch die ganze Update-Situation im Griff haben. Vernetze ich ein CAD von Anbieter A mit einem ERP von Anbieter B, das ganze mit einer Auslastungsplanung von Anbieter X und ich update eines dieser Systeme, blockiert dieses unter Umständen das ganze System. Bis nachher wieder alles nach Wunsch läuft, braucht es viel Aufwand.

Was macht denn für Schreiner überhaupt Sinn? Lohnt sich der Aufbau solcher Systeme überhaupt?

Gerhard Meyer: Das kann sich durchaus lohnen, man muss sich aber vorher im Klaren sein, was man wie vernetzen will und welchen Nutzen man generieren will. Dazu muss man aber seinen Betrieb wirklich gut kennen und entsprechend Auskunft geben können.

Eduard Bachmann: Trotzdem ist es aber sehr schwierig abzuschätzen, wie hoch der Aufwand zum Programmieren der Schnittstellen in der Ausführung sein wird. Auch die Kosten des Unterhalts zu beziffern ist nicht einfach und hängt vom Grad der Durchgängigkeit ab. Und für Schreiner ist es extrem diffizil, den Aufwand und das Risiko selber abzuschätzen. In jedem Fall sollte man aber zuerst seinen Betrieb auf Schwachstellen abklopfen und den Hebel dort ansetzen, wo mit wenig Aufwand viel möglich ist. Eine Restenverwaltung vollständig in die Produktionsplanung einzubetten, lohnt sich meistens nicht, denn die Rohstoffpreise sind tief.

Gerhard Meyer: Trotzdem kann zum Beispiel die Vernetzung von CAD und ERP Sinn machen. Aber man muss sich einfach im Klaren sein, wie hoch der Aufwand zur Einführung und zum Unterhalt ist. Da lohnt sich in jedem Fall die Beschränkung auf überschaubare Systeme, die sich auch kontrollieren lassen. Der Aufwand steigt mit der Komplexität exponenziell.

Was könnte man aus Sicht der Anbieter verbessern?

Eduard Bachmann: Bereits seit 20 Jahren wird in der Branche diskutiert, dass unbedingt einheitliche Schnittstellen, Datenprotokolle und Parameterbeschreibungen definiert und entwickelt werden sollten. Leider hat man das bis heute nicht geschafft. Man sollte dies unbedingt angehen. Solche Entwicklungsprojekte würden allenfalls auch durch öffentliche Förderstellen unterstützt.

Gerhard Meyer: Ja, es gibt sehr viele Bausteine, die sich heute zusammenführen liessen. Aber jemand zu finden, der das auch wirklich kann, ist schwierig. Man muss aber unbedingt wissen, was man erreichen will und was man bereit ist zu investieren, bevor man ein Projekt startet.

Personen

Eduard Bachmann

Der Holzingenieur ist seit 2009 an der Berner Fachhochschule in Biel als Leiter der Forschungseinheit Produktion und Logistik sowie als Dozent für Automation und Robotik tätig.

www.ahb.bfh.ch

Personen

Gerhard Meyer

Der Schreinermeister und Didaktiker unterrichtet an der Berner Fachhochschule in Biel. Seine Fachgebiete sind CAD, PPS und Avor.

www.ahb.bfh.ch

wi

Veröffentlichung: 13. September 2012 / Ausgabe 37/2012

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