Das will niemand mithören


Ohne Akustiksegel an der Decke würde man wohl jedes Stöhnen des Nachbarn mitbe-kommen. Deckensegel dürfen aber nicht höher als 3 m hängen, um zu funktionieren. Bild: Röösli
Ohne Akustiksegel an der Decke würde man wohl jedes Stöhnen des Nachbarn mitbe-kommen. Deckensegel dürfen aber nicht höher als 3 m hängen, um zu funktionieren. Bild: Röösli
Werkstoffe. Die Raumakustik wird nach wie vor stiefmütterlich behandelt. Viele Räume sind schlecht ausgerüstet und hinterlassen ein unangenehmes Hörgefühl. Decken- und Wandsegel aus akustisch wirksamen Materialien können die Raumakustik entscheidend verbessern.
Menschen reagieren sehr empfindlich in Bezug auf die Akustik. Wer einen Raum betritt, spürt sofort, ob der Mix aus Absorb- tion, Nachhallzeit und Lautstärke des Schalls sehr gut, akzeptabel, schlecht oder störend wirkt. Passen die Faktoren nicht zusammen, fühlt man sich einfach nicht ganz wohl im Raum, auch wenn die Abweichungen noch so klein sind. Dann gilt es, mittels geeigneter Oberflächen das Volumen möglichst optimal zu gestalten, um dem guten Gefühl näherzukommen. Aus diesem Grund sollte man jeden Raum bereits in der Planungsphase auf die zu erwartenden Schallverhältnisse abklären. Die akustischen Eigenschaften gilt es aber auch mit der Funktion des Raumes in Einklang zu bringen. Im Restaurant möchten die Gäste möglichst wenig vom Tischnachbarn hören, sie sollten das Gefühl haben, alleine inmitten der anderen Gäste zu sein. Im Schulzimmer jedoch muss der Lehrer auch in der letzten Bankreihe noch gut zu verstehen sein. Entsprechend muss man absorbierende und reflektierende Materialien am richtigen Ort einsetzen.
Der Trend der letzten Jahre zu glatten, kom-pakten Flächen verschärft die Problematik um die Akustik enorm. Decken aus Glattstrichgips etwa sind fast perfekte Spiegel, welche die Schallwellen ohne Verlust reflektieren und unangenehme Hörerlebnisse bieten. Solche Flächen im Wohnzimmer haben zur Folge, dass sie die Akustik einer leeren Turnhalle aufweisen. Ab einer Nachhallzeit von etwa zwei Sekunden fühlt man sich in einem Raum nicht mehr wohl. Angenehm ist es erst bei einer Nachhallzeit von unter einer Sekunde. Ist der Bau fertig, die Wohnung bezogen, dann ist es meist zu spät, um Korrekturen anzubringen, ausser, man greift punktuell auf Decken- oder Wandsegel aus akustisch wirksamen Werkstoffen zurück. «Die Akustik wird oft unterschätzt. Man denkt, Teppich, Möbel und Kleider der Benutzer würden den Schall schon schlucken», sagt Thomas Röösli, Co-Geschäftsführer der gleichnamigen Decken-montagefirma in Rothenburg.
Ein Teppich schluckt aber erst Schall, wenn er einen sehr dichten, hohen Flor aufweist. Auch Möbel und Textilien wie etwa Vorhänge absorbieren kaum Schall. Letztere weisen erst dann ein akustisches Potenzial auf, wenn sie schwer und vor allem geschlossen sind. Aber auch so ist deren Leistung immer noch sehr gering. Vielen Werkstoffen wird eine akustische Wirkung zugeschrieben, die kaum oder nur sehr beschränkt messbar ist. Der aktuelle Bautrend mit raum- hohen Fenstern und viel Sichtbeton lässt sowieso kaum Installationen mit schallabsorbierenden Werkstoffen zu. Sehr trendig etwa sei die Montage von magnesit- oder zementgebundenen Holzwolleplatten an die Decken. Doch einfach ohne Abstand unter die Decke geschraubt oder beim Betonieren in die Schalung gelegt, nützen auch diese herzlich wenig.
Um Akustik zu verstehen, muss man wissen, dass Schall aus Wellen besteht, die mit zunehmender Lautstärke energieintensiver sind. Um sie zu dämpfen, muss man ihnen die Energie entziehen. Das passiert sehr effizient, wenn die Schallwellen in Werkstoffen mit viel Hohlräumen hin und her geschickt werden und so mit der Reibung an den Wänden der Hohlräume ihre Energie los werden. Im Gegensatz dazu werden die Schallwellen an harten Werkstoffen praktisch verlustfrei reflektiert und an die nächste Fläche oder an einen Empfänger zurückgeschickt. Lässt die Form des Raumes mehrfache Umlenkung zu, kommt es so zum Nachhallen.
Um eine akustische Wirkung zu erzielen, braucht es einen Absorberraum von ausreichender Dimension. Bei gelochten Elementen entfaltet sich die Wirkung nicht am Loch selber, sondern im Absorber dahinter. Das Gleiche gilt natürlich ebenso bei geschlitzten oder ähnlich perforierten Werkstoffen. In Plattenmaterialien wie mineralischen Dämmplatten, geschäumten Platten und Weichfaserplatten erfolgt die Ab- sorbtion im Werkstoff selber. Damit diese aber ohne separaten Absorbtionsraum funk- tionieren, müssen sie offenporig und in der Regel 4 bis 5 cm dick sein. Unter dieser Stärke lassen die vorhandenen Hohlräume kaum befriedigende Resultate zu. Zudem spielt die Statik eine Rolle. «Es ist wichtig, möglichst wenig verstärkende Elemente in die Segel einzubauen», sagt Röösli. Diese unwirksamen Flächen würden die akustische Leistung schmälern. Je mehr solche Störzonen vorhanden sind, desto weiter ist man vom Idealwert eins entfernt.
Das Lesen von akustischen Nachweisen ist für viele Anwender ein Buch mit sieben Siegeln. Der Leistungsnachweis erfolgt über ein Kurvendiagramm. Auf der horizontalen Achse wird der gemessene Frequenzbereich angezeigt, die senkrechte Achse gibt den Grad der Absorbtion wieder. Dabei bedeutet die Zahl eins 100% Absorbtion. Liegt die Kurve bei 1000 Hz im Bereich der eins, kann man von einem Wirkungsgrad von 100% ausgehen. Dieses Resultat gilt aber nur für die Fläche des Segels und lässt sich nicht direkt auf den Raum übertragen. Ist ein Raum nur zu 30% mit einem 100-%-Absorber bedeckt, sinkt der Gesamtwert drastisch.
Im Gegensatz zu Wand- und Deckenverkleidungen kann ein Akustiksegel auch eine Absorbtion von über 100% aufweisen, weil die Stirnseiten und die Rückseite ebenfalls einen Teil der Schallwellen absorbieren können. Die Absorbtionsleistung wird auf die einfache Segelfläche bezogen und kann damit bei über 100% sein. Man erreicht also unter Umständen mit einem regelmässig unterbrochenen Segel höhere Absorbtionswerte als mit einer geschlossenen Akustikdecke. Die akustische Berechnung eines Raumes ist aber sehr komplex und Spezialisten vorbehalten. Man kann aber mit der Sabinischen Formel eine Annäherungsrech-nung machen. Damit lässt sich aus dem Raumvolumen und der Absorbtionsfläche die Nachhallzeit einigermassen abschätzen. Wer es genau wissen will, kommt aber nicht um die Berechnung durch einen Fachmann herum.
Neben der akustischen Leistung spielt die Platzierung der Segel eine grosse Rolle. «An der Deckenmitte platzierte Elemente sind nicht dort, wo man sie brauchen würde», sagt Röösli. Viel besser wäre es, die Absorbtionsflächen an den Raumecken zu platzieren. Dort ist die Reflexion am grössten, dort werden die Schallwellen bevorzugt und sehr schnell zurückgeworfen. Besonders effektiv wirkt die Platzierung an Decken, die an Fenster anschliessen. Die glatten und harten Gläser werfen bereits viel direkten Schall zurück, da braucht es den indirekten von der Decke nicht auch noch. Verwendet man Deckensegel, sollte man im Bereich des Übergangs von der Wand zur Decke einen Grundabsorber montieren. Die abgehängten Segel eliminieren dann die Schallwellen in der Raummitte. Zu beachten ist zudem die Raumhöhe. «Akustikelemente, seien es fest montierte Flächen oder Segel, bringen nur etwas, wenn sie nicht höher als 3 m über Boden montiert sind», sagt Röösli. Segel muss man also entsprechend tief abhängen. Die Befestigung sollte immer über Schwerlastdübel erfolgen. «Gut bewährt haben sich Spreizdübel mit Innengewinde», erklärt der Fachmann. Für Überkopfmontagen niemals verwenden dürfe man Kunststoffdübel. Die seien nicht mehr für die Deckenmontage zugelassen.
In Bauten ist heute die Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema. Die Stossrichtung ist klar: Möglichst alle Baustoffe immer wieder verwenden, möglichst alles wie- der rezyklieren, die Baustoffe weder deponieren noch thermisch verwerten. Noch funktioniert das vollständige Recycling nur in Ansätzen, etwa bei Glas. Es gibt aber Lösungen, die diesem Ziel etwas näherkommen. So zum Bei- spiel die «SilentPet»-Akustikelemente der Amina Products GmbH aus dem aargauischen Muri. Die Elemente be- stehen vollständig aus rezykliertem PET und je nach Ausführung auch noch aus wiederverwerteten Textilien.
Im Produktionsprozess werden die Wertstoffe – vorwiegend Getränkeflaschen – zuerst geschreddert, gemahlen und zu Fasern verarbeitet. Aus diesen Fasern entstehen dann Platten mit un- terschiedlichen Materialanteilen.
«RECwhite» besteht aus 60% Recycling-PET und 40% Klebefasern, «Tex» besteht aus 40% Recycling-Textilfasern, 20% Recycling-PET und 40% Klebefasern. Das Resultat sind hoch absorbierende Dämmplatten mit grosser Oberfläche. Aus diesen Platten fertigt Amina dann Deckensegel, Wandpaneele, Trennwän-de, Baffeln, Bilder oder 3-D-Elemente. Je nach gewünschter Oberfläche und Konfektionsart sind die Akustikplatten mit Geweben überzogen, die man roh belassen kann, aber auch bedrucken, bemalen oder spritzen kann. Decken-segel bietet Amina in den Standard-massen 120 × 120 und 120 × 240 cm an. Die Stärke beträgt 50 mm. Aufgrund des sehr widerstandsfähigen, robusten Werkstoffes eignen sich Akustikelemente aus «SilentPet» auch in feuchten Räumen und in Industriegebäuden.
Die Ausführung «Industry» wird ohne Kaschierung geliefert und präsentiert sich weiss oder leicht meliert.
www.amina.chMit der Marke «ArtAcoustic» hat die Röösli AG in Rothenburg eine Produktlinie entwickelt, die sich gezielt als Raumdekoration einsetzen lässt. Das Produkt basiert auf einer vlieskaschierten Mineralwolle-Dämmplatte und dekorativen Stoffen. Die Festigkeit der Mineralwolleplatte wurde so gewählt, dass ein Paneel mit Normalformat keine Verstärkung benötigt. Eingefasst sind die Dämmplatten in Aluminiumprofilen, die in Weiss oder Silber zu haben sind. An der Oberfläche setzt das Un- ternehmen ein Spezialtextil ein, das sich einfärben, beschichten oder be- drucken lässt.
Den Druck lässt Röösli von einer grafischen Firma auf den noch ungespannten Stoff erstellen. Die Bildauswahl umfasst einige Tausend Sujets, Kunden können aber auch ihre eigenen Bilddaten mitbringen und aufdrucken lassen. Nur wenn die Bildqualität gut ist, ge- fällt am Schluss das Resultat. Bildvor-lagen sollten dabei mindestens eine Auflösung von 300 dpi aufweisen. Ansonsten kann man die fertigen Elemente als Segel (Acoustic Panel)aufhängen, als Bild (Acoustic Screen) an die Wand hängen, als Raumtrenner (Acoustic Wall) freistehend einsetzen oder als Baffel (Acoustic Baffel) von der Decke hängen lassen. Die Formate sind frei wählbar, es stehen aber auch Standardmasse zur Verfügung.
Die Absorbtionswerte bewegen sich im wichtigen Frequenzbereich zwischen 500 und 4000 Hz um die Zahl eins oder sogar leicht darüber. «ArtAcoustic» ent- spricht Brandklasse B1, schwer entflammbar.
www.artacoustic.chVeröffentlichung: 19. September 2013 / Ausgabe 38/2013
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