Das neue Selbstbild

Mit der Zunge berühren, so wirbt «SlowWood» für den Einsatz der verschiedensten (massiven)Hölzer, um das ökologische Material den Konsumenten näherzubringen. Bild: Irene Tietgen

ökologische Materialien.  Was ein ökologischer Holzwerkstoff ist und was nicht, liegt auch an der Sichtweise des Akteurs, denn solche Platten sind so manchem auch ein Dorn im Auge. Lösungen für alternative Bindemittel gibt es, doch diese Produkte sind meist wieder vom Markt verschwunden.

Die gute Nachricht zuerst: «Das Bauen mit Holz- und Holzwerkstoffen weist gute Ökobilanzergebnisse im Vergleich zu alternativen Konstruktionen auf», fasst Hildegund Mötzl vom Österreichischen Institut für Baubiologie und -ökologie (IBO) die Forschungsergebnisse aus verschiedenen Studien zusammen. Dass nachhaltig erzeugtes Holz ein ökologischer Werkstoff ist, das ist weitläufig bekannt. Was den strahlend blauen Himmel etwas trübt, das sind Hölzer und Produkte daraus, bei denen Zweifel über ihre nachhaltige Entstehung bestehen. Dass aber auch herkömmliche Holzwerkstoffe im Verhältnis zu Alternativen bei einem Öko-Check so gut abschneiden, ist wahrscheinlich vielen gar nicht bewusst.

Verwirrende Diskussionen

Was gut ist, kann aber auch noch besser werden. Immer wieder gibt es Forschungsprojekte und auch Produkte am Markt, welche die teils berechtigte Kritik der ökologischen Schwachstellen von Holzwerkstoffen zu beseitigen versuchen. Viele Diskussionen schaffen aber oft ein Durcheinander. Denn «Öko» ist nicht unbedingt «Bio» oder automatisch «wohngesund».

Grundlage für die ökologische Bewertung sind im Allgemeinen umfängliche Öko-Bilanzen, die aber kaum einer im Detail versteht und die wohl ziemlich selten gelesen werden. Deswegen bleibt die Eingruppierung über Tauglichkeit nach persönlicher Skala auch immer eine Gefühls- oder Überzeugungssache.

Nach teils hitzigen Debatten in der Branche zu Themen wie Innenraumbelastungen durch Formaldehyd-Emissionen, Zertifizierungssysteme und illegal geschlagenem Holz scheint nun ein neues Selbstverständnis eingekehrt zu sein. Die einschlägigen Hersteller von Holzwerkstoffen köcheln das Thema «Öko» offensichtlich inzwischen auf kleinerer Flamme. Wer auf deren Internetseiten nach «Öko-Platten» oder «Öko-Werkstoffen» sucht, bekommt nicht selten den Hinweis «Leider keine Treffer gefunden». Trotzdem sind an gleicher Stelle Plattenwerkstoffe zu finden, die etwa frei von Formaldehyd, nach den strengen Kritierien der einschlägigen Öko-Labels zertifiziert sind und deren Rohstoffe aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammen.

Meist wird die Öko-Diskussion darüber geführt, ob und wenn ja, wie viel Bindemittel in einem Produkt vorhanden sein darf. Deshalb ist massives Holz über jeden Zweifel erhaben, genauso wie bindemittelfreie Holzwerkstoffe wie etwa im Nassverfahren produzierte Faserplatten zur Wärmedämmung. Lagenhölzer weisen einen relativ geringen Anteil an Klebstoffen auf. Spannend wird es dann immer beim wichtigsten Produkt der Branche: der Spanplatte. Gewissermassen im Meinungswindschatten fallen die Produkte MDF- und OSB-Platten (seltsamerweise) deutlich weniger auf.

Widersprüchliches am laufenden Meter

Wie schwer das Thema im Detail zu fassen ist, zeigt schon der Blick auf nur einen einzigen Parameter im ganzen Komplex: den Recycling-Anteil von Holz in einer Spanplatte. Wiederverwertung im Sinne einer möglichst ausgedehnten Kaskadennutzung von Holz wird allgemein angestrebt. So wirbt der österreichische Holzwerkstoffproduzent Egger mit einem Recycling-Anteil in der Standardspanplatte «Eurospan» von bis zu 30 %. Dabei tut das Unternehmen gut daran, darauf zu achten, dass das Recycling-Material nur von qualifizierten Entsorgungsfachbetrieben eingekauft wird. In mehreren Ländern betreibt der Hersteller deshalb auch eigene Unternehmen zur Wiederverwertung, um über jeden Zweifel erhaben zu sein.

Gleichzeitig sorgt der Anteil von eben teils auch belastetem Recycling-Holz immer wieder für Schlagzeilen. Genau entgegengesetzt argumentiert deshalb der kleinere deutsche Hersteller Elka: «Unsere Platten sind altholzfrei und aufgrund dessen auch entsprechend ihrer Unbedenklichkeit zertifiziert», erklärt Dagmar E. Hilden-Kuntz, zuständig für Marketing und Vertrieb.

Mit natürlichem Bindemittel

Elka hatte vor gut zehn Jahren die «Natura»-Platte im Programm. Bei dieser kam anstelle von Harnstoff-Harzen das natürliche Bindemittel Tannin zum Einsatz. Die Platte ist längst vom Markt verschwunden, genauso wie andere Ansätze und Produkte aus früherer Zeit (bei denen ebenfalls Tannine eingesetzt wurden), und so das durchaus kritikwürdige Standardbindemittel Harnstoff-Harz durch unbedenklichere Stoffe ersetzt wurde. «Wir haben die Produktion der Platte eingestellt, weil der Handel das Produkt nicht honorierte», erklärt Karl-Robert Kuntz, Geschäftsleiter der Elka-Holzwerke, diesen Umstand. Die Älteren in der Branche mögen sich noch an die Firma Schlingmann erinnern, die bereits vor fast zwanzig Jahren eine mit Tannin-Harzen gebundene Spanplatte auf den Markt gebracht hatte, voll darauf setzte und dann vom Markt verschwand. Es verwundert deshalb nicht, dass die Liste der Plattenwerkstoffe, die den strengen Anforderungen der europäischen Vereinigung «Natureplus» entsprechen, recht übersichtlich ist – vor allem bei Plattenwerkstoffen, die auch im Möbelbau einsetzbar sind. Denn es geht natürlich auch um den Preis von ökologisch günstigeren Alternativen. Immer wieder erlebt die Branche Preiskämpfe, weil einzelne grössere Akteure sich potent genug fühlen, über eine Verdrängungsstrategie mehr Marktmacht zu erlangen. Die Folge: Nischenprodukte wie ökologische Platten geraten ins Hintertreffen, was bislang immer deren Verschwinden mit einschloss. Die Händler und Verarbeiter tragen ihren Anteil mit daran. Sie müssen ihren Kunden jeweils den Mehrpreis für die unbedenklichen, ökologischen Platten erklären, und dann zeigt sich die wahre Konkurrenz: der Preis.

Leicht ist nicht automatisch öko

Viel wurde versucht, mit Fasern und Spänen pflanzlicher Natur die hölzigen Vertreter zu ersetzen. Warum? Wegen des Gewichts. Andere Vorteile gibt es kaum, schliesslich ist der Maisanbau nicht gerade ökologisch vorteilhaft gegenüber der Waldwirtschaft, und die Platte aus Hanffasern ist gegenüber dem massiven Holzspan technologisch auch nicht gerade im Vorteil. Gleichwohl ist das Transportgewicht ein wichtiges Anliegen. Zwar nicht unbedingt für den Schreiner, aber für die Branche insgesamt. Der Nachteil bei technologisch ähnlichen, leichteren Spanplatten mit einer Mittellage aus krautigen Pflanzen: Es braucht mehr Bindemittel. Denn das Wesen der krautigen Pflanzen gegenüber den verholzenden Exemplaren ist das Fehlen des Lignins, das als natürliches Bindemittel im Werkstoff dient. Nachdem man erkannt hatte, dass die Wabenkonstruktionen trotz der umfänglich praktizierten Vorteilspolitik (oder auch Verdrängungsstrategie) nicht im Handwerk landen können, war die Vollplatte aus leichteren Materialien auf einmal hoch im Kurs. Das schliesst auch die Verbundmaterialien mit ein, etwa mit leichtem Kern und fester Deckschicht. Einen belastbaren Nachweis ihrer tatsächlichen, ökologisch besseren Eigenschaften sind die Erfinder der Platten aber meist schuldig geblieben.

Was Bestand hat

Holz ist ein Material mit konkurrenzlos guten Eigenschaften, sofern es nachhaltig erzeugt wird. Je mehr «Fremdstoffe» zum Holz dazukommen, desto schwieriger wird die Beweisführung, dass es sich dabei um einen ökologischen Werkstoff handelt. Damit besteht gerade bei Verbundmaterialien, bei denen Holz mit ganz anderen Stoffen kombiniert, sprich verklebt wird, eine gewisse Bringschuld seitens der Erzeuger. Denn was einmal miteinander verklebt ist, lässt sich später nur schwer trennen. Sind Wabenplatten mit einem Kern auf Zellulosebasis noch recht einfach zu handhaben, wird das Ganze bei geschäumten Mittellagen schnell kritisch.

Der «Beobachter-Ratgeber» sortiert die ökologische Tauglichkeit von Plattenmaterialien so auch vor allem nach ihrem Klebstoffanteil. Die Konsumenten wissen also: Je mehr Klebstoff, desto schlechter fällt die ökologische Bewertung aus. Dabei wird allerdings nicht unterschieden, welches Bindemittel zum Einsatz kommt. Formaldehydfrei gebundene Spanplatten sind verbaut wohngesundheitlich vorteilhaft, aber deshalb nicht automatisch ökologisch. Wegen der enthaltenen Isocyanate sind diese im Gegenteil vor allem für den Verarbeiter äusserst bedenklich.

Ein Kniefall vor dem Preis

Die ökologische Holzwerkstoffplatte für den Möbelbau scheint auch weiterhin nicht in Sicht, es sei denn, man verwendet schlicht massives Holz. Denn die Spanplatte ist nicht zuletzt deshalb so erfolgreich, weil sie kostengünstig ist. Eine Lösung für ein Mehr an Ökologie bei der Spanplatte verteuert diese. Deshalb bleibt im Grossen und Ganzen wohl weiterhin alles so, wie es immer war. Holz ist ein ökologischer Werkstoff – mit mehr fremden Stoffen etwas weniger, aber immer noch gut.

www.pfleiderer.comwww.fundermax.chwww.elka-holzwerke.euwww.natureplus.org

ch

Veröffentlichung: 12. Mai 2016 / Ausgabe 19/2016

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