Das Handwerk spielt hier die Hauptrolle


Florian Leutwiler hat als IPA einen Handkarren hergestellt. Bilder: PD
Florian Leutwiler hat als IPA einen Handkarren hergestellt. Bilder: PD
Wagner gibt es in der Schweiz nur wenige. Umso wichtiger für die Berufssparte, dass diesen Sommer gleich vier Lernende ihre Ausbildung abgeschlossen haben. Die vier Männer blicken auf die Lehre zurück.
CNC-Bearbeitungszentren faszinieren Florian Leutwiler nicht besonders. Auch andere Maschinen gehören nicht zu seinen beruflichen Hauptinteressen. «Das traditionelle Handwerk steht bei mir an erster Stelle», sagt der 19-Jährige aus Schaffhausen. «Deswegen habe ich mich für eine Ausbildung als Schreiner Fachrichtung Wagner und nicht als normaler Schreiner entschieden.» Gerade hat er seine Ausbildung abgeschlossen. Absolviert hat er diese bei der Koch Wagnerei-Antikschreinerei in Glattfelden ZH. Durch ein Inserat ist er auf den Betrieb aufmerksam geworden. Nach dem Schnuppern war für ihn klar: «Ich will Wagner lernen.»
Dafür hat er auch einen längeren Arbeitsweg von rund einer Stunde pro Strecke auf sich genommen. Zur Schule ging er nach Winterthur ZH in eine normale Schreinerklasse. «Wir Wagner haben während der Ausbildung rund 40 Lektionen speziellen Wagner-Unterricht und zwei separate ÜKs. Sonst absolvieren wir mit den Schreinern alle Schullektionen sowie Bank- und Maschinenkurse.»
Als individuelle praktische Arbeit, die IPA, hat Florian Leutwiler einen Handkarren hergestellt. «Weil er zwei Räder hat, ist es kein Leiterwagen», erklärt er. In einem ÜK hatte er bereits ein Rad gefertigt. So hatte er die Idee, es mit einem zweiten und dem Karren im Rahmen der IPA zu ergänzen. «Das war traditionelle Handarbeit, die ich toll finde.» Das Planen des Objektes sei anspruchsvoll gewesen, um die Konstruktion und speziell die Holzverbindungen von Beginn weg richtig einzukalkulieren. «So einen Karren habe ich ja auch zum ersten Mal komplett neu gemacht.» Für die Räder und die Wagenbrücke hat er Eschenholz verwendet, der Brückenboden besteht aus Weisstanne. Bei der Herstellung hatte der Schaffhauser keine Probleme und ist mit dem Endprodukt sehr zufrieden. «Der Karren verschönert nun den Garten meiner Eltern.»
Bis zur Rekrutenschule, in die er im kommenden Januar einrücken muss, arbeitet Florian Leutwiler weiter in seinem Lehrbetrieb. «Was danach kommt, ist noch völlig offen» sagt er. «Ich will weiterhin handwerklich tätig sein. Ich könnte mir allerdings vorstellen, es auch als Bootsbauer oder Drechsler zu versuchen.»
Leutwiler ist einer von vier Wagner-Lernenden, die in diesem Sommer ihre Ausbildung abgeschlossen haben. So viele wie schon lange nicht mehr. Auch Norbert Karrer aus Beckenried NW gehört dazu. Er hat bei der Ambauen Treppen AG in Beckenried eine verkürzte, dreijährige Ausbildung absolviert. Und das mit über 50 Jahren. «Ich war Flugzeugelektriker bei Pilatus. Doch Holz hat mich schon immer interessiert», erzählt der 59-Jährige. Er absolvierte als Plausch einen Kurs bei einem Schreiner im Schwarzwald. Dann keimte bei ihm der Gedanke, nochmals eine Lehre zu machen. 2018 hatte er geschnuppert und den Entschluss gefasst, den Schritt zu wagen. «Das war eine gute Entscheidung. Es waren drei sehr lehrreiche Jahre, und ich war Teil einer tollen Klasse.»
Norbert Karrer hat sich wegen der Arbeit mit Massivholz und wegen des Schlittenbaus für die Wagnerlehre entschieden. «Ich wollte gerne Schlitten bauen, was ich nun auch getan habe. Zwischen 50 und 100 Stück.» Als IPA hat er einen Relax-Sessel gebaut. «Bei diesem sind viele Elemente ähnlich wie bei einem Schlitten», beschreibt er. Das Holz für die Kufen kann im Dampf gebogen werden. Aber beim «Beggrieder» Schlitten werden die Kufen aus vielen dünnen Latten schichtverleimt und in einer Form gepresst. «Das habe ich auch beim Sessel so gemacht.» Um die richtige Liegeform zu finden, hatte er sich im Winter in den Schnee gelegt und davon Abdrücke gemacht. Mithilfe des CAD hatte er die Form für die Lättli gezeichnet und dann auf der CNC die Pressform gefräst. «Der Sessel ist ein Prototyp für mich», beschreibt Karrer. Verwendet hat er Esche, das typische Wagnerholz.
Für ihn geht es nach Lehrende wahrscheinlich zurück zu Pilatus und den Flugzeugen, erzählt Norbert Karrer. «Das ist schon etwas schade. Aber ich werde nur 80 Prozent arbeiten und möchte mich in der restlichen Zeit weiterhin mit Holz beschäftigen.»
Auch Joel Holzer ist überzeugt, dass sich die Wagner-Ausbildung gelohnt hat und ist zufrieden mit seinem Berufsabschluss. Sein Lehrbetrieb ist die 3R AG im thurgauischen Sulgen, die vor allem Schlitten herstellt. «Die Arbeit als Wagner ist handwerklicher und meiner Meinung nach abwechslungsreicher als die der Schreiner», findet der 19-Jährige aus Sulgen. Zuerst habe er als Schreiner geschnuppert, sich aber noch umentschieden.
Als IPA hat sich Joel Holzer für eine Rundbank mit dampfgebogenen Latten aus Eiche entschieden. Im Betrieb werde das Sortiment mit immer mehr Gartenprodukten erweitert. Er hat sozusagen den Prototypen für künftige Bank-Serien entwickelt. Die Füsse der Bank seien variabel einsetzbar und sollten auf alle künftigen Modelle passen. Die Herstellung sei gut verlaufen, sagt der Thurgauer. Er habe sich nur beim Zeitaufwand etwas verschätzt. Es wurden mehr Stunden als gedacht. «Ich bin sehr zufrieden, wie die Bank herausgekommen ist.» Diese steht nun im Betrieb und kann verkauft werden. Wie es beruflich für ihn weitergeht, kann Joel Holzer noch nicht sagen. «Ich lasse es auf mich zukommen.»
Der vierte Lehrabgänger ist Philippe Wessling aus Winterthur. Er hat in der Genossenschaft Holzlabor in Winterthur gelernt. Der 30-Jährige hat zuvor studiert (Umweltwissenschaften, Soziologie und Philosophie) und nebenbei als Hilfsschreiner gearbeitet. Das hat ihn auf die Idee gebracht, noch eine Lehre als Wagner anzuhängen. Diese konnte er verkürzt machen. «Ich wollte das Handwerk erlernen. Den Alltag als Schreiner fand ich aber nicht so spannend. Ich will nicht nur Maschinen bestücken. Deswegen hat mich Wagner mehr angesprochen», erzählt er.
Die drei Jahre der Ausbildung haben ihm gefallen. Er habe viel gelernt und durfte viele Projekte von A bis Z abwickeln. Zum Beispiel ein Tor aus Eichenmassivholz. «Das war 3 Meter hoch und 3,30 Meter breit, fünfflügelig, gestemmt und auf Gehrung ausgeklinkt. Selbst die Beschläge konnte ich beim Schlosser selbst anfertigen», beschreibt Philippe Wessling.
Als IPA hat er einen Veloanhänger gefertigt. Dessen komplette Konstruktion ist in verschiedene Richtungen gebogen, zudem sehr schnittig und schmal, beschreibt der Winterthurer. «Das Biegen in die X-, Y- und Z-Achse war eine Herausforderung. Zuerst musste ich eine Form bauen, in die ich das Holz reinbiegen konnte.» Verwendet hat Wessling Esche und Eiche. «Das dunkle Holz ist Eiche gedämpft. Eine spannende Alternative, da Tropenholz aus ökologischen und auch ethischen Gründen für mich ausgeschlossen ist, und ich so aber trotzdem ein dunkles Holz als Kontrast zur hellen Esche hatte.» Er ist sehr zufrieden mit dem Resultat. Den Veloanhänger nutzt er nun privat wie auch geschäftlich. Im Team bleibt er weiterhin. Sein nächstes Projekt ist ein Bauwagen, in dem er wohnen wird. «Mein Betrieb ist darauf spezialisiert. Nun baue ich meinen eigenen.» Sozusagen ein Eigenheim auf vier Rädern.
Thomas Koch freut sich, dass gleich vier Lernende diesen Sommer den Berufsabschluss gemacht haben. Er ist der Ausbildner von Florian Leutwiler, Wagner-ÜK-Leiter sowie Mitglied der Fachgruppe Wagner-Skibauer, die dem Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten (VSSM) angehört. Vier Betriebe bilden derzeit Lernende aus. «2017 haben die letzten zwei das eidgenössische Fähigkeitszeugnis zum Wagner erhalten. Deswegen freue ich mich über den diesjährigen Berufsnachwuchs sehr.» Seit 2014 kann nur noch die vierjährige Lehre als Schreiner/Schreinerin EFZ mit Fachrichtung Wagner begonnen werden. Die erste Lernende schloss 2018 mit diesem neuen Berufsabschluss ab. An der Ausbildung habe sich im Grunde kaum etwas verändert, nur beim Qualifikationsverfahren, erklärt er.
Koch hofft, dass sich künftig weitere junge Leute für das Wagner-Handwerk entscheiden und eine Lehre angehen. «Vieles, was ein Wagner früher hergestellt hat, wird auch heute noch gemacht, nur seltener. Der Wagner verwendet einheimisches Massivholz und arbeitet oft an Produkten mit geschweiften Bestandteilen», beschreibt er. Die typische Wagnerarbeit sei ein Rad mit hölzerner Nabe, Speichen und Felgen, welches vom Schmied mit einem Eisenreifen abgebunden wird. Ein Wagner mache grundsätzlich belastbare Gebrauchsobjekte, welche meistens mobil oder beweglich sind. Im Prinzip fast alles aus Holz.
www.koch-wagnerei.chwww.ambauen.chwww.schlitten.chwww.holzlabor.orgwww.wagner-skibauer.ch
Veröffentlichung: 12. August 2021 / Ausgabe 33/2021
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