Damit rund zu eckig passt


Trotz CNC-Automaten und mechanischem Kopieren ist das Fertig-drehen von Holzteilen oft noch Handarbeit, damit die Qualität am Ende stimmt. Bild: Bietenholz und Müller GmbH
Trotz CNC-Automaten und mechanischem Kopieren ist das Fertig-drehen von Holzteilen oft noch Handarbeit, damit die Qualität am Ende stimmt. Bild: Bietenholz und Müller GmbH
Gedrehte Holzteile. Neue Treppen aus Holz mit gedrehten Pfosten und Sprossen kommen immer seltener vor. Werden gedrechselte Teile benötigt, unterscheiden sich Handelsprodukte und handwerklich produzierte Ware nicht nur im Preis, wie das Gespräch mit den Drechslern zeigt.
Treppenbauer, die Drehteile selbst herstellen, sind heute die Ausnahme. «Selbst drehen oder zukaufen? Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten lässt sich diese Frage nicht eindeutig beantworten», sagt Ruedi König, Drechslermeister im sankt-gallischen Wil. Eher ist es so, dass die meisten Treppenbauer weder die maschinelle Ausstattung noch die Fachleute für das Holzdrehen zur Verfügung haben, denn das Holzdrehen ist eine eigene Welt.
König hat mit der Unternehmenszusammenführung von Bietenholz mit der Drechs- lerei Müller ein Unternehmen geschaffen, das Massivholzschreinerei, Drechslerei und Treppenbau miteinander verbindet. Hergestellt wird alles, was aus massivem Holz ist. Ein wenig stemmt sich König damit auch gegen den allgemeinen Trend, aber mit gut gefüllten Auftragsbüchern im Gepäck, weil auch gedrehte Holzteile in vielen speziellen Bereichen eingesetzt werden.
Traditionell sind Drechsler wichtige Zulieferanten und Partner der Treppenbauer. «Sie sind wie das Salz in der Suppe. Man braucht es, aber es braucht nicht viel davon», so eine Weisheit unter den Berufskollegen. Gelegentlich benötigt man relativ kurzfristig ziemlich viele Sprossen. «Bei einem grossen Überbauungsobjekt in der Stadt können das schnell an die Tausend sein», erzählt König,
Bei sechzig oder gar achtzig verschiedenen Sprossenmodellen kann der Kleinbetrieb diese nicht auf Lager in allen möglichen Holzarten haben. «Wir müssen deshalb flexibel reagieren und schnell fertigen», so König. Deshalb finden sich alle Arten von Drehbänken in der Werkstatt. Die klassischen Handarbeits-Drehmaschinen, Kopierbänke und eine CNC-gesteuerte Drehbank. Der Zeitdruck in den meist kleineren Unternehmen des Drechslerhandwerks ist die eine Sache. Eine andere ist die Architekturmode, die derzeit nur wenig Entwürfe der angenehmen, weichen Formen kennt. Das Eckige hat nicht nur äusserlich das Runde fast verdrängt. Auch die Treppe ist meist kubisch schlicht gestaltet. «Auf der anderen Seite gibt es immer wieder Bauherren, die sich Holz wünschen und gerne eine repräsentative Ausarbeitung haben möchten», betont Barbara Müller, Mitinhaberin der Bietenholz und Müller GmbH.
Wenn der Treppenbauer dann doch runde Querschnitte oder verdrehte Handlaufquerschnitte braucht, geht er zum Drechslerkollegen. Auch spezialisierte Kleinstbetriebe ohne eigenes Holzlager oder umfang- reichen Maschinenpark können so ihr Auskommen finden, weil der Zimmermann für eine Treppe das Holz dann liefert. Vorteil hierbei: Gibt der Treppenbauer die Arbeit und das Material ausser Haus, passt am Ende das verwendete Holz zueinander, da es aus der gleichen Charge oder sogar vom gleichen Stamm kommt. Doch der Umstand, dass Treppenbauer Standardware im Handel kaufen, scheint ebenso verbreitet. «Aufträge von Treppenbauern sind seltener geworden, eher sind es noch Schreiner, die gedrehte Holzteile etwa für Tischbeine brauchen oder weil sie eine Treppe sanieren», erklärt Pierre Müller, Drechsler in Ellighausen. Gedrehte Holzteile sind auch ein Markt für den Handel. Von Automaten-drechslereien produziert wird viel Stand-ardware angeboten. Diese Entwicklung hat jedoch auch ihre Tücken, die – wie so oft – im Detail stecken.
«Automatisierung allein ist nicht die Lösung, denn reine Massenware ist hierzulande nicht wirtschaftlich zu produzieren. Immer, wenn es um kleinere Losgrössen geht, funktioniert es in der Schweiz», sagt König, der zudem Präsident des Drechslermeisterverbandes ist. Gerade weil der junge Unternehmer alles macht und auch montiert, kennt König die Vorstellungen von preislich gut informierten Kunden.
Da war zum Beispiel einer, der Handläufe aus Eiche wollte. «Das Angebot war ihm aber zu teuer. Und so bestellte er die Handläufe woanders. Die geschwungenen Teile wollte er dennoch von uns haben», erzählt König. Also habe der Kunde die geraden Handläufe von einem Hersteller bestellt, der diese auf einem modernen Kehlautomaten mit gejointeten Werkzeugen produzierte. Bei dieser Produktionsweise wird das Schleifen überflüssig. «Wir haben die Krümmlinge geschliffen geliefert. Dann wurde alles gebeizt und das Ergebnis ging natürlich gar nicht», so der Drechslermeister. Geschnittene und geschliffene Oberflächen nehmen die Beize unterschiedlich auf, was sich im Resultat bemerkbar macht. Und da dreidimensional gekrümmte Teile immer geschliffen werden, mussten dann die Handläufe nachgearbeitet werden. «Am Ende war das Ganze deutlich teurer, als wenn er alles bei uns bestellt hätte», hält König fest.
Selbst wenn Profilstäbe auf Rundschleifmaschinen bearbeitet werden, sieht das Endresultat aufgrund der Schleifrichtung anders aus, als wenn diese von Hand nachgeschliffen werden. Im rohen Zustand kaum wahrnehmbar, zeigen sich die Unterschiede erst bei der Oberflächenbehandlung.
Damit man gegen solche Überraschungen gefeit ist, muss der Treppenbauer gerade bei unterschiedlicher Herkunft der Teile die verschiedenen Herstellungsarten beachten und die Besonderheiten im Detail kennen, denn schon ein Handlauf ist nicht gleich ein Handlauf. Unterschiede gibt es nicht nur im Profildetail, sondern auch beim Augenmerk, das auf die Stösse gelegt wird. «Wenn wir einen Handlauf in Eiche machen, ist das für uns etwas Hochstehendes. Deshalb fertigen wir den Handlauf ohne Keilzinkung an einem Stück. Wenn die gewünschte Länge die verfügbare Holzlänge übersteigt, dann führen wir einen Schifterschnitt aus und fügen die Teile entsprechend der Maserung so zusammen, dass man den Stoss später praktisch nicht mehr sehen kann», sagt König.
Die Renovation von alten Treppen mit dem oft einhergehenden Austausch von Teilen hat ebenfalls ihre Fallstricke, denn in der Regel tragen diese mehrere Farbschichten. Mit der Entfernung des Lackes im Laugenbad ist es aber nicht getan. «Anstelle des Ablaugens von alten Sprossen kommen deshalb oft neue zum Einsatz, was wirtschaftlich und praktisch sinnvoll ist», weiss Pierre Müller. Überhaupt scheint die Passgenauigkeit der Zapfen bei der Verbindung von Sprossen zur Wange ein Punkt, bei dem sich die sorgfältige und fachkundige Planung von der des schnellen Einkaufs unterscheidet, weil auch die Zapfenlänge der Sprossen bei einer gedrehten und steilen Treppe unterschiedlich sein kann. Das bildet die Standardware jedoch nicht ab, genauso wenig wie die Anforderungen an die Oberflächengüte.
Je nachdem, ob die Sprossen deckend gestrichen werden oder natur bleiben, muss auch anders gedreht werden. Bei einer mechanischen Kopiervorrichtung ist die Oberflächenqualität nicht immer einwandfrei, etwa bei Tannenholz. «Einwandfreie Ergebnisse zu erreichen, ist eine grosse Herausforderung. Man braucht bei Tannenholz perfekt geschärftes Werkzeug und muss dieses auch schneller wechseln, damit es einen sauberen Schnitt gibt», erklärt Barbara Müller. Beim Kopieren ist die Schnittführung eine andere als beim Handdrehen. Gerade bei Nadelhölzern empfiehlt es sich manchmal, den Feinschnitt von Hand zu machen. Allein die Unterschiede zwischen den Hölzern aufgrund ihrer Herkünfte können für gänzlich differierende Ergebnisse sorgen. So ist auch Lärche nicht gleich Lärche. Je nachdem wie schnell das Holz getrocknet wurde, ob es aus Sibirien oder der Schweiz stammt, zeigt sich ein anderes Verhalten des Holzes. «Wird Tannenholz schnell getrocknet, ist die Schnittigkeit des Materials besser», weiss Pierre Müller aus Erfahrung.
Für die Passgenauigkeit der Sprossen ist mehr Aufmerksamkeit vonnöten, damit diese nicht nach kurzer Zeit drehbar zwischen Wange und Handlauf sitzen. «Wenn wir Sprossen fertigen, ermuntern wir den Treppenbauer dazu, uns vorab ein Holz mit Musterbohrungen zu schicken. Dementsprechend werden dann die Sprossen passgenau gefertigt: Je nachdem, ob die Sprossen lackiert werden, diese etwas straffer ‹gehen› sollen oder später noch eine Be- schichtung aufgetragen wird, hängt die Qualität des Ergebnisses von der Passge- nauigkeit ab», sagt König.
Ein weiterer Aspekt bei Treppensanierungen ist die veränderte Handlaufhöhe. Alte Sprossen sind nach heutigem Standard oft zu kurz, weshalb es die Formanpassung des Stils im Original auf das dann längere Sprossenstück braucht, eine Aufgabe, die Erfahrung und Fingerspitzengefühl für die Form benötigt. Aber auch generell hat sich «die Form der Sprossen verändert. Heute sind sie schlichter, mit weniger starker Profilierung», sagt Müller.
Wenn besondere Teile benötigt werden, ist es keine Frage, wer diese macht. Treppenpfosten mit vielen Details etwa, die dann zwar mechanisch vorgedreht werden, aber manchmal das Fertigdrehen von Hand bedingen. Seinen grössten Pfosten hat Müller im letzten Jahr gefertigt. 400 kg wog das Stück aus Lärche, das als Stützsäule für die Überdachung einer Terrasse dient. Aber da solche Aufträge eher selten sind, geht König mit der Zeit. In der Drechslerei werden mit dem neu beschafften Kehlautomaten 6 m lange Stäbe produziert, so dass auch Standardware wirtschaftlich herstellt werden kann.
«Wir schauen, was gefragt ist, und müssen zur Kenntnis nehmen, dass die stark profilierten Arbeiten derzeit nicht besonders gefragt sind», so König, weil der Kuchen für die Drechsler insgesamt kleiner geworden ist. «Aber jeder macht so sein eigenes Ding und ist deshalb wie ein Körnchen Salz in der Suppe», sagt König.
www.bmdrechslerei.chwww.muellerdrechslerei.chVeröffentlichung: 14. August 2014 / Ausgabe 33/2014
Wer Zuhause einen Böögg wie die Zürcherinnen und Zürcher verbrennen möchte, um den Winter zu vertreiben, kann sich eine kleine Version der Stiftung RgZ bestellen.
mehrAuch in diesem Jahr haben die Aussteller der Messe Holz wieder die Chance auf den «Innovationspreis Holz». Ausgezeichnet werden Projekte, die eine technologie-, verfahrens- oder produktorientierte Innovation zum Thema Holz bieten.
mehrPaidPost. Jedes Jahr steht bei den Schreiner-Lernenden die IPA an: die praktische Arbeit, die innert vorgegebener Zeit hergestellt wird. Hier die diesjährigen Projekte.
mehr