Bloss keinen Bammel vor BIM

Wird ein digitales Bauwerksmodell mit immer mehr Informationen angereichert, entsteht Schritt für Schritt ein digitales Abbild der Realität. Ilustration: Thierry-Benoît Wälchli/Pixabay/SZ

BIM.  Seit einiger Zeit schon geistert der Begriff «Building Information Modeling» durch die Branche. In einer mehrteiligen Serie nähert sich die Schreinerzeitung dem Thema, denn es lohnt sich auch für Schreinereien, sich früh damit zu befassen.

Digitale Bauwerksmodelle erschliessen entscheidungsrelevante Informationen, die mit herkömmlichen Planungsmethoden schwer oder gar nicht zugänglich sind. Zudem lassen sich Entwurfs- und Konstruktionsvarianten darstellen und gewerksübergreifend prüfen. Das führt zu mehr Transparenz in der Planung. Ein wesentlicher Aspekt von digitalen Bauwerksmodellen ist die Verbindung geometrischer Informationen wie Volumenkörpern, Flächen sowie deren Standort mit nicht geometrischen Merkmalen wie Materialien, Terminen, Kosten etc. Die generierten Informationen können für die Informationsanreicherung und Weiterverarbeitung mit externen Informationssystemen verknüpft werden.

In der Baubranche wird aktuell viel von und über BIM gesprochen. Benötigt der Schreiner, die Schreinerin oder der Innenausbauer BIM in Zukunft auch?

Maria Hischier, Professional Consultant für Projekt- & Prozessmanagement bei der Firma Digireal AG aus Rotkreuz SZ, sagt «Jein». Wenn es nach ihr ginge, sollte diese Methodik in jedem Bauprojekt angewandt werden. Das trifft auch auf den Innenausbau und die Schreinerbranche zu, da diese Teil vom Bauwesen sind. Bei der aktuellen Betrachtung der Realität bezüglich Umsetzung kristallisiert sich ihrer Meinung nach aber eher ein Nein heraus.

Qualität der Kokreation entscheidet

BIM beschreibt eine Methode, die Planungsteams in allen Phasen bei der Planung und Realisierung von Bauwerken unterstützt. Sie beruht auf der Nutzung digitaler Bauwerksmodelle und Prozessen zur Erstellung und Nutzung dieser Modelle. Ihre Wirksamkeit hängt zum einen von der Qualität der Fachbearbeitung und zum anderen, grossen Teil von der Qualität der Zusammenarbeit ab. Die Zusammenarbeit setzt sich dabei aus Arbeitsmethoden, Führungsprozessen, aber auch technischen Hilfsmitteln zusammen.

Möglichst Planungskosten senken

Wie in jedem Projekt ist eine zielorientierte Zusammenarbeit entscheidend für das Endresultat. Eine effiziente Kooperation basiert auf klaren Zieldefinitionen, die im Projekt erreicht werden müssen. In diesem Zusammenhang geht es primär um Aspekte wie: die Reduzierung der Planungskosten um beispielsweise 10 Prozent, die Optimierung der Datenübertragung durch den Einsatz digitaler Bauwerksmodelle oder die Schaffung einer durchgängigen und einheit- lichen Datennutzung.

Es ist wichtig, zu erwähnen, dass die Anwendung der BIM-Methode nicht zwingend erforderlich ist, wenn sie nicht explizit gefordert wird. BIM-Projekte sollten nicht nur zur Erfahrungssammlung durchgeführt werden, sondern vielmehr dazu dienen, die Zielerreichung zu erleichtern und zu unterstützen. Diese methodische Herangehensweise schafft Transparenz hinsichtlich der Beweggründe, Handlungen und Entscheidungen der verschiedenen Interessenvertreter im Projekt. Dadurch kann ein verstärkter Abstimmungsbedarf entstehen, und Probleme können früher identifiziert und gelöst werden.

Durch die Anwendung der BIM-Methode wird die Planung zeitlich nach vorne verlagert. Dadurch werden Schreinereien und Innenausbauer frühzeitig in den Planungsprozess einbezogen. Dies ermöglicht eine bessere fachliche Beratung, optimalere Produktlösungen und letztendlich eine effektivere Umsetzung der gesteckten Ziele.

Alle Beteiligten spielen ihre Rolle

Bauen digital Schweiz umschreibt in seinem Merkblatt unterschiedliche Rollen der Beteiligten in einem Bauprojekt mit der BIM-Methode. In einem Lastenheft werden projektspezifische Rollen und Verantwortlichkeiten vorgängig definiert und festgehalten.

Abbildung 1 zeigt eine mögliche Rollenzuteilung zu den unterschiedlichen Projektbeteiligten. Der Schreiner bzw. Innenausbauer nimmt dabei als Fachspezialist die Rolle eines Modellautors ein (Abbildung 2). Das ist darauf zurückzuführen, dass er auf der Basis eines Referenzmodells sein Fachmodell erstellt. Identisches Vorgehen ist auch bei anderen Gewerken wie dem Sanitär, Elektriker oder auch dem Architekten vorhanden.

Abschliessend werden die unterschiedlichen Fachmodelle durch den BIM-Koordinator zu einem Koordinationsmodell zusammengeführt. Das örtliche Referenzieren der Objekte im Raum bildet dabei eine entscheidende Rolle, um Überschneidungen oder Kollisionen festzustellen. Letzten Endes sollen Fehlplanungen und Kollisionen bereits in der Planungsphase erkannt und behoben werden, um Probleme auf der Baustelle zu vermeiden.

Eingebunden im Baukostenplan eBKP-H

Im grösseren Kontext sind die Schreiner/Innenausbauer auch im elementbasierten Baukostenplan für den Hochbau (eBKP-H) wiederzufinden. Sei das bei der Kategorie E «Äussere Wandbekleidung Gebäude», beim G «Ausbau Gebäude», aber auch bei der Kalkulation der anfallenden Planungskosten «V01.05 Spezialist».

Als Schreiner oder Innenausbauer wenden sie ihre umfassenden Kenntnisse und ihr vielfältiges Fachwissen in den verschiedenen Bereichen des Bauwesens an. Mithilfe digitaler Zusammenarbeitsformen wie der BIM-Methode erschaffen sie zusammen mit anderen Gewerken Lebensräume von höchster Qualität und Funktionalität. Der Verantwortungsbereich erstreckt sich über das gesamte Spektrum der Planung, Herstellung und Montage von elementaren Bauelementen wie Türen, Fenstern, Küchen, Schränken und Möbeln. Dabei ist die Expertise stets an einen Gesamtprozess angelehnt. Im Kontext des digitalen Bauens und der BIM-Methodik zeigt sich die Expertise gemäss den Kategorien in Abbildung 3.

Thierry-Benoît Wälchli

www.digireal.chwww.bauen-digital.ch

 

«Es läuft besser auf der Baustelle»

Nachgefragt. Der gelernte Möbelschreiner Raoul Müller ist heute Partner des Baumanagementbüros Righetti Partner Group AG. Dort beschäftigt er sich mit digitalem Bauen, Prozesssteuerung und Bauökonomie. Er sagt, warum es sich lohnt, sich mit BIM zu befassen.

Schreinerzeitung: In zwei, drei Sätzen: Was ist BIM?

Raoul Müller: Aus meiner Sicht ist BIM die Nutzung der Digitalisierung zur Verbesserung der Zusammenarbeit und von bisherigen Prozessen.

Was ist das Wichtige an BIM?

Dass die Beteiligten von konkreten Problemen oder Zielen ausgehen. Man sollte eine Vorstellung davon haben, was man verbessern will. Nachher soll man sich losgelöst von bisherigen Prozessen und Zusammenarbeitsformen überlegen, wie man es besser machen könnte und wie man dabei die Digitalisierung nutzen kann. BIM ist letztlich Prozessmanagement.

Warum sollen sich auch Schreinerinnen und Schreiner nun mit dem Thema befassen?

Nach meiner Erfahrung ist es so, dass wir aktuell auf Baustellen nicht die beste Art der Zusammenarbeit pflegen. Die BIM-Methode fördert den früheren Einbezug von Unternehmern in Planungsprozesse sowie den Austausch von Erwartungshaltungen und konkreten Anforderungen aller Projektbeteiligten. Das führt zu besserer Zusammenarbeit und weniger Frust und Ärger. Digitale Werkzeuge verändern bisherige Arbeitsabläufe und können, richtig eingesetzt, einen umfassenden Mehrwert für Firmen und ihre Angestellten generieren. Unsere Erfahrung ist es auch, dass die Mitarbeitenden viel zufriedener sind, weil es einfach besser läuft auf der Baustelle.

Was verändert sich denn in den Prozessen respektive der Planung von Projekten?

Ursprünglich reden wir von einer sogenannten Pushplanung, wie man sie von den Fabrikationsprozessen her kennt. So wird auf Vorrat produziert, weil man davon ausgeht, zu wissen, was man für wen bis wann produzieren muss. Durch die Anwendung des Konzeptes «Level of Information Need» sind Planungsprodukte nun gemäss den effektiven Bedürfnissen zu erarbeiten.

Wo und wie können Schreiner erste Erfahrungen mit BIM sammeln?

Für die Anwendung der BIM-Methode ist es wichtig, als Erstes konkrete Ziele zu formulieren. Dabei hat es sich bewährt, wiederkehrende Probleme zu verhindern oder etwa monotone, unpopuläre Arbeiten beschleunigen zu wollen. Mögliche Anwendungen wären zum Beispiel der Einsatz eines eigenen CDE über alle Projekte, um sicherzustellen, dass bei der Montage immer alle notwendigen Informationen vorhanden sind.

Stefan Hilzinger

www.righettipartner.ch

Wer mehr wissen will

CAS-Digitalisierung

Die Berner Fachhochschule in Biel bietet eine Reihe von Aus- und Weiterbildungen an, unter anderem auch zur digitalen Transformation im Bauwesen.

BIM in der Schreinerbranche (Teil 1)

Die Serie und ihr Autor

Der Autor Thierry-Benoît Wälchli ist wissenschaftlicher Assistent am Institut Digitale Bau- und Holzwirtschaft (IDBH) der Berner Fachhochschule in Biel. In seiner Forschung befasst er sich mit integralen Bau- und Planungsprozessen, stets bestrebt, die effiziente Nutzung von Ressourcen zu optimieren. Als gelernter Möbelschreiner liegt ihm besonders am Herzen, sein fundiertes Wissen und seine Expertise in diesem Bereich zurück zu den Ursprüngen seiner handwerklichen Fähigkeiten zu tragen. Dieser und weitere Artikel der Reihe «BIM in der Schreinerbranche und im Innenausbau» beleuchten die Thematik von BIM und dem digitalen Bauen im Schreinerhandwerk und im Innenausbau aus unterschiedlichen Blickwinkeln.

Wächli sagt: «In Zukunft sollten wir es vermeiden, den Begriff ‹BIM› zu verwenden, wenn wir über die Arbeit mit Bau- werksmodellen sprechen. Stattdessen sollten wir die BIM-Methodik Schritt für Schritt in unsere Projektbearbeitung integrieren und unser Wissen kontinuierlich erweitern. Es ist wichtig, dass wir unsere Expertise im Innenausbau frühzeitig in den Planungsprozess einbringen können. Diese beiden Aspekte – Methodenkompetenz und technische Umsetzung – ermöglichen es uns langfristig, an digitalen Ausschreibungen und digital geplanten Bauprojekten zu partizipieren.»

Es sind folgende, weitere Beiträge geplant:

  • Teil 2: Bedarf und Anforderungen an Informationen
  • Teil 3: Organisation und Umsetzung der koordinierten, fachübergreifenden Zusammenarbeit
  • Teil 4: Leistungen und Honorierung
  • Teil 5: Aus der Praxis: Beispiel BIM-Planungsworkflow für eine Tür

    SZ
www.bfh.ch/idbh

Vier Schlüsselbegriffe

BIM, IFC, LOIN und CDE

BIM: Die Abkürzung steht für englisch «Building Information Modeling». Wikipedia gibt als deutsche Übersetzung «Bauwerksdatenmodellierung» an. Die Modelle bestehen aus Geometrie (0-D bis 3-D), strukturierten Informationen und Dokumenten, welche in Beziehung zueinander stehen. BIM ist daher kein statischer Zustand, sondern eine Methodik, um komplexe (Bau-)-Prozesse und Zustände digital einheitlich sowie für alle Beteiligten zugänglich und verständlich abzubilden.

IFC: Wichtig für die Digitalisierung ist auch eine einheitliche Begrifflichkeit für Fachausdrücke. Dies liefern die «Industry Foundation Classes» (IFC), ein offener Standard im Bauwesen zur digitalen Beschreibung von Gebäudemodellen. International definiert wird IFC in der Norm ISO 16739 analog SN EN ISO 16739 für die Schweiz.

LOIN: Auch diese Abkürzung ist englisch und steht für «Level of Information Need», deutsch ungefähr: «Informationsbedarfstiefe». Indem sie die W-Fragen (wer, was, wann, wo, wie, warum etc.) gemeinsam beantworten, legen die am Projekt beteiligten Partner fest, welche Informationen in welcher Detailliertheit beschafft und zu welchem Zeitpunkt zur Verfügung stehen müssen. Die zu liefernden Ergebnisse sind dabei primär durch den Zweck zu definieren und können 3D-Modelle, aber auch Pläne, Tabellen, Dokumente etc. umfassen.

CDE: «Common Data Environment» steht für das gemeinsame Datenumfeld, für das Werkzeug der BIM-Methodik. Meist ist dies eine cloudbasierte Plattform wie zum Beispiel «Autodesk Construction Cloud». Hauptzweck ist die gemeinsame Informationsbereitstellung und -verteilung, die Aufgaben-, Mängel- und Pendenzenverwaltung oder die Durchführung strukturierter und dokumentierter Prozesse. Alle arbeiten mit aktuellen Grundlagen und haben Zugriff auf alle für sie not- wendigen Informationen.

HIL

www.buildingsmart.orgwww.sia.ch

 

Veröffentlichung: 23. Mai 2024 / Ausgabe 21/2024

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