Besser Schutzbrille als Schutzengel

Die Schutzbrille sollte wie Meter und Stift zur persönlichen Arbeitsausrüstung gehören. Bild: Michi Läuchli

Schutzbrillen.  Augenverletzungen sind schmerzhaft und verursachen hohe Gesundheitskosten. Schon mit leichten, praktischen Schutzbrillen sind solche Unfälle aber vermeidbar, ohne dass die Brillen beim Tragen während der Arbeit stören.

Das menschliche Auge ist ein wahres Wunder: Über 80 Prozent der Informationen werden über die Augen wahrgenommen, die dabei zwischen 600 000 verschiedenen Farbtönen unterscheiden können und 126 Millionen Sehzellen besitzen. Die Augen sind in der Lage, jede Sekunde mehr als 10 Millionen Informationen aufzunehmen, zudem ist Blinzeln die schnellste Bewegung eines Körperteils, zu der wir fähig sind. Verständlicherweise sind die Augen für die meisten Menschen das wichtigste Sinnesorgan. Schon eine kleine Beeinträchtigung oder gar der Verlust des Augenlichts gehört zu den schlimmsten körperlichen Belastungen. Umso wichtiger ist es deswegen, die sensiblen Organe zu schützen.

Gefahren im Auge behalten

Ob beim Arbeiten in der Schreinerei, auf der Montage oder im Freien – die Risiken für eine Verletzung durch Fremdeinwirkung dürfen nicht unterschätzt werden. Für die Schreiner gibt es einige spezifische Szenarien, in denen eine Schutzbrille notwendig ist:

  • Maschinelle Holzbearbeitung: Beim Sägen, Fräsen, Hobeln oder Schleifen von Holz entstehen Holzspäne und Staub, die in die Augen gelangen können.
  • Arbeiten mit Druckluft, Druckluftwerk-zeugen oder Hochdruckreinigern: Hier können Partikel, Wasser oder andere Substanzen mit hoher Geschwindigkeit in Richtung der Augen geschleudert werden.
  • Arbeiten mit Chemikalien: Beim Einsatz von Lacken, Klebstoffen, Lösungsmitteln oder anderen Chemikalien können Spritzer auftreten.
  • Bearbeitung von Metallen und Kunst‑stoffen: Metall- oder Kunststoffteile zu bohren oder zu sägen, bedeutet, dass Späne und Funken entstehen und etwas abbrechen kann.
  • Demontage- und Abrissarbeiten: Bei der Entfernung alter Konstruktionen oder Materialien besteht die Gefahr von herabfallenden oder umherfliegenden Teilen.

Risiken werden unterschätzt

Was vielleicht zehn Jahre gut ging, kann plötzlich zum Verhängnis werden. Ein Loch, das man rasch mit der Druckluftpistole ausbläst oder ein Metall, in das man ein Loch bohrt, kann so schnell in einem Desaster enden. Leider aber werden die Gefahren häufig einfach beiseitegeschoben. So ist die Zahl der berufsbedingten Augenverletzungen in den letzten Jahren stagnierend hoch, was die Unfallstatistik der Suva zeigt. Zwischen 2019 und 2023 betrafen allein 15 Prozent der verletzten Körperteile die Augen, womit sie in den besagten Jahren mit durchschnittlich 844 Unfällen pro Jahr nach Fingerunfällen den unrühmlichen zweiten Platz belegen. Daraus lässt sich schliessen, dass das Risiko eines Augenunfalls nach wie vor stark unterschätzt wird.

Kein Augenschutz ist keine Bagatelle

Auch ein Vorgesetzter, der seine Vorbildfunktion nicht ernst nimmt oder gar den Schutz seiner Mitarbeitenden vernachlässigt, kann ein Auslösefaktor für einen Augenunfall sein. Arbeitgebende sind verpflichtet, den Mitarbeitenden bei den unterschiedlichen Tätigkeiten entsprechende Schutzbrillen im Rahmen der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus müssen sie regelmässig prüfen, ob die Sicherheitsvorschriften eingehalten werden. Allerdings stehen nicht nur die Arbeitgebenden in der Pflicht, auch die Mitarbeitenden sind verpflichtet, die ihnen zur Verfügung gestellten Schutzbrillen zu nutzen und die Trageregeln einzuhalten. Wenn ein Schreiner die Schutzbrille bewusst nicht trägt und bei einem Unfall deswegen eine Augenverletzung davonträgt, kann ihm ein Mitverschulden angelastet werden. In gewissen Fällen kann der Arbeitnehmer für die Verletzung von Sicherheitsvorschriften disziplinarisch belangt werden, was bis zur Kündigung führen kann. Lässt sich bei einem Unfall eine grobe Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers feststellen, kann die Versicherung die Leistungen kürzen. Das Nichttragen der vorgeschriebenen Schutzbrille könnte als eine solch grobe Fahrlässigkeit eingestuft werden. Wird allerdings nachgewiesen, dass der Unfall durch mangelnde Sicherheitsmassnahmen seitens Arbeitgeber verursacht wurde, könnten vom Arbeitnehmer auch zivilrechtliche Ansprüche gegen diesen geltend gemacht werden.

Sensibilisieren und miteinbeziehen

Schliesslich soll es nicht nur bei den Pflichten bleiben. Der Arbeitgeber oder Vorgesetzte kann die Mitarbeitenden an das Thema sinnvoll heranführen, sensibilisieren und ein wichtiges Verständnis für den Augenschutz schaffen. Umso grösser nämlich das Verständnis für die Gefahren ist, desto wahrscheinlicher wird ein Augenschutz auch getragen. Der Arbeitsschutz muss ein gelebter Teil der Unternehmenskultur sein. Hier ist es durchaus sinnvoll, die Mitarbeitenden in den Beschaffungsprozess miteinzubeziehen. Dafür gibt es mehrere Gründe: Es zeigt unter anderem die Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden. Das Wohlbefinden und die Motivation am Arbeitsplatz nimmt zu und stärkt zudem die Vorbildfunktion als Arbeitgeber.

Die Kosten dürften kaum ein stichhaltiges Argument gegen Schutzbrillen sein, da ein zertifiziertes Modell um die 20 Franken kostet. Sie stehen in keinem Verhältnis mit den Gesundheitskosten, die bei einer Verletzung der Augen entstehen.

Nur geprüftes Material einsetzen

Falsch ist die übliche Meinung von Brillenträgern, dass die Korrekturbrille auch als Schutzbrille verwendet werden kann. Gewöhnliche Brillen beheben zwar die Fehlsichtigkeit, verfügen aber nicht über die erforderliche Schutzwirkung, ganz zu schweigen von Kontaktlinsen. Nur wenn Schutzbrillen die Anforderungen der Europäischen Norm EN 166 entsprechen, sind die Augen entsprechend geschützt. Je nach Schutzbrille und Anwendungsbereich müssen auch noch weitere Normen eingehalten werden (siehe Infobox).

Wichtige Brilleneigenschaften

Eine Schutzbrille bei Arbeiten mit Verletzungsgefahr zu tragen, ist immer sinnvoll. «In erster Linie soll der Mitarbeiter geschützt sein», sagt Urs Walter, Betreuung Endkunden Arbeitsschutz bei der Firma 3M in Rüschlikon ZH. Jedoch gibt es nicht eine Schutzbrille, die für alle Arbeitssituationen geeignet ist. Um die passende Brille zu evaluieren, werde immer zuerst nach dem eigentlichen Einsatzgebiet gefragt. Steht fest, wo und wofür die Brille eingesetzt werden soll, schaut Walter, welche Produkte die Ansprüche erfüllen können. Dabei sei auch die Passform wichtig: «Die Schutzbrille muss auf den Kopf passen. Weil dieser aber bei jedem Menschen verschieden ist, gebe ich jeweils ein paar Brillentypen ab, die die Schreiner dann testen können», so Walter. Die Schutzbrille soll genug gross sein und nicht das Gesichtsfeld einengen. Zudem spielen auch der Tragekomfort, die Funktionalität wie auch die Qualität des Materials eine wichtige Rolle. Weiter sollte man schauen, ob der Neigungswinkel und die Bügellänge verstellbar sind. Auch ob das Material beschlagfrei, kratzbeständig, antistatisch und mit einem UV-Schutz versehen ist, sind wichtige Aspekte.

Von Standardschutzbrillen...

Für gängige Arbeiten wie das Fräsen, Sägen, Bohren oder Ausblasen reicht eine einfache Schutzbrille aus. Solche leichten und formschönen Brillen führen viele Hersteller in unterschiedlichen Ausführungen in ihrem Standardsortiment. Wie zum Beispiel die Schutzbrille «1600 Unico Sport» der Firma Unico Graber AG aus Münchenstein BL. Die Scheiben bestehen aus Polycarbonat, sind beschlagfrei, kratz- und UV-beständig und auch mit der höheren UV-400-Beschichtung erhältlich. Solch höhere UV-Beschichtungen können sinnvoll sein: Weil die Augen sehr lichtempfindlich reagieren, müssen sie vor schädigenden Lichtquellen speziell geschützt werden. Dies gilt nicht nur beim Umgang mit dem Linienlaser oder Schweissgerät, auch bei der Arbeit im Freien schützt die UV-Beschichtung zuverlässig vor der schädlichen Sonneneinstrahlung.

...hin zu speziellen Schutzbrillen

Für Überkopfarbeiten, wo Fremdkörper wie Dreck, Staub oder Kleinteile ins Auge geraten können, beim Schleifen mit gefährlichem Holzstaub oder auch im Umgang mit Chemikalien sollte mit einer geschlossenen Vollsichtbrille gearbeitet werden. Sie schützt die gesamte Augenpartie, ohne dabei das Gesichtsfeld einzuschränken. Ein Gummiband sorgt für den sicheren Sitz. Die «GoggleGear Vollsichtbrille Serie 6000» von 3M beispielsweise mit einer indirekten Belüftung hilft gegen Beschlagen und bietet genügend Platz, um auch über Korrekturgläsern getragen zu werden. Die gebogenen Scheiben gewähren ein gutes Sichtfeld, die Antibeschlagbeschichtung sorgt für eine klare Sicht, Antikratzeigenschaften für eine robustere Scheibenoberfläche. Zudem wird das Tragen mit Atemschutz-Halbmasken dank dem breiten, flexiblen Nasenbereich ermöglicht.

Die «i-guard» von Uvex gehört zum 3-in-1- Schutzbrillen-Sortiment und kann mit verschiedenen Scheiben und Halterungen an vielfältige Arbeitsbereiche angepasst werden. Ihr flexibler Rahmen passt sich individuell an die unterschiedlichsten Gesichtsformen an, zudem bietet sie einen zusätzlichen Schutz im Seitenbereich. Auch sind die Bügel in der Neigung verstellbar. Die aus Polycarbonat gefertigten Gläser weisen einen UV-400-Schutz auf und sind zu 23 Prozent grau eingefärbt.

Für Menschen mit Korrekturbrillen ist eine Überbrille wie die «SecureFit Serie 3700» von 3M mit der umschliessenden Scheibe praktisch. Auch sie verfügt über einstellbare Ratschenbügel, eine Antibeschlag- und Antikratzbeschichtung und ist in verschiedenen Rahmen- und Scheibentönungen erhältlich.

Die Artilux Swiss Safety AG in Zofingen AG bietet die Schutzbrille «Artispec 300» als Komplettset an. Es enthält neben dem Brillengestell und einer Gürteltasche drei Polycarbonatscheiben, eine transparente und zwei in den Farben Gelb und Grau. Sie sind ebenfalls UV-400-beständig, kratzfest und beschlagfrei. Die Bügel lassen sich verstellen, und die integrierten Weichzonen im Stirn- wie auch im Nasenbereich sorgen laut Hersteller auch bei langer Tragedauer für einen angenehmen, druckfreien Sitz und verhindern mühsames Rutschen.

www.unicograber.comwww.3mschweiz.chwww.uvex-safety.chartiluxswisssafety.com

Michi Läuchli

Veröffentlichung: 01. August 2024 / Ausgabe 31-32/2024

Artikel zum Thema

16. Januar 2025

Sicheres Zupacken

Schutzhandschuhe.  Die Hände sind die wichtigsten Werkzeuge eines jeden Handwerkers. Sie bieten genial viele Möglichkeiten, sind aber durch ihren feingliedrigen Aufbau, ihre vielen Gelenke, Muskeln und Sehnen empfindlich. Ihr Schutz muss daher oberste Priorität haben.

mehr
16. Januar 2025

Wo der Schuh nicht drücken soll

SIcherheitsschuhe.  Fussverletzungen sind im Schreinergewerbe nicht selten und allzu oft auf mangelhaftes Schuhwerk zurückzuführen. Um unnötige Unfälle zu vermeiden, sollten sich Schreinerinnen und Schreiner frühzeitig mit der Wahl des passenden Schuhs auseinandersetzen.

mehr

weitere Artikel zum Thema:

Arbeitssicherheit