Beschlagen mit Freiraum
Die Integration von Schienen ermöglicht wechselnde Arrangements und eine stetige Erweiterung der Anwendungen. Bild: Salice
Die Integration von Schienen ermöglicht wechselnde Arrangements und eine stetige Erweiterung der Anwendungen. Bild: Salice
Neuheiten. Bei den Funktionen durch Beschläge müssen kaum mehr Wünsche offen bleiben. Wer beweglich in alle Richtungen bleiben möchte, kann inzwischen auf Lösungen mittels Schienen setzen. Damit erhält das Wohnen eine spielerisch-kreative Komponente.
Als der legendäre britische Komiker Rowan Atkinson in Gestalt von Mr. Bean ins Hotelzimmer einzieht, macht er es sich sogleich gemütlich. Aus dem Koffer erscheinen Vorhänge und Lampenschirme, dazu auch eine Bohrmaschine, um die zahlreichen mitgebrachten Bilder an der Wand anzubringen. Dieses ungenierte Gebaren Mr. Beans nennen Trendforscher Personalisierung und Individualisierung. Oder schlicht die Freiheit, heute etwas anders zu wohnen als gestern.
Die Bohrmaschine hätte Mr. Bean zu Hause lassen können, wäre die Wandverkleidung im Hotelzimmer etwa mit «Pin» vom italienischen Beschlaghersteller Salice ausgestattet gewesen. Die Befestigungsschiene kann sowohl aufgeschraubt als auch ins Trägermaterial auf der Rückseite eingelassen werden. Mittels Ankerschrauben werden dann die Befestigungsbolzen, Haken und Trägerelemente in der Schiene schraubend im Profil verklemmt. War das Programm zunächst für die variable Nutzung von Küchenrückwänden erdacht, erweitert Salice dieses sukzessive, etwa für die Garderobenfunktion. Ein solcher «Pin Hang» kann bis zu 10 kg Masse tragen. Die drei Meter langen Aluminiumprofile können im beliebigen Rastermass geplant werden und sind somit zur Aufnahme verschiedenster Utensilien samt der Funktion eines Tablarträgers erdacht. «Werden Küchenutensilien ausgetauscht, lassen sich die neuen einfach durch Verschieben oder Neugestaltung der Halter platzieren», erklärt Sara Terraneo, zuständig für das Marketing bei Salice.
Einen deutlichen Schritt weiter gehen die Funktionen und auch das Konzept von «The Wall». Ebenfalls für die Nutzung der Fläche einer Rückwand von Orea Küchen in Zürich entwickelt, ist die eingesetzte Schiene stromführend. Das ermöglicht neben zahlreichen Accessoire-Trägern auch die Platzierung von Leuchttablaren, Spots, USB-Ladestationen, Netzanschlüssen oder Induktionstablaren zum Erwärmen oder Laden von mobilen Endgeräten. Weil die Elemente einfach eingesteckt werden und sodann funktionsfähig sind, lädt dies geradezu zum spielerischen Umgang damit ein. Man mag sich vorstellen, was Mr. Bean mit solchen Möglichkeiten anstellen würde.
Schon jetzt sind zahlreiche Bestückungen im Online-Shop erhältlich, aber die Entwicklung soll weitergehen. «Wir sehen das Ganze wie eine digitale Plattform, eine Art App-Store, der anderen Akteuren offensteht. Zum Beispiel könnte für die Anwendung im Badezimmer auch ein Tablar zum Laden der elektrischen Zahnbürste im Angebot sein», erklärt David Spielhofer, Geschäftsführer der Orea AG. Die Kunden können so immer neue Funktionen nutzen und ihre Wand immer wieder neu gestalten und erweitern. Bis zu zehn stromführende Accessoires sind pro Schiene im gleichzeitigen Betrieb möglich. Zwar spricht Spielhofer von einem Nischenprodukt, doch nicht nur für die Küche und das Badezimmer wurden Anwendungen umgesetzt, sondern auch für das Büro sowie den Wohn- und Schlafbereich bestehen inzwischen konkrete Angebote. «Es geht dabei darum, mobil zu sein und sich nicht festlegen zu müssen», so Spielhofer. Festlegen muss sich der Planer, Schreiner oder Küchenbauer nur zu Beginn. «The Wall» wird auf Mass vorkonfektioniert, wahlweise mit einer oder zwei 4-Phasen-Stromschienen ausgestattet. Es gibt dabei zwei Linien. Bei «Basic» wird die Schiene frontseitig auf der Laminatplatte eingesetzt, während bei «Professional» die Schiene rückseitig eingefräst wird, was eleganter aussieht, aber auch etwas teurer ist. Bei «Professional» sind auch Glas-, Keramik- oder Dektonoberflächen möglich. Durch die Zusammenarbeit mit einem deutschen Hersteller stehen inzwischen rund tausend verschiedene Oberflächen zur Verfügung. Genau wie die Schienen sind Netzteil und Kabel bereits werkseitig implementiert. Die fertige Wand muss dann nur noch vor Ort angebracht werden. Bei Rückwänden geschieht das einfach mittels sogenannter Klettpads nach dem Prinzip eines Klett- verschlusses. Bald sollen jedoch auch Korpusse in die Schienen eingehängt werden können. Dann wird wohl eine andere Befestigungsart für «The Wall» nötig sein.
Einfach umsetzbar, permanent erweiterbar durch neue Partner auf der Plattform mit den Anwendungen: Das Konzept bietet auch für das Marketing eines Schreiners Chancen. «Man stelle sich vor, dass ein Kunde nach einem Jahr einen Hinweis für die Erweiterung durch eine Blumenvase bekommt», erzählt Spielhofer. Die ist bereits im Shop erhältlich.
Ein wirksamer Hebel zur sinnvollen Nutzung des begrenzten, urbanen und teuren Wohnraumes ist die effizientere Ausnutzung der vorhandenen Kapazitäten. Vor allem Beschläge, die Klappen nach oben öffnen, wiesen in der Vergangenheit recht ausladende Gehäusemasse auf. In den Korpussen ging so viel Stauraum verloren.
Dies ändert sich. Nachdem der österreichische Hersteller Grass einen solchen Klappenbeschlag zum Einlassen in die Korpusseiten auf den Markt brachte, hat der Nachbar Blum mit «Aventos HKi» nun nachgelegt. Die Mechanik lässt sich dabei ab einer Seitenwandstärke von 16 mm unsichtbar in die Korpusseite integrieren, ohne dass ein Stauraumverlust in Kauf genommen werden muss. Trotz der schlanken Bauweise hat es die Technik dabei in sich. Die Dämpfung des Beschlages schliesst die Klappe sanft und leise. Auch die dreidimensionale Einstellung erfolgt von vorne. Der Öffnungswinkelbegrenzer und der stufenlose Stopp gehören zur gewohnten Ausstattung. Für Fronten bis zu 18 kg geeignet, können auch grifflose Varianten in Kombination mit den «Tip-On»-Elementen ausgeführt werden.
Solch vielfältige, technische Raffinessen bietet der Gasdruckdämpfer «K12» von Italiana Ferramenta zwar nicht, dafür aber elegantes Design im Retro-Stil. Kombinierbar ist der Dämpfer mit einer «Push-to-open-Funktion», und der Öffnungswinkel lässt sich durch einfaches Drehen des Ringes am Sockel je nach Länge des Beschlages zwischen 5 und 11 Grad verstellen, um nebeneinanderliegende Klappen miteinander zu fluchten. In drei verschiedenen Längen verfügbar, gibt es für die verschiedenen Gewichte der Fronten eine Vielzahl an Kraftvarianten für den Dämpfer.
Ein waagrecht mit zwei Topfbändern angeschlagenes Türchen ist eine schlechte Klappe. Vor allem, wenn diese nach oben öffnet. Anders sieht es aus, wenn über eines der Topfbänder einfach der Zusatzbeschlag «Aileron» des japanischen Herstellers Sugatsune aufgeklippt wird. Passend für das Topfscharnier «Olympia», wird so aus dem Ensemble eine Klappe mit den gewohnten Funktionen.
Mit einer in der Kraft einstellbaren Hebeunterstützung ausgestattet, erfolgt auch das Schliessen sanft und geräuschlos. Die Front kann in jeder gewünschten Position gestoppt werden, und die Schliessgeschwindigkeit ist ebenfalls einstellbar.
Der Klappenbeschlag für den Huckepack auf dem Topfband nimmt wenig Platz in Anspruch und ist durch die Ergänzungsfunktion auch zeitsparend montiert, weil nebem dem Arbeitsablauf mit den normalen Topfbändern nur eine kleine Grundplatte zusätzlich mit zwei Schrauben auf der Front montiert werden muss.
Die Bedienung von Hochschränken ist für durchschnittlich gross gewachsene Menschen meist eine Herausforderung. Zumindest an den hinteren Bereich kommt man oft schlecht ran. Hier kann der «VS Top Down» von Vauth-Sagel für Abhilfe sorgen.
Der Beschlag schwenkt die Innenausstattung eines Hochschrankes mit maximaler Breite von 900 mm dem Bedienenden entgegen. Das ist neben den ergonomischen Vorteilen auch einfach bequem und übersichtlich. Das Innenleben ist aus Stahlblech und setzt sich nach einem ersten Ziehen an der Griffleiste in Bewegung. Auch das Zurückschwenken in den Korpus geht einfach vonstatten, weil in der Mechanik eine Federkraft wirkt. Das Öffnen und Schliessen läuft abgebremst und damit ruckfrei. Je nach Gewicht der Beladung kann aus drei verschiedenen Belastungseinstellungen ausgewählt werden. Dies geschieht über einen seitlich platzierten, deutlich sichtbaren Hebel und ist so durchaus dafür gedacht, öfter im Alltag benutzt zu werden. Etwa, wenn die Bestückung sich ändert oder die eingeräumten Vorräte schlicht zur Neige gehen. Dann ändert sich das Gewicht und damit auch der nötige Kraftaufwand. Das Innenleben gibt es in ein oder zwei Etagen und ist für alle Klappen und Flügeltüröffnungsarten geeignet.
In Japan herrscht chronische Platznot. Das macht erfinderisch. Der Beschlaghersteller Sugatsune liefert dafür immer wieder den Nachweis. Wenn kleine Räume mittels Trennwänden aufgeteilt werden, muss nicht unbedingt eine Tür im herkömmlichen Sinne installiert werden. Mit dem Schiebetürbeschlag «MFU», der flächenbündig schliesst, lässt sich ein Stück Wand als Tür ausbilden. Durch Stossen gegen die Tür startet die Umlenkbewegung der gebogenen Schiene, und die Tür von 30 bis 40 mm Stärke öffnet sich. Maximal 1200 mm Breite, 2700 mm Höhe und 70 kg darf das Blatt haben. Ein besonderer Griff ist nicht nötig. So lässt sich die Schiebetür fast versteckt in die Wand integrieren.
Auch mit diesem Beschlag hätte die Komikerfigur Mr. Bean wohl seine helle Freude gehabt. Weil er in der Episode im Hotelzimmer über kein eigenes Bad verfügt, macht sich dieser kurzerhand an den Durchbruch zum Nachbarn und verdeckt die wüste Aktion mit dem Duschvorhang. Mit dem «MFU» hätte Mr. Bean das Vorhaben perfekt kaschieren können.
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Veröffentlichung: 27. Mai 2021 / Ausgabe 22/2021
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