Aus einem Guss

In flächigen Funktionstreppenhäusern können flächige Geländer der Treppe eine Gestalt geben. Etwa mit zementgebundenen Spanplatten, die auch die Brandschutzanforderungen erfüllen. Bild: Eternit

Geländer.  Ein vollflächiges Geländer gibt einer Treppe eine andere Gestalt, vor allem, wenn die Konstruktion ohne sichtbare Beschläge auskommt. Das stellt hohe Anforderungen an die Treppenbauer, schafft aber auch mehr Möglichkeiten bei den Materialkombinationen.

Die zeitgemässe Architektur mit äusserlich schlichten, monolitischen Formen macht auch vor den Treppenanlagen nicht Halt. Eine solche Formensprache lässt sich mit flächigen Geländerkonstruktionen umsetzen, die ohne sichtbare Befestigungspunkte und Beschläge mit den Stufen eine Einheit bilden. Denn das Erscheinungsbild einer Treppenanlage wird entscheidend vom Geländer geprägt. «Vor einigen Jahren noch konnten es kaum genügend Beschläge, Schrauben und Hutmuttern sein, die sichtbar die Konstruktion einer Treppe unterstrichen haben», weiss Markus Gyger, Geschäftsführer der Gyger Metallbau AG in Heimberg. «Das hat sich grundlegend gewandelt. Der Trend ist derzeit eindeutig. Die Architekten planen Treppen aus einem Guss. Das bedeutet für uns Treppenbauer unsichtbare Befestigungen, keine sichtbaren Materialstösse und einen hohen Grad an Perfektion und aufwendiger Fertigung», weiss Gyger. Auch der Materialmix wird bei Treppen immer wichtiger. Die Treppe als Raumskulptur wird immer öfter in Kombinationen aus Holz, Metall, Glas, Holz- und Mineralwerkstoffen ausgeführt. Das wiederum beinhaltet auch einen höheren Koordinationsaufwand. «Wenn es schwierig und absolut exakt sein muss, dann sind wir oft mit einer heimlichen Projektleitung beauftragt», so Gyger.

Mittelpunkt Treppe

Durch die flächigen Geländerkonstruktionen wird die Treppenanlage mehr zu einem Objekt der Architektur, das für sich allein steht. «Und dann braucht es entsprechend grosse Räume», sagt der Treppenbauer Fritz Rutz von treppenbau.ch aus Bazenheid. Auch Rutz verwirklicht immer mehr Treppenanlagen als monolithische Einheit. Ab und zu über mehrere Stockwerke in hallenähnlichen Räumen, wie gerade bei einem Unternehmen in Biel. Das Treppengeländer ist nicht mehr länger ein notwendiges Detail für die Sicherheit beim Begehen, sondern prägendes Element für die Wirkung der Treppenanlage im Raum, bestätigt Rutz.

Die Vorliebe der Architekten für die schlichten Formen hat Konsequenzen für die Treppenbauer. Denn nicht immer genügen Standardbefestigungen aus dem Beschlagkatatog. Oft muss die Konstruktion mit Befestigungspunkten neu gedacht werden, weil man nichts daran sehen soll. «Diese Entwicklung widerspricht natürlich dem modularen Gedanken der kompletten Fertigung in der Werkstatt und dem anschliessenden blossen Zusammenfügen auf der Baustelle», so Gyger.

Werkstatt auf der Baustelle

«Die Planung einer Treppe aus einem Guss bringt deshalb auch die Verlagerung der Arbeit aus der Werkstatt auf die Baustelle mit sich», erklärt Markus Gyger. «Nicht selten ziehen wir damit um an den Ort des Geschehens.» So werden die flächigen Stahlwangen einer Wendeltreppe zwar in der Werkstatt gefertigt, aber vor Ort auf der Baustelle miteinander verschweisst, geschliffen und das Finish ausgeführt. Für Fritz Rutz, der überwiegend in Holz plant und fertigt, ist das eine besondere Herausforderung. «Wenn eine Treppenanlage geölt wird, kann man Befestigungspunkte durch das Einleimen von Leisten verstecken und auch Stösse vor Ort bearbeiten. Bei Lacken ist das fast nicht möglich», so Fritz Rutz.

Daneben wird auch immer öfter geklebt auf der Baustelle. Etwa bei der Faltwerktreppe von Gyger, bei der die eigentliche Treppe aus Eichenparkett auf Gehrung gefertigt ist. Das vollflächige Geländer aus Glas ist an den Stössen ebenfalls auf Gehrung geschliffen und über einen Treppenlauf aus einem Stück. Die geschossübergreifenden Glasplatten sind in die Nuten der Tritt- und Setzstufen eingeklebt. Die Lasten der 6,7 m grossen Scheiben werden jedoch nicht von den Stufen getragen, sondern in die Geschossdecken eingeleitet. «Das ist Millimeterarbeit», sagt Markus Gyger. Von der Unterkonstruktion sieht man nichts, und durch die geländerhohen Glaswangen wirkt die Treppenanlage der flächigen Ausführung leicht und transparent, trotz der nicht allzu grossen Räume.

Viele Materialien möglich

Wer vollflächige Treppengeländer plant, für den kommen eine Vielzahl an Materialien in Betracht. Während es für Glas genormte Bemessungen nach SIA gibt, sind bei Holz- oder Mineralwerkstoffen die Herstellerangaben zu beachten. So hat etwa Eternit seine dafür geeigneten Werkstoffe nicht nur auf Brandschutzeigenschaften prüfen lassen, sondern gibt auch für die unsichtbare Befestigung entsprechende Konstruktionsregeln. So können etwa ab einer Werkstoffdicke von 36 mm die Befestigungspunkte maximal 14 mm eingesenkt und dadurch verdeckt werden, ohne dass es ein Doppel braucht.

Sicherheit spricht für den Trend

Treppen mit flächigen Geländern bilden einen geschlossenen Raum zwischen den Stockwerken und sind somit sicherer als offene Geländerkonstruktionen. Gerade für kleinere Kinder können Staketengeländer mit Abständen zwischen Stufen und Geländer zu einer Falle werden. SIA 358 schreibt vor, dass Geländer und Brüstungen vor einem Beklettern gesichert sein müssen, etwa durch das Vermeiden von waagrechten Verbindungen zwischen den Pfosten und Staketen. Wird die Treppe von unbeaufsichtigten Kindern im Vorschulalter benutzt, muss ein Geländer mit Stäben so eng sein, dass eine Kugel mit 12 cm Durchmesser sich nicht hindurchstossen lässt. Mit Geländerfüllungen zwischen den Pfosten lässt sich das erreichen, dafür kommt eine Vielzahl von Materialien in Betracht.

Anspruchsvolle Architekten

So manchem Treppenbauer gefällt die Mode der flächigen Geländer nicht besonders. Doch in einem Punkt sind sich die Fachleute einig: Der Treppenbau ist durch die architektonisch-monolithischen Konstruktionen mit flächigen Geländern anspruchsvoller geworden. Und auch die Koordination, mit anderen Gewerken muss sitzen, denn nicht selten kommt ein Materialmix zum Einsatz. Damit sind die Treppenbauer weniger Holz- oder Metallbauer, sondern schlicht Treppenbauer.

www.gygertreppen.chwww.treppenbau.chwww.eternit.ch

ch

Veröffentlichung: 16. August 2012 / Ausgabe 33/2012

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