Auf die krumme Tour

Simulationsfahrt im CAD-CAM-Programm: Die roten Linien defi-nieren den Rohblock, die orangen zeigen den Fräsweg auf, der braune Bereich unten bildet die Verbindung zur Aufspannung.

Krümmlinge.  Die einstige Paradedisziplin von Maschineninstruktoren, das Fräsen von Formteilen, hat sich von der Kehlmaschine auf 5-Achs-CNC-Zentren verlagert. Doch auch mit modernster Technik ist die Herstellung anspruchsvoll und braucht viel Fachwissen.

Lange hat das Entstehen eines Treppenkrümmlings in den Maschinenkursen Lernende, angehende Maschinisten und Schrei-nermeister beeindruckt. Nur wenige Instruktoren beherrschten die Anreisstechnik, das Aussägen an der Bandsäge und das finale Profilieren auf der Kehlmaschine – und sie zeigten es gerne. Gestandene Maschinenspezialisten bekamen glänzende Augen, wenn sie das obligate «Böckli» für geschweifte Teile auf den Kehlmaschinentisch schrauben durften und sie ihre Spezialität zeigen konnten.

Wer hat schon mal?

Bereits damals haben nur wenige Holzfachleute ausserhalb der Maschinenkurse selber Krümmlinge gefräst.

Einer, der diese Arbeiten aber noch immer beherrscht und sie auch regelmässig anwendet, ist Schreiner Renato Projer in Tiefencastel. Nur fertigt er in seiner Werkstatt Krümmlinge mittlerweile nicht mehr mit Bandsäge, Suvaschutz und «Böckli», sondern auf einem 5-Achs-CNC-Zentrum unter Zuhilfenahme modernster CAD-CAM-Technologie. Pro Jahr fertigt er einige Dutzend Krümmlinge für Treppenbauer und Schreiner an. Die Herstellung solch komplexer Formen braucht viel Erfahrung und Fachwissen, die sich Projer angeeignet hat. Bevor CNC-Fräszentren in die Holzbearbeitung Einzug gehalten haben, konnte man Krümmlinge nur mit Bandsäge und Kehlmaschine herstellen oder sie aus einem Block schnitzen. «Dies ist heute dank den modernen Maschinen bedeutend leichter, zumindest aus handwerklicher Sicht. Aufwendig ist aber nach wie vor die Formfindung und die Datenaufbereitung», sagt Renato Projer. Moderne Hilfsmittel helfen, die enormen Datenmengen für die Steuerbefehle aufzubereiten.

Nie gleich alles wegfräsen

Zum Einsatz kommt bei Projer die Software «Router» von Mastercam. Damit lassen sich die ganzen Bearbeitungen automatisieren. Zuerst räumt ein Schruppfräser alles überflüssige Material bis auf eine definierte Restkontur weg.

Zur Vorbereitung braucht es lediglich die Einstellung einiger Parameter, wie die Auswahl eines Werkzeugs mit den dazugehörigen Bearbeitungswerten, die Eingabe der Rohblockkonturen und die Ausklammerung des Haltesteges. Dieser bleibt beim Fräsen unberührt und sorgt für eine feste Verbindung vom Werkstück zum Maschinentisch. «Den Verbindungssteg muss man nach der CNC-Bearbeitung von Hand entfernen. Man sollte diesen daher in eine Zone legen, an der dies einfach zu gewährleisten ist, etwa in einfach zu erreichenden Zonen», sagt Projer. Er legt diesen Steg jeweils in der Aussenkurve an, schneidet ihn nach der CNC-Bearbeitung auf der Bandsäge weg und verputzt das Ganze von Hand. Je nach Holzart genügen wenige Millimeter Materialstärke. «Es ist dabei von Vorteil, Bearbeitungen, die grossen Schnittdruck erzeugen, vor dem Schruppen zu erledigen, solange das Ganze noch stabiler ist», sagt Projer. Aus diesem Grund bringt er vor dem Schruppen immer zuerst die Verbindungsdübel zum nächsten Element an. Das ergibt am Schluss deutlich weniger Ungenauigkeiten beim Übergang.

Eingreifen nur im Notfall

Sind alle notwendigen Parameter eingestellt, kann die Software einen Probelauf simulieren. Dabei lässt sich jede einzelne Bearbeitung anhand einer Navigationslinie im Verlauf analysieren und man kann notfalls eingreifen, etwa wenn wegen der Faserrichtung des Holzes eine andere Fräsreihenfolge geeigneter erscheint. Die von der Software errechnete Bearbeitungsweise ist aber in der Regel effizienter, als die selber konzipierte. Projer empfiehlt daher, nur bei offensichtlichen Fehlern einzugreifen.

Qualität bestimmt die Fräszeit

Im zweiten Durchgang erfolgt das Schlichten. Diese Bearbeitung erfordert deutlich mehr Fräszeit. Man kann dabei die seitliche Versetzung der Fräsbahnen einstellen und so die Oberflächengüte direkt beeinflussen. «Wählt man sehr wenig Versetzung, braucht es sehr viel mehr Operationen und die Bearbeitungszeit kann sich vervielfachen», weiss Projer. Man muss also eine optimale Balance zwischen Oberflächengüte und Fräs-zeit finden.

Beeinflussbar ist die Oberflächenqualität auch durch die Aufteilung des Krümmlings in Segmente. «Bei der CNC-Technik spielt die Anzahl Werkstücke nur eine marginale Rolle», sagt Projer. Ob nun ein grosses Teil oder zwei kleinere Teile bearbeitet werden, vergrössert den Aufwand nur wenig. Er empfiehlt daher, die Formteile eher klein zu stückeln und damit die Holzfaserlage am Rohstück positiv zu beeinflussen. Je grösser die Kreissegmente und umso enger die Radien, desto mehr erscheinen die Fasern als Stirnholz. Für den manuellen Feinschliff kann man dann die Teile zum ganzen Krümmling zusammenbauen.

Ohne passende Software geht nichts

Ein wichtiges Thema beim Anfertigen von Krümmlingen ist das Konstruieren am CAD. Heutige Systeme erlauben das Zeichnen von Formteilen mit wenig Aufwand. So braucht Projer als Grundlage nur die geometrisch konstruierte Mittellachse sowie einen Profilquerschnitt. Am Computer kann er dann den Querschnitt auf der Mittelachse platzieren und mit wenigen Klicks entlang der Achse das Volumen errechnen. Anschliessend teilt er die zu bearbeitenden Bereiche in Einzelteile auf, ergänzt die Stossflächen mit Verbindungsdübel, und errechnet die Kontur des Rohblocks. Zusätzlich definiert er den Haltesteg und weist Werkzeuge zu. Dann erzeugt der Postprozessor automatisch das komplette Bearbeitungsprogramm.

Schwierige Massaufnahme

Beim Aufteilen der Segmente rät der Fachmann, immer auch eine kurze gerade Strecke am Ende der Formteile mitzufräsen, also den Übergang erst auf der Geraden zu platzieren. Damit eliminiere man unschöne Übergänge, etwa durch falsche Gehrungen, die zu Zeiten der manuellen Fertigung von Krümmlingen kaum zu vermeiden gewesen seien.

«Kann man eine CAD-Zeichnung übernehmen, ist die Aufgabe relativ einfach», weiss Projer. Schwieriger sei aber die Massaufnahme vor Ort bei bestehenden Treppen und das anschliessende Konstruieren am CAD. Dazu verwendet Renato Projer ein 3-D-Messgerät auf einem Stativ. Mittels Messstift und Kabel erfasst er möglichst viele Einzelpunkte. Das Gerät kann aufgrund der Kabelneigung, -richtung und Distanz zu Messstellen eine dreidimensionale Punktwolke errechnen. Diese lässt sich im CAD zu einer Polylinie verbinden. Das anschliessende Setzen des Querschnitts auf der Linie und das Erzeugen des Volumens sei dagegen wieder relativ einfach. Doch es braucht Fingerspitzengefühl, um Differenzen an der Unterkonstruktion auszugleichen.

Immer öfter hat es Projer mit Metallgeländern zu tun, die mit einem Handlaufprofil aus Kunststoff ausgeführt wurden. «Diese Profile aus PVC durch einen Handlauf aus Holz zu ersetzen, ist schwierig, denn die Schlossereien haben damals viel Anpassarbeiten auf der Baustelle erledigt und am Schluss das Ganze durch das Kunststoffprofil verdeckt», weiss Projer. Entsprechend gross sei der Anpassbedarf beim Sanieren dieser Metallgeländer.

www.moebel-treppen.ch

wi

Veröffentlichung: 16. August 2012 / Ausgabe 33/2012

Artikel zum Thema

25. April 2025

Die Berufslehre soll attraktiv bleiben

In Deutschland und Österreich beginnen immer weniger Jugendliche eine Berufsausbildung. Deren Regierungen wollen deswegen eingreifen. In der Schweiz sieht es hingegen aktuell noch besser aus.

mehr
24. April 2025

Ein Böögg für das eigene Sechseläuten

Wer Zuhause einen Böögg wie die Zürcherinnen und Zürcher verbrennen möchte, um den Winter zu vertreiben, kann sich eine kleine Version der Stiftung RgZ bestellen. 

mehr

weitere Artikel zum Thema:

News