Atmungsaktiv statt dicht

Auch nach mehreren Jahren normalen Gebrauchs kann eine gepflegte Öloberfläche schön aussehen. Bild: Andreas Brinkmann

Möbelöl.  Die Oberflächenbehandlung von Tischen muss hohe Erwartungen erfüllen. Nicht nur optisch und haptisch, sondern auch in Bezug auf die Beständigkeit. Selbst in diesem Bereich müssen moderne Ölsysteme den Vergleich mit Lacken nicht scheuen.

«Ein Kunde, der bereit ist, seinen geölten Tisch regelmässig zu pflegen, wird über sehr lange Zeit ausserordentliche Freude an diesem Möbel haben», sagt Martin Gautschi. Er ist Geschäftsführer der Firma Gamar GmbH in Oberbipp. «Wer hingegen lieber nichts tun möchte, sollte unbedingt eine lackierte Oberfläche wählen. Sie wird schön sein, bis sie die ersten Verletzungen erleidet.» So bringt der Importeur von Naturhaus Farben den Unterschied von geölten und lackierten Oberflächen auf den Punkt.

Lacke sind schichtbildend und ergeben dadurch ein geschlossenes Oberflächenbild. Das Holz wirkt leicht zugeschwemmt und auch etwas kälter. Im Gegensatz dazu erlauben Öle ein einstellbar offenporiges Bild, die Flächen fühlen sich wärmer an.

Zunehmende Entsorgungsprobleme lassen den Ruf nach mehr Nachhaltigkeit und naturnahen Produkten lauter werden. Diese Anforderungen können Öle gut erfüllen. Durch die gestiegene Nachfrage haben die Hersteller mittlerweile neue, natürliche Produkte entwickelt. Sie müssen sich auch in Bezug auf ihre Leistung nicht mehr vor den Lacken verstecken.

Leistungsunterschiede

Aktuelle Lacke sind dicht und verhindern selbst bei stehenden Flüssigkeiten deren Eindringen in das Holz. Moderne Öle sind dagegen atmungsaktiv und können das Eindringen von Feuchtigkeit – ebenso von alkoholischen Produkten – stark verzögern, jedoch nicht verhindern. Stehende Flüssigkeiten, wie sie zum Beispiel unter Vasen vorkommen, dringen ein und bilden Flecken. «Verschüttetes kann ohne Eile einfach abgewischt werden, ohne dass es Rückstände gibt», erklärt Daniel Ritter von der Thymos AG in Lenzburg. Sein Unternehmen vertreibt Produkte von Biofa.

Geölte Tischflächen müssen zwei bis vier Mal jährlich mit einem Pflegeöl behandelt werden, sind dafür sehr einfach reparierbar. Die Reparatur einer Lackfläche gestaltet sich da schon viel aufwendiger. Ein gutes natürliches Möbelöl enthält praktisch keine synthetischen Bestandteile. Trotzdem kann eine einzige, sauber ausgeführte Behandlung mit einem modernen Fullsolid-Öl hochwertigen Esstischen mit Echtholzoberfläche genügend Schutz bieten.

Viele Schreiner haben jedoch noch wenig Erfahrung mit Ölen und oftmals fehlt ihnen auch die Zeit, sich intensiv mit dieser Materie auseinanderzusetzen. Deshalb haben manche ein ungutes Gefühl, wenn sie den erwähnten Tisch geölt ausführen sollen. Wer selber schon Qualitätsbedenken hat, wirkt vor dem Kunden nicht überzeugend. Was ist, wenn es nach einer Woche schon Flecken gibt? Nachfolgende Erläuterungen sollen Grundlegendes erklären.

Vorbereitung

Je nach gewünschtem Effekt muss die Holzoberfläche mit Körnung 180 bis maximal 240 geschliffen werden. Verwendet man gröbere Körnungen, kann das Holz aufgrund der grösseren Oberfläche nach dem Ölen fleckig wirken. Bei allzu feinen Flächen kann die Saugwirkung ungenügend sein. Wie immer wirkt jede Holzart etwas anders. Es empfielt sich, auf die Angaben der Ölhersteller zu achten. Die Produkte brauchen einen saugfähigen Untergrund, deshalb muss das Holz grundsätzlich sauber, staubfrei und trocken sein.

Fullsolid-Öle

Weil Fullsolid-Öle keine Lösemittel enthalten, ziehen sie ins Holz ein, durchdringen die Fasern und schützen somit direkt von innen. Die Aushärtung geschieht oxidativ, durch Zusammentreffen mit Sauerstoff. Man kann solche Produkte auch in nicht ganz staubfreier Umgebung verarbeiten.

Fullsolid-Öl sollte mit einer Farbwalze der Ausführung Royal kreuzweise satt aufgetragen werden. Das darf und soll richtig nass passieren, damit die Fasern und Poren Material aufsaugen können. Die Überschüsse muss man anschliessend mit einem Gummischaber abgeziehen. Mit einem Schleifpad ab Körnung 320 wird das Öl anschliessend einmassiert. Nach allerspätestens 60 Minuten muss man die Flächen mit weissen Baumwolltüchern oder einem weissen Pad ohne Schleifwirkung trocken polieren. Je nach Wachsanteil des verwendeten Produktes bestimmt das Polieren den Porenverschluss und den Glanz.

Eigentlich ist die Fläche somit fertig. Sollte sie aber in einer stark saugenden Holzzone zu stark absacken, kann ein zweites Mal Öl aufgetragen werden, allerdings ganz sparsam. Auch da ist es wichtig, anschliessend die Fläche absolut trockenzureiben. Ganz wichtig ist bei dieser Vorgehensweise, dass vor dem zweiten Auftrag eine Trocknungszeit von mindestens acht Stunden eingehalten wird. Besser ist es noch, erst am nächsten Tag weiterzufahren. Ein Beschleunigen ist nicht möglich. Bei einer zu kurzen Wartezeit härtet das Material erst gar nicht richtig aus. Fullsolid-Öle kann man für hoch beanspruchte Flächen auch als Grundierung verwenden.

Hart-Öle

Diese Öle haben einen Lösemittelanteil von bis zu 50%, sind schichtbildend und funktionieren im Grunde wie ein Lack: Nach dem Auftragen entsteht durch Verdunsten des Lösemittels über den Holzfasern ein Film. Hartöle dringen nur minimal ins Holz ein und sind in der Verarbeitung staubempfindlich. Da sie schichtbildend sind, weisen sie die beste Fleckenresistenz auf. Allerdings sacken sie bei alleiniger Verwendung, je nach Festkörperanteil und Saugfähigkeit des Holzes, sehr stark ein. Sie werden daher oftmals als Deckschicht verwendet. Je geringer der Lösemittelanteil ist, desto besser eignen sie sich zum Grundieren.

Auch Hartöle werden mit einer Farbwalze der Ausführung Royal kreuzweise aufge-tragen und in Holzfaserrichtung ausgerollt. Nach dem Trocknen kann man die Flächen zwischenschleifen, und nach einer Wartezeit von mindestens acht Stunden lässt sich der Auftrag wiederholen. Wie bei Lacken be-stimmt die Feinheit des Zwischenschliffes die Glätte der fertigen Fläche.

Finish-Öle (Wachsöle)

Besserer Porenverschluss, dadurch eine höhere Fleckenbeständigkeit und mehr Glanz zeichnet die Finish-Öle aus. Sie weisen einen höheren Wachsanteil bis zu rund 12% auf.

Werden bei späterem Gebrauch beide Schichten einer solchen Oberfläche verletzt, muss man zuerst mit einem Hartöl die Fläche anlösen und den vorhandenen Wachs entfernen. Denn auf Wachs kann sich kein Öl mehr verankern.

Zusatzstoffe

Die Grundeigenschaften von Ölen lassen sich durch Zusatzstoffe gezielt verbessern:

  • Harze sorgen für eine höhere Härte, was sich positiv auf die Abriebeigenschaften auswirkt.
  • Wachse füllen die Poren besser auf, verhindern dadurch Flecken, bewirken eine gute Griffigkeit und den gewünschten Glanz.

Gut poliert, kann ein grosser Wachsanteil etwas geschlossenere, glänzende Oberflächen ergeben. Normale Öle haben einen Wachsanteil von 1 bis 5% und sind somit auch problemlos reparierbar, da sich eine neue Ölschicht gut auf der bestehenden ver-ankern kann.

Gut zu wissen

«In einem zeitgemässen, effizient arbeitenden Betrieb, sollen moderne Öle gespritzt werden», sagt Martin Gautschi. Das ist mit den heutigen Produkten auch möglich. Um die notwendigen 20 bis 30 g/m2 optimal auf die Fläche zu bringen, benötigt es eine Düsenöffnung von 2,2 bis 2,5 mm. Die Zerstäuberluft ist zu reduzieren und vor der Absaugwand empfehlen sich Labyrinthkartonfilter. Das Einpolieren erfolgt wie weiter oben beschrieben.

Öle sind nicht absolut transparent, sondern haben eine Eigenfarbe. Das in den meisten Produkten enthaltene Leinöl wirkt zum Beispiel gelblich. Es gibt Leinöl in verschiedenen Helligkeitsgraden. Mit der entsprechenden Auswahl können dunkle Hölzer noch stärker angefeuert werden. Oder bei hellen Hölzern lässt es sich vermeiden, dass sie einfach gelb und dunkel werden. Es gibt auch Öle, die kein Leinöl beinhalten und dadurch farbloser sind. Ein Effekt wie mit einem Aufhelllack ist bisher aber nicht möglich. Sollen helle Hölzer möglichst hell bleiben, müssen auch hier Weisspigmente beigefügt werden, was dann die Reparierfähigkeit negativ beeinflusst. Auch ein Egalisieren von wimmrigen Oberflächen ist daher nicht möglich.

Wichtig für den Kunden

Eine frisch geölte Fläche muss richtig durch-härten können. Dann ist sie widerstands- fähig und wird, je nach Pflege, dem Kunden lange Freude bereiten. Dieses Durchhärten dauert je nach Produkt zwei bis drei Wochen, was strikte einzuhalten ist. Die wenigsten Schreiner wollen und können jedoch einen Tisch drei Wochen lang lagern. Deshalb muss der Kunde während der ersten Wochen Tischtücher verwenden und darauf achten, dass keine Feuchtigkeit auf die Holzoberfläche gelangen kann.

Nach dieser Zeit ist der Umgang für den Kunden aber problemlos. Flüssiges soll nicht liegenbleiben. Zwei bis vier Mal im Jahr soll die Tischfläche – mit einem sauberen Tuch und wenig Pflegeöl vom gleichen Hersteller – nachbehandelt werden. Man darf keine alkalischen Reiniger verwenden, sondern nur PH-neutrale Reinigungsmittel. Auf keinen Fall dürfen Microfasertücher zum Reinigen eingesetzt werden. Sie verursachen zu grossen Abrieb. Meist genügt ein feuchtes Tuch mit warmem Wasser.

Im Gegensatz zu lackierten Möbeln können Fachpersonen Schäden an geölten Oberflächen ohne grossen Aufwand beheben.

www.gamar-gmbh.chwww.thymos.ch

Begriffe

Natürlich

Was nicht chemisch verändert wurde und einen geschlossenen Kreislauf bildet, gilt als natürlich. Das heisst, die Stoffe als solche sind noch in ihrer eigentlichen Form vorhanden und könnten reaktiviert werden.

Ökologisch

Nachhaltige Produkte, die sich durch grösstmögliche Verträglichkeit mit der biologischen Umwelt auszeichnen, bezeichnet man als ökologisch.

Biologisch

Der Ausdruck biologisch bezieht sich auf naturschonende Produktionsmethoden, sowohl bei der Pflege als auch beim Wachstum von genutzten pflanzlichen und tierischen Stoffen. Der Begriff biologisch ist im Zusammenhang mit natürlichen Ölen eigentlich falsch, weil nicht durchführbar. Er wird aber trotzdem oft benutzt.

AB

Veröffentlichung: 29. November 2013 / Ausgabe 48/2013

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