«Altholz unterliegt keiner Norm»

Eine gehackte Oberfläche bringt den urtümlichen Charakter dieser Fichte noch besser zum Vorschein.

Interview.  André Schmutz arbeitet seit über 30 Jahren mit Massivholz. Im Gespräch mit der SchreinerZeitung spricht er über den Handel mit Altholz. Der bei Gebäuderückbauten anfallende Werkstoff nimmt einen etwas anderen Weg zum Kunden als gewöhnliches Massivholz.

SchreinerZeitung: Herr Schmutz, wird Altholz wie anderes Massivholz nach den Holzhandelsgebräuchen gehandelt?
André Schmutz: Nein, da müssen wir aufpassen. Altholz ist eigentlich nirgends in Holzhandelsgebräuchen geregelt. Es gilt schon etwas als Sonderfall. Altholzverarbeiter sind für mich deshalb auch keine Schreiner, sondern Handwerkskünstler. Die Holzauswahl ist beim Altholz ganz entscheidend. Was für den einen wie Abfall aussieht, ist für den Altholzspezialisten hochwertiges Holz, weil er weiss, welches Stück er wo einsetzen kann.
Wie sieht denn das Altholzsortiment Ihrer Handelsfirma aus?
Wir handeln mit allem. Einerseits ist da der rohe Altholzbalken. Dann gibt es massive Altholzbretter, die man gerne für Innenverkleidungen einsetzt. Auch Schalungen mit Nut und Kamm sind bei uns erhältlich. Schliesslich gibt es Dreischichtplatten in Altholz, die der Schreiner einsetzen kann. Auch Fensterkanteln und Furnier bieten wir in dieser rustikalen Erscheinungsform an.
Recyclingprodukte sind in der Verordnung über die Holzdeklaration ausgenommen. Spielt die Herkunft beim Altholz vielleicht aus vermarktungstechnischer Sicht eine Rolle?
Wir deklarieren Altholz, weil es für uns recht einfach zu deklarieren ist. Unser Sortiment beinhaltet Holzarten wie Fichte, Tanne, wenig Kiefer, Lärche und Eiche, meistens aus Österreich. Die Österreicher sind führend. Spezialisierte Firmen stellen dort bei Rückbauten das Holz sicher, nageln aus und paketieren nach Qualitätskriterien. Unsere Einkäufer entscheiden jeweils vor Ort, ob das Holz den Ansprüchen genügt oder nicht. Manchmal kaufen wir in der Schweiz ein, ab und zu auch in Deutschland. In der Schweiz ist es nicht einfach, da ist recht schnell der Hacker auf dem Platz.
Vielleicht, weil die Weiterverwendung von Altholz in der Schweiz noch gar nicht richtig geregelt ist?
Das Gesetz ist nur ein Grund dafür, dass es noch nicht klappt, Schweizer Altholz wieder zu verbauen. Der Hauptgrund sind die hohen Kosten, die ein Gebäudeabbruch hierzulande verursacht. Da ist es einfacher, das Holz zu schreddern und in Form von Hackschnitzeln der thermischen Verwertung zuzuführen. Altholz sicherzustellen ist Handarbeit, man muss Brett für Brett sauber demontieren. Das Holz darf nicht beschädigt werden, weil Beschädigungen den Materialwert mindern.
In welcher Qualität erhält der Altholzspezialist bei Ihnen sein Holz?
Wir liefern den Verarbeitern ausschliesslich ausgenageltes Holz. Ob sämtliches Metall entfernt wurde, prüfen die meisten der Rückbauunternehmen mit einem Metalldetektor. Einige der Verarbeiter waschen das Holz anschliessend in ihrem Betrieb mit dem Hochdruckreiniger. Das nachträgliche Trocknen ist genauso wichtig, damit tierische Holzschädlinge keinen Schaden anrichten und man Restrisiken beseitigen kann.
Der Verarbeiter muss sein eingekauftes Altholz also tatsächlich noch waschen und trocknen, um sichergehen zu können, dass es keine schädlichen Substanzen mehr enthält?
Ja, natürlich. Der Prozess betrifft massive Balken und Bretter. Dreischichtplatten und Schalungen sind bereits fixfertig. Der Prozess gestaltet sich mit Altholz ganz anders als mit normalem Massivholz.
Bürgt denn niemand dafür, dass Altholz auch wirklich rein ist?
Nein. Wir sprechen hier vom Naturprodukt Holz. Da sind keine problematischen Stoffe enthalten. Es geht um Holz, das qualitativ noch in Ordnung ist. Dieses wird nach den gleichen Kriterien gehandelt wie neues Holz. Auch bezüglich der Zolltarife läuft das Material unter Holz. Man darf das nicht verwechseln mit Abfällen, die auf der Baustelle liegen bleiben. Was wir einführen, ist hochwertige Ware, die wieder als Baustoff eingesetzt werden darf.
Der individuelle Charakter von Altholz bedeutet ja auch, dass man das Aussehen von Oberflächen schlecht kommunizieren kann. Wie gehen Sie damit um?
Die Oberflächenbilder in den Verkaufsbroschüren dienen als Richtwert. Wir reden immer von original Altholz. Dabei sind die Strukturen schon fast gegeben: Die original handgehackte Oberfläche wurde mit dem Beil von Hand geschlagen. Eine weitere Oberfläche ist original handgehobelt. Es ist wichtig, originale Oberflächen von Imitaten zu unterscheiden.
Kann man die Oberflächen noch weiter auseinanderhalten?
Bei uns gibt es die Oberflächen «sonnenverbrannt braun» und «sonnenverbrannt grau». Braun sind ganz klar Bretter, welche an der Südseite gelegen haben. Vergrautes Holz stammt von nord- oder westseitigen Häuserfassaden. Das heisst für unsere Zulieferer, dass sie das Holz bereits auf der Baustelle nach unseren Kriterien sortieren. Sämtliches Altholz kaufen wir vor Ort ein. Nicht alle Altholzprodukte erfüllen die Anforderungen in der Schweiz.
Wie geschieht die Weiterverarbeitung?
Altholzoberflächen werden höchstens noch durch feines Bürsten weiterverarbeitet. Lacke kommen kaum zum Einsatz, in seltenen Fällen benutzt man Öle.
Sind unbehandelte, strukturierte Oberflächen nicht recht schwierig im Unterhalt?
Erneut verbautes Altholz wird von Zeit zu Zeit lediglich ein wenig abgesaugt oder abgebürstet. Ansonsten sind die Oberflächen sehr pflegeleicht. Am alten Einbauort war das Holz ja mit einer ähnlichen Oberfläche meist über Hunderte von Jahren im Einsatz. Solche edle Oberflächen werden nicht nachbehandelt, so dass der ihnen eigene Charakter zum Zug kommt.
Ihre Konkurrenz wirbt mit einem Mindestalter von 100 Jahren für sämtliches angebotenes Altholz. Wie definieren Sie Altholz?
Aus unserer Sicht bringt es nichts, hier ein Mindestalter anzugeben. Es gibt manchmal junge Objekte, welche abgebrochen werden und das Holz weist bereits eine wunderschöne Färbung auf. Nehmen wir ein Bauernhaus, das 1960 errichtet worden ist. Wenn man hier die Süd- und Westfassade anschaut, so zeichnet sich das Holz bereits nach 20 oder 30 Jahren durch eine sonnenverbrannte Optik aus und gilt für unsere Begriffe als Altholz. Auf der anderen Seite handeln wir auch 300-jährige Balken, die an geschützter Stelle altern konnten. Eine klare Definition von Altholz gibt es bei der Hiag Handels AG nicht. Für uns ist nicht das Alter entscheidend, sondern der Charakter des Holzes.
Wer definiert denn die Standards, wenn sie nicht einheitlich geregelt sind?
Unsere Kunden definieren die Qualität. Das sind alles erfahrene Betriebe, die bereits seit Jahren mit Altholz arbeiten. Sie wissen genau, was sie wollen. Ein Qualitätskriterium ist die originale Oberfläche. Oft ist diese in gehacktem Zustand erwünscht. Bei Balken ist darauf zu achten, dass sie im Querschnitt eckig sind. Runde Balken sind nicht beliebt. Auch Verletzungen an der Originaloberfläche sind qualitätsmindernd. Die Wünsche können sich jedoch von Kunde zu Kunde oder von Architekt zu Architekt unterscheiden. Es gibt in diesem Bereich keine Norm. Die Handwerker sind absolute Individualisten, jedes Objekt hat seine Anforderung, welche stets aus anderen Überlegungen hervorgeht.
Wie und wo wählt der Verarbeiter sein Altholz aus?

Es kann sein, dass Schreiner, Architekten oder Bauherren das Holz bei uns besichtigen kommen. Meistens aber geschieht die Holzauswahl beim Verarbeiter. Er kann bereits Beispiele zeigen, wie das Holz eingesetzt werden könnte.

Wo wird Altholz denn vorwiegend eingesetzt?
Regional zählt klar das Berner Oberland als Hochburg für Altholz, vornehmlich Gstaad. Aber ebenso das Unter- und Oberwallis sowie das Bündnerland sind grosse Abnehmer von solchen Produkten. Vermehrt entdecken andere Gebiete das Material. Da kann es schon vorkommen, dass eine ganz moderne, eher sterile Architektur mit dem Charme dieses Werkstoffs ergänzt und optisch aufgewertet wird.

Zur Person

Massivholz als Passion

André Schmutz ist gelernter Schreiner mit einer kaufmännischen Weiterbildung und einer Zusatzausbildung in Management und Betriebswirtschaft. Er leitet bei der Hiag Handels AG seit 14 Jahren das Leistungszentrum Holz (seit 2008 in Sugiez FR) und ist dort national verantwortlich für Fensterkanteln, Furnier, Altholz und Massivholz.

www.hiag.ch

MW

Veröffentlichung: 18. Juli 2013 / Ausgabe 29-30/2013

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