Alte Oberflächen aufs Korn nehmen


Schutzhelm und Strahlschlauch, wie sie beim mobilen Sandstrahlen zum Einsatz kommen. Bild: Sven Bürki
Schutzhelm und Strahlschlauch, wie sie beim mobilen Sandstrahlen zum Einsatz kommen. Bild: Sven Bürki
Sandstrahlen. Für viele Schreinerinnen und Schreiner gehört das Schleifen und Bürsten wohl nicht zu den liebsten Arbeiten. Eine Alternative kann das Sandstrahlen sein. Wer nun aber denkt, mit etwas Druckluft und Sand sei das Thema erklärt, liegt falsch.
Eine Düse, die sich über ein verwittertes, lackiertes oder verrostetes Werkstück bewegt und die Oberfläche anscheinend wie von Zauberhand fast wie neu zurücklässt; Sandstrahlen kann ziemlich faszinierend sein, und gerade in Videos sieht es oftmals sehr einfach und mühelos aus. Zumal auch der Begriff «Sandstrahlen» den Vorgang ziemlich einfach beschreibt und keine Zauberei vermuten lässt. Die Bezeichnung ist aber eigentlich schon seit geraumer Zeit nicht mehr wirklich passend, da seit rund einem Jahrhundert nicht mehr nur Sand als Strahlmittel Verwendung findet. Inzwischen wird mit einer breiten Palette an Materialien gestrahlt, und man spricht daher von «Strahltechnik». Dennoch hält sich der Begriff «Sandstrahlen» im allgemeinen Sprachgebrauch noch hartnäckig. Tatsächlich kommt der ursprünglich verwendete Quarzsand heutzutage kaum mehr zum Einsatz oder ist gar verboten. Der beim Strahlen entstehende Quarzsand war nämlich in vielen Fällen Ursache der Lungenkrankheit Silikose, auch Quarzstaublunge genannt. Alternativ wird heute beispielsweise Granatsand oder auch Korund als Strahlmittel eingesetzt.
Die Strahltechnik wird in verschiedenen Branchen und für die unterschiedlichsten Materialoberflächen genutzt. Am bekanntesten ist wohl die Verwendung in der Automobilindustrie für das Entlacken und Entrosten von Karrosserie- oder Fahrgestellteilen. Die Strahltechnik kommt aber auch in ganz anderen Umgebungen zum Einsatz. So wird zum Beispiel auch in den Zahnarztpraxen gestrahlt. Mit der sogenannten Pulverstrahltechnik werden bei der Zahnreinigung harte Verfärbungen und mikrobielle, weiche Zahnbeläge schonend mit einem Gemisch aus Natriumhydrogencarbonat (auch als Natron oder Backpulver bekannt), Luft und Wasser entfernt. Die Zahnoberfläche wird dabei nicht verletzt, da die einzelnen Partikel weicher sind als der Zahnschmelz.
Dass ein falsches Strahlmittel in der Mundhöhle und auf den Zähnen grossen Schaden anrichten kann, liegt auf der Hand. Aber auch auf jeder anderen Oberfläche ist das richtige Strahlgut für ein sauberes Ergebnis absolut entscheidend, und eine falsche Wahl kann die Oberfläche irreparabel zerstören. Ein universelles Strahlgut gibt es nicht, und bei rund 200 möglichen Materialien kann man schnell mal den Überblick verlieren. Grob lassen sich die Strahlmittel aber in vier Gruppen unterteilen:
Metallische Strahlmittel eignen sich zum Entsanden, Entzundern, Reinigen oder für die Oberflächenveredelung von Gussteilen aus Stahl oder Edelstahl. Sie können aber auch für Bauteile aus nichtmetallischen Werkstoffen verwendet werden.
Mineralische Strahlmittel haben in der Regel eine vieleckige Form mit scharfen Kanten. Es gibt aber auch runde Keramik- und Glasperlen. Diese werden oftmals auch auf Holz eingesetzt, da sie nicht in der Oberfläche stecken bleiben können.
Synthetische Strahlmittel wie Normalkorund oder Edelkorund zeichnen sich durch ihre hohe Härte aus, weshalb mit ihnen effektiv Verunreinigungen, Lacke und Rost entfernt werden können. Die Korund-Körner sind scharfkantig und können mehrmals eingesetzt werden.
Vegetabile Strahlmittel werden aus pflanzlichen Abfallstoffen hergestellt. Am häufigsten wird ein Granulat aus Nussschalen eingesetzt, aber auch Reisschalen, gemahlene Maiskolben, gebrochene Aprikosenkerne und Sägemehlabfälle von Hartholz können verwendet werden. Im Vergleich zu den anderen sind diese Strahlmittel wesentlich weicher und kommen deshalb häufig bei heiklen Oberflächen zum Einsatz.
Einen Einfluss auf das Ergebnis hat auch die Korngrösse des verwendeten Strahlguts. Grössere Körner übertragen eine höhere kinetische Energie und sind beispielsweise gut geeignet, um dicke Schichten aufzubrechen. Mit einer hohen Anzahl kleinerer Körner erzielt man hingegen meist eine schnellere und gleichmässigere Reinigung. «Genauso wichtig wie das passende Strahlmittel ist aber auch die richtige Kombination aus Luftdruck und Luftmenge», sagt Sasha Zaric, Geschäftsführer der Sandstrahlen Plus GmbH in Oberriet SG. Bei jedem Untergrund müsse diese Kombination individuell abgestimmt werden. Ist der Untergrund beschichtet, brauche es nochmals andere Einstellungen. «Erfahrung ist beim Sandstrahlen alles, deshalb vermieten wir unsere mobilen Geräte seit rund zwei Jahren nur noch an Fachpersonen mit Erfahrung in der Anwendung», sagt Zaric. «Zuvor hatten wir oft beschädigte Geräte, oder es kam durch eine kurze Unaufmerksamkeit zu einem irreparablen Schaden am Möbel oder Gegenstand.» Da beim Sandstrahlen mit hohem Luftdruck gearbeitet wird, besteht auch ein wesentliches Verletzungsrisiko. Verharrt man mit der Düse auf einer Stelle, kann auch ohne Weiteres Metall durchtrennt werden.
Der Schutzanzug, der beim Strahlen getragen wird, schützt in erster Linie vor dem Staub und bewahrt nicht vor einer Strahlwunde. «Das Sandstrahlen ist laut, staubig, und man spürt permanent die Luftbewegungen. Verletzungen realisiert man oftmals erst im Nachhinein», sagt Zaric. Er empfehle Personen ohne jegliche Erfahrung deshalb immer, die Arbeit von einer Fachperson ausführen zu lassen, möchte man ein professionelles Ergebnis.
«Im Hobbybereich und für kleinere Projekte kann man schon mal einen Versuch wagen, wenn man gewillt ist, sich intensiv mit der Thematik zu befassen und Lehrgeld zu zahlen», sagt Zaric.
Im Holzbereich bietet sich das Strahlen überall da an, wo eine Oberfläche aufgefrischt, gereinigt oder für einen Neuanstrich vorbereitet werden soll. Schnell und sauber lassen sich auch Werkstücke und Stellen bearbeiten, die mit Schleifpapier oder Bürste nur schwer oder gar nicht zugänglich sind. Allerdings entsteht beim Sandstrahlen in jedem Fall eine gewisse Struktur. «Besonders bei weichen Hölzern mit Acrylbeschichtung ist es nicht möglich, ein glattes Oberflächenbild zu erhalten, da die Beschichtung sehr zäh und der Untergrund weich ist», sagt Miro Gräfe, Bereichsleiter Strahltechnik bei der Menz AG in Luterbach SO. Bei harten Holzarten kann eine glattere Oberfläche erreicht werden, auch wenn diese nicht mit einer geschliffenen Fläche vergleichbar ist.
Bei Holzoberflächen kommt oft auch die Feinstrahltechnik oder das Trockeneisstrahlen zum Einsatz. Während beim Feinstrahlen mit geringerem Luftdruck und sehr feinem Strahlgut gearbeitet wird, dienen beim Trockeneisstrahlen rund minus 80 Grad kalte CO-Pellets als Strahlgut. Im Schreinerzeitung-Artikel «Kleine Teilchen mit grosser Wirkung» gibt es weitere Informationen zu den beiden Techniken.
Vor der Frage, ob Bürsten oder Strahlen, stand kürzlich Niklas Blaser aus Gündelhart TG. Der Schreiner hat im vergangenen Jahr in Eigenregie ein altes Bauernhaus umgebaut und wollte im Zuge dessen die alten Deckenbalken auffrischen. «Ich habe das schon mal auf einer anderen Baustelle mit der Bürstmaschine gemacht und wollte mir das nicht mehr antun», sagt Blaser. Zuerst habe er ein Gerät mieten und die Balken mit Trockeneis selbst strahlen wollen. Da das Holz aber teilweise behandelt war, wäre das Trockeneis nicht das geeignete Strahlmittel gewesen.
Nach einer Beratung mit einem Sandstrahl-Unternehmen habe er sich dann dazu entschieden, die Arbeit machen zu lassen. «Das kostete zwar mehr, als ich ursprünglich dafür eingeplant habe, dafür hatte ich die Garantie, dass das Ergebnis auch gut kommt», sagt Blaser. Um das Budget dennoch etwas zu schonen, hatte der Schreiner alle Abdeckarbeiten selbst ausgeführt. Das Strahlen der rund 20 Balken mit Glasgranulat habe dann etwa vier Stunden gedauert. Mit dem Resultat ist Blaser sehr zufrieden. «Ich konnte mir so einige mühselige Stunden ersparen.»
Ist die letzte Verunreinigung entfernt oder die Beschichtung bis in die kleinste Ecke weggestrahlt, ist die Arbeit in der Regel noch nicht getan. Denn das benutzte Strahlgut und die abgetragenen Staubpartikel müssen fachgerecht entsorgt werden. Besonders im Aussenbereich ist dies ein wichtiges Thema. «Hier sind die Holzoberflächen häufig mit Holzschutzmitteln behandelt, die Bleichschutzmittel, Fungizide, Herbizide oder Insektizide enthalten können», sagt Miro Gräfe.
Für eine korrekte Entsorgung müsste eigentlich mit einer Laborprobe nachgewiesen werden, welche Stoffe enthalten sind. Leider werde dies in vielen Fällen nicht gemacht, wie Gräfe sagt. Doch die Thematik beginnt schon viel früher, denn die Giftstoffe werden auch beim Strahlen freigesetzt und gelangen so in die Luft und die Umwelt. «Laut der Luftreinhalte-Verordnung ist dies zwingend zu verhindern. Deshalb sollte bei Fassadenarbeiten der gesamte Arbeitsbereich mit Plastikfolie eingepackt werden», sagt Gräfe. Mit einer mobilen Entstaubungsanlage kann dann Unterdruck erzeugt und die Luft kontinuierlich abgesaugt werden, damit die Partikel nicht in die Luft gelangen können.
Wird im Innenbereich gestrahlt, ist die Entsorgung meist weniger problematisch, da die Beschichtungen in der Regel gesundheitsverträglicher sind. Dennoch werde im Optimalfall auch hier mit einer mobilen Absauganlage gearbeitet, wie Gräfe sagt. Die gesamte Luft im Raum könne so in Bewegung gebracht und die Staubbelastung somit stark reduziert werden.
Für Möbel und kleinere Gegenstände bietet sich generell das Strahlen in einer stationären Strahlkabine an, wie sie bei den meisten spezialisierten Unternehmen zur Anwendung kommt. «Hier kann der Staub und das gebrauchte Strahlmittel über Bodengitter abgesaugt und abtransportiert werden. So kann auch schnell zwischen verschiedenen Strahlmitteln gewechselt werden», sagt Sasha Zaric.
Veröffentlichung: 06. Juni 2024 / Ausgabe 23/2024
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