Alte neue Handwerkskunst

Beizen.  Die alten Beizküchen mit streng gehüteten Rezepten sind modernen Systemen gewichen, die schneller und einfacher zu verarbeiten sind. Dennoch braucht es einiges an Wissen und Können für eine wertsteigernde, gute Oberflächenarbeit.

Eine echte Holzoberfläche ist an sich schon ein Unikat, da es dieses Bild in Struktur und Farbe nur ein einziges Mal gibt. Gute Bilder sind somit eine Visitenkarte des ausführenden Schreiners. Diese Einzigartigkeit kann bezüglich der Farbe aber auch Nachteile haben, wenn beispielweise verschiedene Flächen aufeinander abgestimmt werden sollen. Farbunterschiede kommen schliesslich auch schon im gleichen Stamm vor. Zudem müssen oft neu gefertigte Ergänzungen an Bestehendes angepasst werden.

Die alte Kunst braucht viel Erfahrung

Beizen ist die Möglichkeit, passende Übergänge und gewünschte Wirkungen zu erreichen. Es ist die Kunst, Holz in seiner Wirkung zu steigern und an Vorgaben farblich anzupassen. Etwas, das früher sehr viel Erfahrung und Können gebraucht hat. Ursprünglich wurden neben Farbstoffen auch chemische Stoffe verwendet, die mit vorhandenen Inhaltsstoffen des verwendeten Holzes eine Reaktion erzeugten und somit den Farbton mit beeinflussten.

Oder es wurden durch das Vorbeizen Stoffe ins Holz gegeben. Dann kam die Reaktion mit dem Nachbeizen. So konnten beispielsweise Nadelhölzer mit einem positiven Bild gebeizt werden. Das Resultat war immer erst ganz am Schluss sichtbar und wurde durch den Lack nochmals leicht verändert. Entsprechend wichtig war eine exakte Rezeptur und die Erfahrung des Beizers.

Einfachere Handhabung

Heute gibt es Einphasen-Positivbeizen (EP-Beizen), die aufgespritzt und allenfalls später noch etwas abgerieben werden. Moderne Beizen sind oftmals eher auf der Oberfläche aufliegend, was zu gleichmässigeren Resultaten führt. Chemische Beizen dringen tiefer ein, was auch optisch eine gewisse Tiefe bringt. Neue Systeme kommen da noch nicht ganz heran, bieten aber mittlerweile erstaunlich gute Leistungen, bei vergleichbar einfacher Handhabung. Auch wenn dadurch korrekterweise nicht mehr vom Beizen, sondern vom Färben gesprochen werden sollte, haben die neuen Substanzen klare Vorteile. Eines aber gleich vorweg: Ohne sehr gute Farb- und Mischkenntnisse, mit der nötigen Erfahrung, was Holz anbelangt, können auch heute keine stimmigen Flächen erzeugt oder Differenzen korrigiert werden.

Moderne Aufbauten

Die Grundlage von modernen Beizen sind Stammlösungen. Sie sind farblos und bestimmen die Wirkung auf der Holzoberfläche. Also ob eine ausgeglichen egalisierte, eine rustikale oder eine positive Wirkung erzielt wird. Die Hersteller bieten noch eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten. Zudem unterscheidet man wässrige und lösemittelhaltige Systeme.

In diese spezielle Lösung werden Farbstoffe gemischt, wobei es solche gibt, die durchsichtig sind, und solche mit mikronisier- ten Pigmenten, die nicht durchsichtig sind. Diese Pigmente sind sehr beständig und verändern sich nicht mehr, wodurch sehr intensive, lichtechte Farben möglich sind. Leider decken sie aber ein wenig die Holzstruktur zu.

Die meisten Beizen werden aufgespritzt, aber auch das Auftragen mit Pinsel oder einer Mohairrolle bringen gute Resultate. Um einzureiben oder Überstände abzunehmen, eignen sich vor allem Tücher. Ein Schwamm ist nur bei Wasserbeize sinnvoll. Zu beachten ist noch, dass es mehrere Personen zum Ein- und Abreiben brauchen kann, wenn es um grössere Flächen geht, da die Trocknungszeiten eher kurz sind.

Universelle Werkstattlösung

Die Lackhersteller bieten eine grosse Bandbreite von Beizprodukten, mit denen genau definierte Effekte erzielt werden können, und jeweils eine grosse Farbpalette. Der Schreiner kann dann seinen gewünschten Farbton noch durch Mischen der Produkte oder mit zusätzlichen Abtönfarben angleichen. Um ein überschaubares Grundset immer zur Verfügung zu haben, bietet die Firma Votteler AG aus Schwarzenbach TG ein 16-teiliges Hydro-Beizsystem für Schreinereien. Damit und mit vielen Grundrezepturen kann bereits den meisten Anforderungen entsprochen werden. Mit diesem auf wesentliche Substanzen reduzierten System lässt sich, mit kleiner Lagerhaltung und dem nötigen Anwenderwissen, viel in kurzer Zeit erreichen.

Entwicklung wird gezielt betrieben

Ähnliche Sets sind auch von anderen Herstellern erhältlich wie bei Feyco Treffert in St. Margrethen SG. Beizprodukte verschiedener Anbieter sind aber nicht einfach gleich. Die chemischen Zusammensetzungen haben auch mit verschiedenen Anforderungen sowie Auftragsmethoden in der Industrie und dem Handwerk zu tun. Sie dienen bestimmten Zwecken, weshalb die Rücksprache mit den Lackvertretern bei neuen Situationen für den Anwender sehr hilfreich sein kann und Chancen bietet.

Vorgehen, das weiterhilft

Die Wirkung der Einphasen-Positivbeize von Feyco Treffert bei Nadelholzoberflächen kann mit einem Egalisierer noch optimiert werden. Somit entsteht beim Auftragen der EP-Beize ein sehr klares Bild mit scharf gezeichneten Jahrringen. Die gleiche Beize, ohne vorheriges Egalisieren, bewirkt bei Buchenflächen eine authentische Strukturwiedergabe ohne die sonst so typischen Flecken.

«Die Schleifarbeit vor der Arbeit mit EP-Beize muss gut sein. Mit einer Körnung von 80 bis 100 bei Nadelholz und 150 bis 180 bei Buche kann anschliessend aufgespritzt und liegengelassen werden. So entsteht ein sehr schönes, gleichmässiges Bild», erklärt Rob Giersberger. Er ist Applikationstechniker und ist für die Ausbildung bei Feyco Treffert zuständig. Die Anwendung der Produktpalette von wässrigen und lösemittelhaltigen Beizen wird, wie bei allen Lackherstellern, in Kursen gelehrt

Für jeden Effekt ein Produkt

Die Adler Lack AG in Tuggen SZ verfolgt einen Weg der optimierten Lösung. «Wir achten darauf, dass wir spezifische Produkte zu ganz unterschiedlichen Anforderungen haben und das nicht universell halten», sagt Jutta Libowitzky, die für die Entwicklung der Beizen im Adler-Werk zuständig ist. «So holen wir in den verschiedenen Bereichen das Optimale für unsere Kunden heraus. Alleine bei den Positivbeizen führen wir momentan beispielsweise drei Systeme. Die Beizen werden so gerichtet, dass sie schon einen bestimmten Effekt erzielen, ohne dass noch mit Zusätzen gearbeitet werden muss.»

Das ganze Sortiment an Beizen, ob wässrig oder mit Lösemitteln, ist so eingestellt, dass die Beizen direkt aufgespritzt werden können. Dabei ist in den meisten Fällen keine Nachbearbeitung mehr notwendig.

Einen festen Platz in der Planung

Die Oberfläche eines Produktes ist ein sehr wichtiger Faktor in der Wertigkeit, aber auch in der Planung von Ablauf und Kosten. Sie gehört bei jedem Auftrag schon beim Kundengespräch mit dazu und benötigt einen festen Platz in der Zeit- und Kostenplanung. Auch die Infrastruktur muss den Zielsetzungen entsprechen.

«Um eine saubere Oberflächenarbeit machen und die Trocknungs- und Aushärtezeiten einhalten zu können, sollte für den ganzen Ablauf eine Arbeitswoche eingeplant werden», sagt dazu Hans Traber. Er ist Leiter der Traber AG Beizerei in Stäfa ZH. «Bei so anspruchsvollen Arbeiten wie Farbanpassungen können schnell Fehler passieren, wenn unter hohem Zeitdruck gearbeitet werden muss. Kommen solche Arbeiten dann anschliessend zu uns, ist eine Korrektur meistens sehr aufwendig.» Auch mit den modernen Mitteln ist Oberflächenarbeit nach wie vor sehr anspruchsvoll. Die Hersteller bieten daher auch für den jeweiligen Auftrag abgemischte Produkte an. Stimmen können diese aber nur, wenn die Muster mit dem identischen Holz wie der Auftrag gemacht werden.

Erweiterte Ausbildung

Oberflächenspezialisten mit vertieftem Wissen und Können in der Anwendung sowie im Unternehmerischen werden immer weniger. Um diese Kompetenzen gezielt lernen zu können und den Betrieben leitende Fachpersonen zu bringen, wurde ein neuer Lehrgang mit Diplomabschluss ins Leben gerufen. Das Berufs- und Weiterbildungszentrum Lyss hat in enger Zusammenarbeit mit Feyco Treffert den Lehrgang Oberflächenspezialist/in geschaffen. Ab dem 20. Februar 2016 werden in Lyss BE die theoretischen und im neu erstellten Trainingscenter in Urdorf ZH die praktischen Handlungskompetenzen aufgebaut.

Mit 180 Lektionen wird ein umfangreiches Wissen vermittelt, das sich mit allen Belangen der Holzoberflächenbearbeitung, deren Planung und den strukturellen Voraussetzungen befasst. Am 3. Dezember 2016 werden dann die ersten Absolventen als Fachkräfte zur Verfügung stehen.

www.votteler.comwww.feycotreffert.chwww.adler-lacke.comwww.beizerei.chwww.bwzlyss.ch

ab

Veröffentlichung: 22. Oktober 2015 / Ausgabe 43/2015

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