Als Botschafterinnen und Botschafter unterwegs

Sofie Bigler berichtet den Schülern der Sekundarschule Bonstetten von ihrem ersten Lehrjahr. Bild: Michi Läuchli

Was mache ich nach der Schule – studieren oder eine Lehre? Und was mache ich überhaupt gerne? Zürcher Schreinerlernende versuchen, Sekundarschüler in einem Pilotprojekt bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen.

«Ich bin ein wenig nervös und halte nicht wirklich gerne Vorträge», sagte Sofie Bigler. Die 17-Jährige begann vor einem Jahr ihre Ausbildung zur Möbelschreinerin bei der Sascha Städeli Schreinerei in Fahrweid ZH. Früh morgens an jenem Tag Anfang November stand sie jedoch vor der Sekundarschule in Bonstetten. Denn sie würde gleich vor einer Sekundarschulklasse über ihre Erfahrungen und Erlebnisse aus dem ersten Lehrjahr berichten.

Geschichten aus der Werkstatt

Ihr 15-minütiger Vortrag gehört zu einem Pilotprojekt, das als sogenannter «Ambassador-Day» durchgeführt wurde. Zur selben Zeit sind Klassenkameraden von Bigler an anderen Schulen unterwegs. Hinter der Idee, dass die Lernenden an einem Tag zu Botschaferinnen und Botschaftern ihres Berufs werden, steckt Oliver Merz. Er ist Berufsschullehrer an der Baugewerblichen Berufsschule Zürich (BBZ). Für ihn ist es wichtig, dass Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule von denen profitieren, die auch direkt von ihren praktischen Erfahrungen erzählen können. In diesem Fall ist dies eine seiner Schulklassen, bei der die Lernenden letzten Sommer ins zweite Lehrjahr kamen. Sie konnten bereits aus einem Topf voller Erlebnisse, Gelerntem und Gesehenem schöpfen. In Zusammenarbeit mit Abu-Lehrerin Liv Wolfermann hat Merz den «ersten Ambassador-Day» durchgeführt.

Lernende geben ehrlichen Einblick

Sofie Bigler konnte schon viel aus dem ersten Lehrjahr berichten. Sie führte sicher und wortgewandt die Schülerinnen und Schüler durch ihre Präsentation. «Wir haben im Vorfeld ein paarmal geübt. Jede und jeder hat seine Ansprache vor der Berufsschulklasse vorgetragen und gleich Rückmeldungen bekommen, was man noch verbessern oder weglassen könnte. Das hat sehr geholfen», erzählte die junge Frau. Sie schilderte der Klasse folgende Themen: Die Voraussetzungen für den Schreinerberuf, welche Aufgaben sie im Lehrbetrieb innehat, welche Projekte sie schon machen konnte, die Berufsschule sowie die überbetrieblichen Kurse. «Was ihr sicher mitbringen müsst, ist ein Stück handwerkliches Geschick und etwas Vorstellungsvermögen. Wenn ihr im Werken merkt, dass es gar nicht läuft, müsst ihr euch vielleicht überlegen, in einem anderen Beruf schnuppern zu gehen», sagte sie. Aber man könne trotzdem noch viel dazulernen.

Wie sie weiter erzählte, sei auch das logische Denken von Vorteil. Denn das erleichtere es, Pläne zu lesen und zu verstehen. Ausserdem gehöre auch eine exakte Arbeitsweise zum Beruf. Beispielsweise wenn die Teile nicht gleich gross sind. Oder wenn sie Kratzer aufweisen, müssten diese neu gemacht werden. «Die körperliche Beweglichkeit ist ein weiterer wichtiger Punkt. Es ist eine sehr physische Arbeit. Man ist den ganzen Tag auf den Beinen, muss viel Treppen steigen und stehen, was für mich gerade im ersten halben Jahr nach der Schule schwierig war.»

Dass man als Schreinerin auch mit unterschiedlichen Materialien in Kontakt kommt, hat die Jugendliche in ihrer Lehrzeit auch schon erfahren. «Im Möbelinnenausbau arbeitet man viel mit Holz oder Plattenmaterial. Aber ich habe auch schon mit Metall und Kunststoff gearbeitet.» Weiter erzählte sie den Schülerinnen und Schülern, mit welcher Art von Maschinen Schreiner genau arbeiten.

Alte Gondel restauriert

Schliesslich erzählte Bigler auch noch von Projekten, die sie in ihrem ersten Lehrjahr begleiten durfte. «Bei einer alten Gondel mussten wir die Balken innen herausreissen, erneuern und den ganzen Lack abbürsten. Es war so aufwendig und ging lange, hat aber Spass gemacht.» Dazu zeigte sie Bilder von weiteren Projekten, an denen sie beteiligt war. Zum Beispiel von einem TV-Möbel aus gebeizter Eiche und einer Unterkonstruktion für ein Podest, das bei einer Rezeption eingebaut wurde. Zum Schluss präsentierte die Zürcherin auch noch Bilder von Arbeiten wie Küchen, Badmöbeln und Garderoben, die in ihrem Lehrbetrieb am häufigsten gemacht werden. «Ich empfehle euch auch, immer einen Block zur Hand zu haben, sodass ihr Notizen machen könnt von der Arbeit, die ihr gerade am Machen seid. So wisst ihr später bei der gleichen Arbeit, wie es geht.»

Neben den Aufgaben und Projekten, in die Sofie Bigler involviert ist, sprach sie auch über das Arbeiten mit ihren Arbeitskollegen: «Wir sind nur zu dritt in unserem Betrieb. Weil er so klein ist, spielt der Umgang miteinander eine grosse Rolle. Das hat auch viele Vorteile. So kann ich viel machen und fast alle Maschinen bedienen, was andere in Grossbetrieben nicht können.» Zum Schluss berichtete die Lernende noch von den unterschiedlichen Schulfächern, die sie in der Berufsschule besucht. Während ihrer Erzählungen wirkten die Schüler noch etwas schüchtern, hörten ihr aber gespannt zu.

Als sie mit ihrer Präsentation fertig war, wollte eine Schülerin wissen, wo denn der Unterschied zwischen einem Schreiner und einem Zimmermann liege. «Der Zimmermann macht eher die gröberen Arbeiten wie zum Beispiel Dachstöcke», antwortete die Lernende. Am Ende fragte die Klassenlehrerin die Schüler, wer sich vorstellen könne, eine Lehre als Schreiner zu machen. Dabei waren die Jugendlichen sehr ruhig, und nur wenige streckten auf. Bigler fand, dass ihr Vortrag gut gelaufen sei, sie sich aber nicht vorstellen könne, dass sich in dieser Klasse viele für den Schreinerberuf interessieren.

Schulklasse zeigte Interesse

Zurück in der Berufsschule erzählten die anderen Klassenkameraden ebenfalls von ihren Erlebnissen. «Ich fand die Idee mit dem Ambassador-Day ziemlich cool, weil ich es spannend finde, zu zeigen, was ich mache, und gerne Leuten etwas beibringe», sagte Joa Rey. Der 17-Jährige absolviert seine Lehre bei der Leri Schreinerei AG in Zürich. Für den Vortrag habe er sich nicht wirklich vorbereitet, so sei es ihm viel leichter gefallen, frei zu erzählen, anstatt vom Blatt abzulesen. «Ich habe auch etwas Material, darunter ein Schneidbrett, das ich gemacht habe, mitgenommen und davon erzählt. Die Schüler waren megainteressiert und haben viele Fragen gestellt.» Mit welchen Maschinen denn Schreiner genau arbeiteten, wie die Schulbänke gemacht würden, wie viele Ferien man in der Lehre habe und wie viel man verdiene, lauteten einige davon.

«Ich glaube schon, dass ich ein paar Schüler motivieren konnte, auch mal als Schreiner schnuppern zu gehen», meinte Joa Rey begeistert. «Mein ehemaliger Lehrer hat sich mega gefreut, dass wir unseren Beruf in der Schule vorstellen. So bekommen die Schüler einen Einblick von jemandem, der wirklich in dem Beruf arbeitet.»

Man lernt jemanden kennen, der im Beruf arbeitet

Die Idee, als Berufsbotschafter Schülerinnen und Schülern etwas aus der Praxis zu erzählen, fand auch Liam Luginbühl toll. «Ich fand es eine coole Idee, weil dadurch nicht immer von den Lehrern etwas erzählt wird, sondern man jemanden kennenlernt, der direkt im Beruf arbeitet», sagte der 16-Jährige. «Das merke ich auch hier an der Berufsschule. Ich kann besser zuhören, wenn jemand Externes kommt und etwas aus der Praxis erzählt.» Er arbeitet bei der Schreinerei Sennhauser AG in Meilen ZH. Den Vortrag hat er mit Powerpoint vorbereitet und zu Hause geübt. «Mitgenommen zur Präsentation habe ich den PC und eine gute Einstellung», wie er mit einem Schmunzeln sagte. «Noch vor der Lehre hatte ich nicht gedacht, dass der Beruf so vielseitig ist. Ich wollte deswegen bei der Präsentation rüberbringen, dass der Schreinerberuf megaspannend und kreativ ist.»

www.bbzh.ch

Michi Läuchli

Veröffentlichung: 05. Dezember 2024 / Ausgabe 49/2024

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