«Als Bauer fühle ich mich frei»

Der gelernte Schreiner Christian Gisler (24)züchtet Kühe und möchte nach seiner Ausbildung zum Landwirt einen Hof führen. Bild: Caroline Schneider

Christian Gisler wuchs im Urner Schächental in einer Bergbauernfamilie auf. Die Eltern betrieben eine Dreistufenwirtschaft. Viermal im Jahr zog Familie Gisler um: vom Hof im Tal auf das Maiensäss, danach auf die Sommeralp ohne Strom und schliesslich wieder zurück ins Tal. Ein Nomadenleben inmitten der Natur. Frei und unbeschwert. Aber auch hart und karg. Die vier Kinder mussten früh mitanpacken und Verantwortung übernehmen. «Von klein auf wuchsen wir in die verschiedenen Aufgaben hinein», sagt der heute 24-jährige Christian. Freizeit war ein Fremdwort. «Ich kannte nichts anderes als arbeiten.» Während seine Kollegen die Sommerferien am Meer verbrachten, war er auf der Alp am Heuen, Käsemachen und Kühemelken. «Ich fühlte mich frei. Dort oben lebst du, unten bist du wie eingesperrt.» Wenn der gelernte Schreiner auf seine Kindheit zurückblickt, dann sieht er keine Entbehrungen. Er sieht nur Vorteile. «Gleichaltrige sind oft ‹verweichlicht›. Wenn es ein Problem gibt, studieren sie lange daran herum. Ich löse es einfach», erklärt er schmunzelnd. Nach der Schulzeit absolvierte Gisler eine Schreinerlehre und half seinem Onkel danach auf dem Bau aus. Doch das Bergbauernleben prägte ihn derart stark, dass er dem Ruf seines Herzens folgte und eine dreijährige Lehre zum Landwirt anhängte. Nächsten Frühling wird er das eidgenössische Diplom im Sack haben.

Er sucht die Eigenständigkeit. «Ich mag es nicht, wenn mir jemand sagt, was ich zu tun habe.» Sein Wunsch ist es, selbst einmal einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen. «Als Bauer fühle ich mich frei.» Und trotzdem sagt er: «Ich würde wieder Schreiner lernen, denn das hat mich unabhängig gemacht, weil ich alles selber reparieren kann.»

Gisler hegt seit Längerem eine grosse Leidenschaft – die Viehzucht. Als kleiner Bub begleitete er seinen Vater oft beim Viehkauf. Er lernte, worauf es beim Züchten ankommt. Es braucht ein geschultes Auge, um den Wert eines Tieres richtig einzuschätzen. Nicht nur der Körperbau, auch die Abstammung bestimmt den Preis. Als er in die Lehre kam, kaufte er zusammen mit seinem Bruder von seinem ersten verdienten Geld junge Tiere, zog sie auf und versuchte sie dann gut weiterzuverkaufen. «Mein erstes Rind war ein Glücksgriff. Mit ihm zogen wir von Viehschau zu Viehschau und gewannen etliche Preise», sagt er nicht ohne Stolz. Später gründete er dann zusammen mit seinem Bruder und ein paar Kollegen das Viehschauteam Gisler-Pfulg. Unter diesem Namen führten sie ihre Kühe bei Viehausstellungen vor. «Aufgrund der vielen Preise an nationalen und internationalen Ausstellungen machten wir uns einen guten Namen. Dadurch steigerte sich der Verkaufswert unserer Tiere.» Der gewiefte Urner kommt in Fahrt, wenn er vom Züchten erzählt. Ein langer Kriterienkatalog bestimmt das gute Aussehen einer Kuh. Das Becken muss breit und lang sein, das Euter straff und hoch ansetzend. Die Zitzen dürfen nicht zu lang oder zu fein sein, so dass der Zitzengummi der Melkmaschine gut haften kann. Und schliesslich muss die Kuh viel Milch geben.

Gisler hat mit den Jahren einen Blick dafür entwickelt, ob ein Rind das Zeug hat, eine wertvolle Kuh zu werden. Und so züchtet er auch heute noch Braunvieh und hat Spass daran, wenn er wieder einen guten Handel abschliessen kann.

«Gleichaltrige sind oft ‹verweichlicht›. Wenn es ein Problem gibt, studieren sie lange daran herum. Ich löse es einfach.»

cs

Veröffentlichung: 25. September 2014 / Ausgabe 39/2014

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