Alles von der Rolle
Die Vielfalt bei Rad und Rolle ist gross. Bei der Auswahl sollte man nur jene verwenden, die den praktischen Anforderungen gerecht werden. Bild: FTA Fahrzeugtechnik AG
Die Vielfalt bei Rad und Rolle ist gross. Bei der Auswahl sollte man nur jene verwenden, die den praktischen Anforderungen gerecht werden. Bild: FTA Fahrzeugtechnik AG
Rad und Rolle. Mit der richtigen Rolle wird alles mobil. Wie man zur richtigen Rolle kommt und was es braucht, um dauerhaft gut unterwegs zu sein, darüber geben zwei Experten der Branche Auskunft. Ein Fazit daraus: erst auf die praktischen Aspekte achten und danach auf das Design.
Die gute Nachricht zuerst: «Rollen sind prinzipiell wartungsfrei», sagt Daniel Diriwächter, technischer Berater bei der FTA Fahrzeugtechnik AG in Unterentfelden AG. Wenn also die richtige Rolle ausgewählt wurde, bremst nichts mehr die Mobilität. Ausser vielleicht aufgewickelte Haare auf der Nabe, ein zu weicher Laufbelag des Rades oder ein kippeliges Rollverhalten des Möbels, weil der Schwenkradius der Lenkrollen zu gross für die gegebene Korpustiefe gewählt wurde.
Und schon wird es komplizierter. Sei es bei Rollen für das wohnliche Interieur, in dem Büro, dem Lager oder der Werkstatt. «Wir fragen deshalb immer zuerst nach dem Bodenbelag, auf dem die Rolle eingesetzt werden soll», sagt Diriwächter.
Der Experte bestätigt die grundsätzlich gültige Regel mit der weichen Lauffläche eines Rades auf hartem Grund und einem härteren Rollenbelag bei eher weichen Böden. Doch damit fängt es erst an. Denn auch die anderen Parameter wie etwa Raddurchmesser oder der Umstand, dass es sich um eine Lenkrolle handeln kann, sind wichtig.
«Schwierigkeiten gibt es öfter bei Parkett, wenn Weichmacher im Material wandert. Dann entstehen anhaftene Flecken auf dem Parkett», erklärt Diriwächter. Dies betrifft vor allem Gummiräder. Diese haben zwar einen ruhigen und leichten Lauf auf glatten Böden, sind aber nicht immer frei von Spuren. Man kennt das Phänomen des Anhaftens auch von Gummifüssen bei Geräten von der Stereoanlage bis zur Kaffeemaschine. Was lange steht, haftet an. Bei Parkettböden empfiehlt der Experte deshalb Polyurethan als Lauffläche. Auch thermoplastische Elastomere (TPE) seien gut geeignet, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden. Oft müssen mehrere Ansprüche gleichzeitig erfüllt werden. Man denke nur an den Servierwagen, der von der Küche auch auf die Terrasse fahren soll. Die PU-Rolle mit grösserem Durchmesser bewältigt auch die Plättli des Terrassenbodens samt Türschwelle. Übrigens gibt die Farbe des Kunststoffes keinen verlässlichen Hinweis auf das Material oder dessen Eigenschaften. Passen die Härtegrade von Rad und Boden nicht zusammen, läuft die Rolle entweder nur schwer oder verursacht störende Geräusche. Ein gutes Beispiel dafür ist die Warenanlieferung mancher Detailhändler, wenn viel zu harte und zu kleine Plastikrollen über gefühltes Kopfsteinpflaster rattern und dabei nicht nur Geräusche, sondern Lärm verursachen. Grund solcher Ärgernisse: Plastikrollen sind billig, auch für Möbel. Eine gute Rolle dagegen hat ihren Preis.
Nicht von ungefähr kommt es, dass die Normkübel für Abfälle stets einen Raddurchmesser von 200 mm haben. So können die gummierten Rollen Hindernisse und schwieriges Pflaster überwinden, ohne dabei zu sehr Muskeln und Nerven der beteiligten Personen zu strapazieren.
Immer noch wünschen sich viele Gestalter und Architekten, dass Rollen möglichst nicht zu sehen sind. Das sorgt für Schwierigkeiten. Denn für kleine Raddurchmesser sind schon kleinste Hindernisse eine Herausforderung. Gut zu beobachten bei den Menschen, die ihren Koffer mit vier Mini-Rollen lautstark über den an sich hindernisfreien Parcours eines Flughafens zerren und ruckeln. «Der Raddurchmesser einer Rolle sollte so bemessen sein, dass dieser mindestens fünf Mal so gross ist wie die Hindernisse, die sie überwinden soll», sagt Diriwächter. Nach dieser Faustformel können die oft eingesetzten Doppelrollen aus Kunststoff mit 40 mm Durchmesser schon ab 8 mm Hindernishöhe Probleme bekommen. Die typischen Rollen von günstigen Möbeln und Büroausstattungen aus hartem Kunststoff sind für den textilen Boden gedacht und eher als Hilfe beim Möbelrücken denn zum Verfahren zwischen Räumen oder Ähnlichem.
Nicht nur Experten wie Diriwächter empfehlen deshalb, die Rolle ausreichend zu dimensionieren. Möbeldesigner wie Benjamin Thut nutzen Rollen auch als Gestaltungselement bei Möbeln. «Wir setzen klassische, gebrauchstüchtige Rollen mit einem industriellen Charakter für unsere Entwürfe ein», sagt Marco Gubser von der Thut Möbel AG in Dällikon ZH.
Die Rollen werden für das Unternehmen eigens konfiguriert. Das heisst, sie werden entsprechend den Anforderungen aus einer Art Baukasten zusammengebaut. Das macht etwa die Baumgartner AG, die ebenfalls in Dällikon ansässig ist. Die Spezialisten fertigen die Rollen in der Werkstatt, sodass jeder sein passgenaues Modell bekommt. «Durch die eigene Werkstatt können wir auch besondere Anforderungen erfüllen, wie etwa äusserst leise, aber gleichzeitig auch robuste Rollen, etwa für Bibliotheken», sagt Vincent Bruggmann, Verkaufsleiter der Baumgartner AG. Auch angefertigte Teile von Rollen für spezielle Wünsche würden immer wieder umgesetzt. Denn schon kleine Anpassungen bei Material und Konstruktion haben Auswirkungen. Das weiss auch Marco Gubser. Neben Rollen für die Möbel tüftelt man bei der Thut AG auch mit Rädern. Etwa für den Faltschiebevorhang, wo diese beim Führungsmechanismus verwendet werden. «Der Schrank mit dem Faltvorhang ist schon zwei Jahrzehnte im Programm, und wir optimieren immer wieder Feinheiten an den Rädern», sagt Gubser.
Gerade bei Korpussen auf Rollen, wie Werkzeug-, Büro- oder Kleiderschränken, die sehr schwer werden können, ist eine ausreichende Stabilität der Rollen wichtig. Die rechnerische Herleitung für die Tragkraft einer Rolle ist einfach. «Beim Einsatz von vier Rollen nimmt man das Gesamtgewicht und teilt es durch drei. Schon hat man die nötige Tragkraft einer Rolle», sagt Bruggmann. So erhält man ausreichend Sicherheit, auch wenn bei der Benutzung mal eine Rolle wegen Unebenheiten in der Luft hängt.
Bei Lenkrollen kommen je nach möglicher Gewichtsklasse verschiedene Lagerkonstruktionen zum Einsatz, damit der Drehkranz dauerhaft die Lasten tragen kann. Reichen bei Möbelrollen einfache Kugellager, kann es beim Materialwagen für Klotzbretter auch das Doppelkugellager, Axial- oder Kegelrollenlager sein. Die Drehkranzlager haben immer etwas Spiel, was beim Richtungswechsel von Lenkrollen hörbar ist und bei manchen Modellen für Möbel auch unangenehm auffällt.
Kaum ins Gewicht bei der Geräuschentwicklung fällt dagegen die Lagerung der Radnabe. Entweder als Gleitlager oder als Rollenkorb- oder Kugellager ausgeführt, sollte das Drehen des Rades keinen massgeblichen Einfluss auf die Geräuschentwicklung haben. «Drehkranzlager und der Laufbelag der Rolle haben deutlich grösseren Einfluss», erklärt Bruggmann.
Konstruktionsbedingt sind Lenkrollen wegen des Lenkkopfes geräuschintensiver als Bockrollen. Ein manchmal wenig beachteter Umstand beim Einsatz von Lenkrollen ist die Verschiebung der Geometrie durch den Schwenkmechanismus der Rollen. Was bei der Kombination von Lenk- und Bockrollen noch kaum ins Gewicht fällt, kann beim Einsatz von vier Lenkrollen und geringer Korpustiefe zu einem Kippeffekt führen. Bei der Auswahl der Rolle sollte man dann die Rollengeometrie im Blick behalten. Ausladung und Schwenkradius sind dann zusammen mit der Platzierung der Rollen am Korpus entscheidend.
Wie gut ein mobiles Möbel oder ein Wagen dahinrollt oder auch steht, wie viel Kraft es braucht, um das Gefährt in Bewegung zu setzen und sicher zu manövrieren, insbesondere bei einer Geradeausfahrt, ist neben dem Durchmesser und dem Material des Rades sowie der Bodenbeschaffenheit auch von der Platzierung und der Anzahl der Lenkrollen abhängig.
Anschauliches Beispiel ist der schwer beladene Einkaufswagen. Je beladener, desto eher gleicht die Fahrt damit einem permanenten Dagegenstemmen. Ein Richtungswechsel unter Fahrt wird zum Himmelfahrtskommando, vor allem auf abschüssigem Grund wie etwa dem Parkplatz. Unebenheiten sorgen im Zweifel dafür, dass die vier Lenkrollen sich zwar selbsttätig ausrichten, der Wagen aber trotzdem steht. «Im befestigten Gelände braucht es Vollgummiräder und auf unbefestigtem Grund die Luftbereifung. Das sind keine Milieus für Rollen», sagt Diriwächter.
Dagegen kann man den Haaren und Fasern, die sich beim Gebrauch im Wohnraum so gerne um die Radnabe wickeln und dann irgendwann zur Blockade der Rolle führen, vermeiden, indem man bei der Auswahl der Rolle auf den sogenannten Fadenschutz achtet. Dieser schliesst die Rolle seitlich, so- dass sich der Effekt nur schwer einstellen kann, weil Haare nicht ins Innere kommen. Immer häufiger taucht auch die elektrische Leitfähigkeit von Rollen auf. Diese braucht es dort, wo sich statische Aufladungen negativ auswirken, wie etwa im Spital oder im Laborbereich.
Damit am Ende die passende Rolle angeschraubt wird – sofern sie nicht mittels Stift oder Gewindenippel montiert wird – gilt es, all die Hindernisse zu überwinden, die Kurven zu nehmen und am Ende trotzdem noch nach gestalterischen Gesichtspunkten auszuwählen. Wenn die Rolle sein dürfe, was sie ist, dann wäre schon viel gewonnen, ist sich Diriwächter sicher.
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Das Rad wird durch die Montage an ein Gehäuse zur Rolle.
Mit dem Richtungsfeststeller lässt sich eine Lenkrolle zu einer Bock- rolle umwandeln, dies erleichtert die Geradeausfahrt mit vier Lenkrollen.
Blockiert die Drehbewegung eines Rades an einer Rolle.
Blockiert die Drehbewegung des Rades und des Gabelkopfes einer Lenkrolle, was zum sicheren Stand führt.
Die nötige Kraft, um ein Gefährt in Bewegung zu setzen und zu halten. Braucht wenig Polyurethan, viel ist nötig bei Vollgummi. Polyamid liegt dazwischen.
Mass zwischen Mitte Radachse und Zentrum der Drehachse bei einer Lenkrolle.
Mass zwischen Aussenkante Rad und Zentrum der Drehachse bei einer Lenkrolle.
Fähigkeit der Rolle, elektrostatische Aufladungen abzuleiten. Solche Rollen können den elektrischen Widerstand um das Zehnfache verringern.
Die erforderliche Traglast einer Rolle berechnet sich aus Eigengewicht plus Zuladung, geteilt durch drei.
Faustformel für den geeigneten Raddurchmesser: fünfache Höhe des zu überwindenden Hindernisses. Wei- chere Räder überwinden Hemmnisse besser als harte Laufflächen. Je grösser das Rad, desto leichter die Bewegung.
Geeignet für enge Räume. Nach allen Seiten hin fahrbar, aber wenig kursstabil bei Geradeausfahrt.
Gebrauchstüchtige und gleichermassen gebräuchliche Anordnung der Rollen, weil mit guter Geradeaus- und Kurvenfahrt ausgestattet.
Auf der Stelle drehbar und auch sonst gut manövrierfähig. Nur für glatte Böden geeignet, da der Wagen zum Kippen neigt. Bockrollen mit etwas mehr Bauhöhe wählen.
Durch die Entlastung der Lenkrollen leicht zu lenken. Bewährt bei schweren Lasten und langem Wagen.
Veröffentlichung: 25. Januar 2024 / Ausgabe 4/2024