17 Schreiner und eine Verbindung

45 Jahre liegen zwischen diesen beiden Bildern der Schreinermeister-klasse von 1967/68. Bild: PD

Freundschaft.  Hinter der geheimnisvollen Buchstaben- und Zahlenkombination «VeF2» verbirgt sich ein erlauchter Kreis von ehemaligen Schreinern. Ihre Geschichte hat in der «Lädere», der ehemaligen Schreinermeisterschule in Bern, begonnen und dauert bis heute an.

Ferdi Bochsler beugt sich über das Schwarz-Weiss-Foto aus dem Jahr 1967. Es zeigt 18 Schüler, die gemeinsam die Schreinermeisterschule an der «Lädere» in Bern absolviert hatten. Er nennt einige beim Namen und schildert deren Werdegang. Auf einmal bleibt sein Blick an einem Schüler hängen. Bochsler wird nachdenklich. Er tippt mit dem Zeigefinger auf ihn und sagt: «Er ist unbemerkt von uns gegangen.» Erst viel später habe man ihn auf dem Gurten, dem Hausberg von Bern, gefunden. «Die ganze Klasse stand unter Schock», sagt Bochsler. «Wir hatten nichts von seinen psychischen Problemen gespürt», erklärt er – fast ein bisschen beschämt. Das war der Auslöser, dass die Schreinermeister die Verbindung «VeF2» (Verbindung einer einmaligen Freundschaft) gegründet haben. «Dieses Ereignis hat uns alle zusammengeschweisst.»

Seither treffen sich die 17 unterdessen pensionierten Schreiner und ihre Ehefrauen Jahr für Jahr, um drei Tage zusammenzusein. Gemeinschaftssinn, Freundschaft, Spass und Austausch zeichnen die Verbundenheit aus. Mit jedem Jahr wird die Geschichte weitergeschrieben und das Zusammengehörigkeitsgefühl noch stärker. «Letztes Jahr haben wir unser 50-jähriges Bestehen gefeiert», sagt Bochsler.

Wie Pech und Schwefel

Die «Verbindung einer einmaligen Freundschaft» hat es in sich. Ferdi Bochsler ist einer, der der Gruppe «viel Blut» einpumpt. Er hat für die Verbindung ein eigenes Logo kreiert. Ein anderes Mitglied der Gruppe – der Archivar – dokumentiert jedes Treffen haargenau und legt die Papiere fein säuberlich in Ordnern ab. «Wenn jemand aus unserem Kreis heiratete, kamen wir alle an die Hochzeit. Das war Ehrensache. Wir standen mit einem drei Meter grossen Holzhobel Spalier.» Auch die runden Geburtstage wurden gemeinsam gefeiert.

Während diesen 51 Jahren wurde viel Geschichte geschrieben. «Wir sind eine grosse Familie, die durch dick und dünn geht.» Inzwischen sind alle über 76-jährig. «Wir sind immer noch fast vollzählig und erscheinen – mit einer Ausnahme – alle mit derselben Ehefrau zu den jährlichen Treffen», erzählt Bochsler sichtlich stolz über seinen eingefleischten Schreiner-Kreis. Und noch etwas eint sie: «Wir sind alle dem Schreinerberuf bis zu unserer Pension treu geblieben.»

Ausbildung zum Schreinermeister

«Unsere Klasse war eine bunt zusammengewürfelte Truppe junger Männer aus den verschiedenen Landesteilen der Schweiz.» Die Schreinermeisterschule war damals ein Vollzeitstudium, das anderthalb Jahre dauerte. Das wilde Studentenleben prägte die Verbindung. Abends wurde gefeiert, meist im Stammlokal «Schlüssel» in der Berner Altstadt. Oder im «Bierhübeli», wenn sie ihre ausgelassenen Kegelabende pflegten. Heute gibt es die Schreinermeisterschule an der «Lädere» oder den Lehrwerkstätten der Stadt Bern, wie sie damals offiziell hiess, nicht mehr. Dafür werden an der Technischen Fachschule (TF) Bern, wie die Ausbildungsstätte heute genannt wird, andere Weiterbildungen angeboten und noch immer Lernende ausgebildet. Vieles hat sich verändert, doch der liebevolle Name «Lädere» ist geblieben.

Schreinerberuf im Wandel der Zeit

Bochsler blickt auf ein halbes Jahrhundert Schreinerberufsgeschichte zurück. Nach der Meisterschule in Bern strebte er die Meisterprüfung an, die ihm problemlos gelang. 17 Jahre lang arbeitete er als Werkmeister und stellvertretender Geschäftsführer bei einer Firma für Innenausbau und Einrichtungen in Goldau SZ. «Mit 45 Jahren war die Zeit reif für meine Selbstständigkeit.» Er spezialisierte sich auf Planungen und schaffte es zu Aufträgen, die ihn über den Atlantik brachten. Bochsler durchlebte die ganzen technologischen und maschinellen Entwicklungen im Schreinerberuf während der letzten fünf Jahrzehnte. «Ein zweischneidiges Schwert», sagt er dazu. «Das handwerkliche Können ging bedauerlicherweise verloren, dafür kam die CNC-Technologie – eine neue Herausforderung.» Er sei damals sehr fasziniert gewesen von der perfekten Massivholzbearbeitung mit ihren neuen Möglichkeiten. «Das Reissbrett habe ich von einem Tag auf den anderen zur Seite geschoben und auf CAD umgestellt.» Bochsler hat noch weit über sein Pensionsalter hinaus gearbeitet.

Ein Blick in die Zukunft

Der Pensionär blickt mit realistischem Blick in die Zukunft. «Wir alle kennen unsere gesundheitlichen Grenzen.» Das Programm werde in den nächsten Jahren nicht mehr so umfassend ausfallen. «Heute braucht jeder von uns ab und zu eine Pause», sagt er und schmunzelt. Trotzdem, die Geschichte der Verbindung einer einmaligen Freundschaft wird weitergeschrieben – und im Archiv gesichert.

cs

Veröffentlichung: 14. November 2019 / Ausgabe 46/2019

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