100 Jahre vorausdenken


Die Fichte gilt, zumin-dest in tiefen Lagen, als Verliererin des erwarteten Klimawandels. Am WVS-Fachkongress gab es aber auch Vertreter anderer Ansichten zu hören. Bild: Regina Weber
Die Fichte gilt, zumin-dest in tiefen Lagen, als Verliererin des erwarteten Klimawandels. Am WVS-Fachkongress gab es aber auch Vertreter anderer Ansichten zu hören. Bild: Regina Weber
Fachkongress. Anlässlich der Internationalen Forstmesse in Luzern führte Waldwirtschaft Schweiz (WVS) den Fachkongress «Waldbild 2050» durch. Im Zentrum stand dabei die Frage, wie sich der Waldbau auf die laufenden Klimaveränderungen ausrichten lässt.
Die Fichte stellt mit 44% von allen Baum- arten nach wie vor den höchsten Anteil am Holzvorrat in der Schweiz. Im gut erschlossenen Mittelland hat der Fichtenvorrat zwischen den beiden letzten Landesforstinventaren allerdings um 23% abgenommen, in der gesamten Schweiz um 4%. Als Haupt- ursache für diese Abnahme nennt die Eid- genössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) den Orkan Lothar, Borkenkäferbefall und den Hitze-sommer 2003.
Damit sind auch bereits einige der Gründe genannt, warum Peter Brang, Leiter des Forschungsprogramms Wald und Klimawan- del an der WSL, die Fichte anlässlich des Fachkongresses «Waldbild 2050» als Verliererin des erwarteten Klimawandels bezeich-net. Ausgehend von einem mittleren Klima-szenario rechnen die Forschenden bis Ende dieses Jahrhunderts mit einem durchschnitt-lichen Temperaturanstieg von 3 bis 6 ˚C. Ab dem Jahr 2050 sollen zudem die Niederschläge in den Sommermonaten abnehmen. Ebenso ist von einer steigenden Häufigkeit von extremen Witterungsereignissen wie Trockenperioden oder Stürmen auszugehen. Mit solchen klimatischen Bedingungen dürfte die flachwurzelnde Fichte Probleme haben. Ihr potenzielles Verbreitungsgebiet in der Schweiz würde sich in höhere Lagen verschieben.
Aus Sicht der Waldwirtschaft ist das eine besorgniserregende Aussicht, ist die Fichte nach ihrer Wertschöpfung für die Forstbetriebe doch die mit Abstand wichtigste Baum- art. Dass das Thema des WVS-Fachkongresses «Waldbild 2050»: Auf welche Baumarten setzt man heute für den Wald von morgen?» die Waldbewirtschafter beschäftigt, zeigte die Beteiligung von rund 200 Teilnehmenden. Von einem wärmeren und trockeneren Klima profitieren würden gemäss Peter Brang Traubeneiche, Waldföhre, Kirsche, Nussbaum, Lärche oder Edelkastanie. Die exotische Baumart Douglasie, die heute bereits erfolgreich wächst, könnte sich ebenfalls bewähren. Die Forschung experimentiert derzeit auch mit der Beimischung von Fichtenherkünften von Trockenstandorten. Insgesamt empfiehlt Peter Brang, die prognostizierte Arealverschiebung der Baumarten mitzugestalten und die Naturverjüngung durch Pflanzungen zu ergänzen. «Anzustreben sind Mischbestände mit Wärme und Trockenheit ertragenden Baumarten. So lassen sich Risiken vermindern.» Die WSL ist zurzeit daran, die Baumartenempfehlungen für alle Waldstandorte im Hinblick auf die erwarteten Klimaveränderungen anzupassen.
Jens Borchers, Betriebsleiter des Fürstlich Fürstenberg’schen Forstbetriebs im süddeutschen Donaueschingen, stellte ein ertragskundlich basiertes und strikt markt-orientiertes Produktionsmodell vor, das er seit einigen Jahren erprobt. In dessen Mittelpunkt steht: die Fichte. Laut Jens Borchers zeigt die betriebliche Erfahrung mit Windwürfen der letzten Jahrzehnte, dass vorwiegend Fichten jenseits einer Baumhöhe von 30 m den Stürmen zum Opfer fallen. Ähnliches gelte, zumindest in den meisten deutschen Mittelgebirgsregionen, für das Borkenkäferrisiko: Typischerweise seien Altbestände käferkritisch. Mit einer Verkürzung der Umtriebszeit von heute mehr als 100 Jahren auf 60 bis 80 Jahre liessen sich diese Risiken weitgehend vermeiden, so Borchers. Auch verkürzt sich so die Zeitspanne, in welcher der Baum Klimaextremen ausgesetzt ist.
In Naturverjüngungsbeständen nennt er einen stammzahlreduzierenden Pflegeeingriff als unverzichtbar. Mischbaumarten wie Weisstanne, Douglasie oder Laubhölzer sollen gefördert werden, denn das Ziel sind ebenfalls gut durchmischte Bestände. Voraussetzung hierfür ist allerdings ein erfolgreiches Wildmanagement. Anschliessend sind Durchforstungen im Fünfjahresrhythmus oder nach 3 m Höhenwachstum Pflicht. Erzeugt werden mit diesem Produktionssystem von der Industrie geforderte Fichten-holzqualitäten mittelstarker BC-Sortimente. Jens Borchers ist der Ansicht, dass ein solches Modell auch auf das Schweizer Mittelland übertragbar wäre.
In einem Punkt waren sich alle fünf Referenten einig: Die Waldeigentümer können es sich nicht leisten, einfach abzuwarten und auf die natürliche Dynamik zu hoffen. «Dem Klimawandel ist mit einer bewussten Strategie zu begegnen», erzählt Adrian Lukas Meier-Glaser, stellvertretender Kantons-oberförster des Kantons Bern, und fügt hinzu, «mit einer wettbewerbsfähigen Holzket- te sowie regelmässig und gewinnbringend bewirtschafteten Wäldern ist auch für die Anpassung an den Klimawandel viel gewonnen.» Christoph Starck, Direktor der Lignum, rief die Waldwirtschaft auf, sich an den Bedürfnissen der Kunden zu orientieren: «Die Waldwirtschaft und die Holzindustrie sitzen im gleichen Boot. Verschwindet die Holzindustrie, ist ebenfalls kein Ertrag mehr möglich.»
Felix Lüscher, Leiter des Bereichs Wald der Oberallmeindkorporation Schwyz, erachtet es deshalb als wichtig, dass die Waldeigentümer neben der Holzproduktion auch Ökosystemleistungen des Waldes, wie Erholung oder Biodiversität, vermarkten können. Diese seien nicht transportierbar, sondern müssten vor Ort geleistet werden. Aus-serdem erhielten sie einen zunehmend höheren Stellenwert, so Lüscher.
www.wvs.chwww.ff-forst.deMit 4,66 Mio. m3 wurden letztes Jahr im Schweizer Wald 8,2% weniger Holz geschlagen als 2011. Dies zeigt die im Juli veröffentlichte Forststatistik. Laut dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) lag die Holznutzung damit 10% unter dem Mittelwert der letzten zwanzig Jahre. Der Rückgang betrifft fast ausschliesslich das wichtigste Sortiment Nadelstammholz, bei dem mit 2,24 Mio. m3 (–12,7%) die tiefste Erntemenge seit gut 30 Jahren zu verzeichnen ist. Die Nut- zungen von Energie- und Industrieholz hingegen nahmen gegenüber dem Vor- jahr nur geringfügig ab. Vor allem die Privatwaldeigentümer schlugen letztes Jahr deutlich weniger Holz (–16%).
Die tiefere Nutzungsmenge beim Na- delstammholz geht einher mit einem verringerten Rundholzeinschnitt der Sägewerke von 1,863 Mio. m3 (–10%). Nach wie vor seien die Rahmenbedingungen der inländischen Holzverarbeiter für Produktion, Absatz und Export schwierig, die Margen und Erlöse blie- ben unter Druck, so das Bafu. Den Preisdruck bekamen auch die Wald-bewirtschafter zu spüren. Der durchschnittliche Erlös für Nadelstammholz sank um rund 8%. In Verbindung mit dem tieferen Absatz und höheren Holz- erntekosten führte dies letztes Jahr zu einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Forstbetriebe.
Die «Task Force Wald + Holz + Energie» (TF WHE) nehme die neuesten Zahlen der Forststatistik mit grösster Besorgnis zur Kenntnis, heisst es in einer an- lässlich der Forstmesse veröffentlichten Mitteilung. Die hiesige Forst- und Holzwirtschaft stecke in einer tiefen und dauerhaften Krise. Die der internationalen Konkurrenz ausgesetzte Säge-, Papier- und Plattenindustrie bekunde zunehmend Mühe mit der Beschaffung ihres Rohstoffs. Sie sehe sich entsprechend gezwungen, ihre Produktion weiter zu reduzieren und langfristig ihre Kapazitäten anzupassen.
Die TF WHE fordert die Waldeigentümer auf, den waldbaulichen Spielraum konsequent zugunsten von Nadelholz auszunutzen, damit die Versorgung der Industrie gewährleistet sei. Nadelholz werde auch in Zukunft das am meisten nachgefragte Sortiment sein. Zudem sollten sie vermehrt klimaresistente Baumarten wie die Douglasie anpflanzen. Vom Bund verlangt die TF WHE, sich besser für die Erschliessung der Wälder einzusetzen: Die forstliche Er- schliessung sei auch ausserhalb des Schutzwaldes zu fördern und Seilkran-einsätze generell zu unterstützen.
Laut der Mitteilung setzt die rohholzverarbeitende Industrie zur kommenden Holzschlagsaison ein deutliches Zeichen und erhöht die Holzpreise, da sie auf eine früh einsetzende und kräf- tige Ernteaktivität angewiesen ist.
www.taskforceholz.chVeröffentlichung: 12. September 2013 / Ausgabe 37/2013
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