Wer hat die ruhigere Hand?

Oberflächentechnik. Nach wie vor spritzen viele Betriebe Lack und Farbe von Hand. Doch technische Lösungen wie Linear- oder Gelenkroboter sind auf dem Vormarsch. Die SchreinerZeitung hat verschiedene Betriebe besucht und zeigt, was möglich ist.

 

Man kann mit der Oberflächenbehandlung die ganze Vorarbeit auf einmal vernichten. Die richtige Beschichtung der erzeugten Produkte entscheidet in der Holzbranche über Erfolg oder Nichterfolg, das letzte Wort hat der Endkunde. Schreinereien legen daher grossen Wert auf perfekte Oberflächen und investieren entsprechend. «Momentan wird im Oberflächenbereich in der ganzen Schweiz aufgerüstet», sagt Jürgen Attula von der Batcon Oberflächen GmbH. 

Gesetzgeber schränkt ein

Schuld am Boom ist aber nicht nur die gesteigerte Beachtung der Oberfläche, sondern auch regelmässige Änderungen in der Umweltgesetzgebung. «Solange man am Bestehenden nichts umbaut, muss man aus Sicht des Gesetzgebers an seinem Konzept kaum etwas verändern», sagt Attula. Ein Umbau der technischen Ausrüstung oder gar ein Systemwechsel bedingt aber die Anpassung an die aktuelle Gesetzgebung. Und die verlangt je nach Kanton einiges an Filterleistung, Lärmeindämmung und Energievorschriften, und dazu kommen die Lenkungsabgaben für die VOC-Emissionen und je nach Kanton besondere Vorschriften. 

Lösemittellacke immer noch beliebt

Nach wie vor bevorzugen viele Schreine­reien Produkte auf Basis von organischen Lösemitteln (VOC). Solche Lacke enthalten ­einen hohen Anteil flüchtiger Stoffe und die Komponenten im Lackgefüge reagieren erst, wenn dieser Anteil verdunstet ist, was viel Zeit braucht. Die Anwendung ist aber noch immer deutlich weniger anspruchsvoll als bei wässrigen Systemen. Hier muss einfach alles stimmen, um zu einem guten Resultat zu kommen. Lösemittelhaltige Produkte verhalten sich meist deutlich träger und verzeihen auch Abweichungen von der optimalen Linie.

Wässrige Systeme auf der Überholspur

Doch die wässrigen Systeme holen weiter auf. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass sich die hohen Anforderungen an die Prozess­sicherheit und die Trocknungszeiten wässriger Systeme noch immer nicht einfach in den Griff zu bekommen sind. Wässrige Systeme einzusetzen, bedingt darum beim Innenausbau noch immer, auf technische Lösungen beim Vernetzen sowie bei der Trocknung angewiesen zu sein. Physikalisches Trocknen allein bringt weder wirklich gute Resultate noch können vernünftige Prozesszeiten erreicht werden. Im Fokus stehen daher Lacksysteme, die sich mittels UV-Licht vernetzen lassen, meist noch in Kombination mit Mikrowellentrockner, um den Wasseraustrag zu beschleunigen. So bieten die wässrigen Systeme weit höhere Prozess­geschwindigkeiten. Die Spannweite bewegt sich zwischen wenigen Minuten und wenigen Stunden. Walz- oder Giesslacke enthalten gar keine Lösemittel mehr und lassen sich daher innert weniger Sekunden vernetzen. Die flüssigen Stoffe verbinden sich während der chemischen Reaktion mit den festen Bestandteilen und werden unter UV-Licht sofort hart, ohne dass ein Lösemittel entweichen muss. 

Hohe Leistung, aber flexibel

Auf über 800 m2 erstreckt sich der Ober­flächenbereich der Firma Zurbuchen Söhne AG in Amlikon. Zum Einsatz kommen verschiedene Auftragsmethoden, die sich auch kombinieren lassen. «Damit erreichen wir eine sehr grosse Flexibilität, die einerseits für unsere eigene Produktion sehr wichtig ist, aber auch beim Lohnlackieren für andere Schreinereien unabdingbar ist», sagt Betriebsleiter Christoph Zurbuchen. «Die Schreiner können mittlerweile ihren eigenen Lack zum Verarbeiten mitbringen. Möglich macht dies die hohe Prozesssicherheit, die wir durch viel Erfahrung und optimal einstellbare Anlagen erreichen», sagt der Betriebsleiter.

Schwerpunkt Flexibilität

Beschichtet wird auf verschiedenen Anla- gen. Im Zentrum steht aber die automati- sche Lackierstrasse mit einem Durchlauf- spritzroboter und angegliedertem Paternostertrockner. Letzterer wird aber nicht nur zum physikalischen Trocknen gebraucht, sondern auch als staubfreies Zwischenlager, um den Lack zu «beruhigen». Zweikomponentenlacke können im Paternoster reagieren, wässrige Lacke können ausgasen. Das Lager wird im Lackierungsprozess laufend gefüllt und erst geleert, wenn man die Teile braucht oder wenn es voll ist. Dem Lager angegliedert ist eine UV-Belichtungsanlage, die bereits physikalisch getrocknete Lacke vernetzt. Wie viel Zeit zwischen physikalischer Trocknung und dem Vernetzen verstreicht, ist unwichtig. Die Roboterspritzanlage kann sowohl lösemittelhaltige Lacke wie auch wässrige und chemisch-reaktive Systeme verarbeiten. Möglich machen dies spezielle Filteranlagen, die in der Firma Zurbuchen trocken und nicht – wie bei wässrigen Systemen normalerweise üblich – nass ausgelegt sind.

Kombinierbare Systeme

Zusätzlich ist bei Zurbuchen eine Lackwalzanlage in Betrieb, die ebenfalls mit einer UV-Belichtungsanlage gekoppelt ist. Im Handspritzstand werden ausserdem kleine Aufträge und spezielle Arbeiten manuell ­beschichtet. Diese lassen sich dann je nach Bedarf ebenfalls mit UV-Licht vernetzen. Damit ist die Verwendung des gleichen Lackes sowohl in der Durchlaufanlage wie auch im Handspritzstand möglich. Vor dem Umbau wurde bei Zurbuchen in zwei Handspritzständen ausschliesslich lösemittelhaltiger Lack gespritzt. «Mit den neuen Anlagen ist uns die Reduktion der VOC-Emissionen von vorher 24 t auf heute 2,5 t pro Jahr gelungen», erklärt Christoph Zurbuchen. wi

 

Zurbuchen Söhne AG

Kombinierte Technik

Die im thurgauischen Amlikon ansäs-sige Schreinerei fertigt mit rund 40 Mitarbeitern individuelle Möbel und Systemmöbel für Büros. Lackiert wird je nach Auftragsart und -grösse auf unterschiedlichen Anlagen. Hauptzelle ist ein Durchlauf-Spritz-Roboter mit angegliedertem Paternostertrockner und einer UV-Härtungsanlage. Daneben hat das Unternehmen eine Lackwalzanlage mit UV-Härter in Betrieb. Schliesslich werden Kleinmengen auch im Handspritzstand beschichtet und anschliessend physikalisch getrocknet oder ebenfalls durch den UV-Belichter gehärtet. Damit ist die Kombination unterschiedlicher Abläufe und Techniken möglich. Zurbuchen verarbeitet sowohl lösemittelhaltige Lacke wie auch wässrige Systeme auf den gleichen Anlagen. Auch 2-K-Lacke sowie UV-härtende Systeme lassen sich ein-
fach verarbeiten. Geleitet wird der Betrieb von den vier Brüdern Urs, Thomas, Christoph und Lukas Zurbuchen. Jeder übernimmt dabei seine spezifische Führungsaufgabe.

www.zurbuchen.com

 

Spezialitäten in hoher Qualität

Ausser in der Schweiz montiert die Firma Ladenbau AG in Liestal auf der ganzen Welt hochstehende Ladenbaulösungen. Verlangt werden von der anspruchsvollen Kundschaft edle Hochglanzoberflächen genauso wie trendige Struktur- und Mattlacke, die sich nur bedingt industriell applizieren lassen. «Wir haben daher beschlossen, die manuellen Auftragstechniken beizubehalten, die dazu nötige Technik aber auf höchstes Niveau zu setzen», sagt Co-Geschäftsführer Thomas Weber. 

Trocknung optimiert

Eingebaut hat das Unternehmen eine Spritzkabine mit Zu- und Abluftmanagement sowie eine Trocknungskabine, die verschiedene Bedürfnisse abdecken kann. Die Spritzkabine ist mit einer rund 80 cm tiefen Unterflurabsaugung und Filteranlage ausgerüstet. Die Zuluft strömt von oben ein. Zu- wie Abluftflächen erstrecken sich über die gesamte Grundfläche. «Das garantiert optimale Strömungsverhältnisse, bei denen der Overspray vollständig abgesaugt wird. Er kann sich weder an den Wänden noch auf dem Spritzgut absetzen», meint Weber. Geheizt wird die Kabine über einen separaten Kreislauf. Damit ist die Wahl der passenden Spritztemperatur möglich. In der Kabine selber soll es nicht wärmer als etwa 20 °C sein, sonst reagieren die eingesetzten lösemittelhaltigen 1-K- und 2-K-Lacke zu schnell. Im angrenzenden Trockenraum dagegen soll es entsprechend warm sein. 

Infrastruktur angepasst

Wichtig war dem Unternehmen die Wärmerückgewinnung. Diese weist einen Wirkungsgrad von etwa 75% auf und kann ­daher einen beträchtlichen Teil der eingesetzten Energie wieder in den Kreislauf zurückspeisen. Der Trocknungsraum ist in unterschiedliche Bereiche eingeteilt. Kommen die Werkstücke auf dem Tragarmwagen aus der Spritzkabine, müssen sie zuerst in den Ablüftbereich. Dort wird das Entweichen der Lösemittel forciert, bevor der Lack im Trockenbereich vernetzen kann. Dazu setzt die Ladenbau AG eine Zuluft-/Abluftanlage mit vorgewärmter Reinluft ein. Frequenzgeregelte Motoren sorgen für fein regelbare Verhältnisse innerhalb der Kabinen. Ergänzt wird die Anlage durch einen ebenfalls lufttechnisch erschlossenen Schleifbereich. Schleifstaub wird durch die kontrollierte Luftlenkung weg von der Spritzkabine, hin zu einer Absauganlage geführt. Auf der gegenüberliegenden Seite wird die gereinigte Luft wieder zugeführt. wi

 

 

Ladenbau AG

Manuelle Spritztechnik

Der Schreinerbetrieb in Liestal hat sich bewusst für die Beibehaltung der Löse-
mitteltechnik entschieden. Für ihre Bedürfnisse mit den hohen Qualitätsan-
forderungen seien die wässrigen Sys-
teme noch nicht optimal entwickelt. Alle Anlagen sind aber für wässrige Systeme vorbereitet. Die Firma mit
40 Mitarbeitern hat sich als Spezialist im Verarbeiten von Glatt-lacken, Struktur-, Schleif- und Hochglanzlacken ent-
wickelt und führt auch Lohnarbeiten für andere Schreiner aus. Gespritzt wird manuell in einer mit beheizbarer Reinluft gespiesenen Spritzkabine. Die Trocknung und Vernetzung der Lacke erfolgt in einer separaten Trockenkammer. Die Gebäude der Ladenbau AG sind zum Teil sehr alt, entsprechend schwierig war die Unterbringung der einzelnen Komponenten. Die Trocknungskabine etwa wurde nicht als Metallbaukabine konzipiert, sondern als Holzkonstruktion innerhalb der bestehenden Gebäude. Filteranlagen auf dem Dach der Schreinerei reinigen Zu- und Abluft und speisen die gewonnene Wärme zurück in das System.

www.ladenbau.ag

 

Spritzroboter für das Handwerk?

In einem Schreinerbetrieb in der Nähe von Como (I) steht diese neue Anlage. Leider konnte die SchreinerZeitung die Einrichtung nicht besichtigen, trotzdem ist die Roboteranlage auch für Schweizer Schreiner sehr interessant. Die neue «Robot GS15» von Giardina
Finishing könnte eine gelungene Adaption der indus­triellen Spritztechnik für das Handwerk bedeuten. Kombiniert werden die beiden Funktionen Roboterapplikation und Handspritzen. Die Anlage besteht aus einer beheizbaren Reinluft-Spritzkabine mit Rückwand- und Boden­absaugung sowie einem
Linearroboter mit Zuführtisch. In der Kabine lässt sich etwas Überdruck erzeugen. Damit eignet sie sich auch als einfache Spritzkabine. Eingesetzt werden Geräte zur Handapplikation. Die Rückwandabsaugung kann man dazu mittels Schiebeblechen einfach frei-
geben. Damit sind alle notwendigen technischen Voraussetzungen gegeben, die es für die Handapplikation braucht.

Für das Handwerk geeignet?

Zusätzlich ist in der Kabine ein Fünfachs-Linear-Spritzroboter eingebaut. Zusammen mit dem auf Schienen gleitenden Zuführwagen lassen sich damit Werkstücke halbindustriell und in ­hoher Qualität beschichten. Spritz­parameter und Arbeitsprogramme steuern den verschleissarmen Spritzkopf von Bosch. In der Standardversion sind bereits vier Lackkreisläufe eingebaut. Das bedeutet einfacher Lackwechsel bei wenig Materialverlust, weil die Leitungen weniger oft gespült werden müssen. Bei einem Farbwechsel muss man nur die letzte Strecke zwischen dem Ventilblock und dem Spritzkopf spülen. In einer Raumecke ist die ­Ser­vicestation des Spritzautomaten ­an­gebracht. Sie dient bei Nichtgebrauch als Parkplatz für den Spritzkopf, be­herbergt aber auch die Auffangvorrichtung für den Spülvorgang. 

Scannen von unten

Für den Roboterbetrieb steht ein fahrbarer Zuführtisch zur Verfügung. Er besteht aus einer Glasplatte, über die ein Endlospapier ab Rolle gespannt ist. Glas als Spritzunterlage kommt zum Einsatz, damit die darauf liegenden Teile beim Einfahren in die Kabine von unten gescannt werden können. Die Beschichtung der Teile erledigt der Fünfachsroboter anschliessend selbständig. Nach dem Lackieren fährt der Zuführwagen wieder aus der Kabine und die Teile lassen sich von Hand oder seitlich über einen Förderer abstapeln. Türen lassen sich an der Kabine auch seitlich anbringen, damit die Abstapelung im Durchlauf erfolgen kann.

www.batcon-maschinen.ch

 

Veröffentlichung: 15. September 2011 / Ausgabe 37/2011

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