Wenn die Luft raus ist, kommts gut

Als Einstieg in die Vakuumtechnik eignen sich sogenannte Vakuumsäcke, wie das Modell «Vacuflex» von Columbus. Bild: Eigenmann AG

Vakuumpressen.  Wer eine effiziente und vielseitige Technik für Pressarbeiten sucht, die sich auch für flächige Teile lohnt und allenfalls die klassische Furnierpresse ersetzen kann, der hält am besten auch in Richtung Vakuumtechnik Ausschau.

Die klassische Furnierpresse mit beheizbaren Flächen ist heute nach wie vor die am weitesten verbreitete Presslösung in der Schreinerei. Vakuumpressen dagegen sind eher selten und stellen für viele Schreinereien eine exotische Lösung dar. Sie erscheint vor allem geeignet für Hersteller von Formteilen. «Der Anteil an Vakuumpressen liegt aktuell bei geschätzten 10 bis 20 Prozent, die Tendenz ist jedoch steigend», sagt Michael Boller von der Ineichen AG aus Ermensee LU, die Vakuumpressen der Barth GmbH vertreibt. «Aktuell verspüren wir bei unseren Kunden ein vermehrtes Interesse an Vakuumpressen», pflichtet Michael Eigenmann von der Eigenmann AG bei. Der Maschinenhändler aus Dietfurt SG hat Vakuumlösungen der Firma Columbus GmbH im Angebot. Wer sich mit der Vakuumtechnologie etwas befasst, erkennt rasch, dass es sich hierbei um eine attraktive Möglichkeit für jeden Schreinerbetrieb handelt.

Individuelle Formteile leicht herstellen

«Vakuumtechnik ist sehr vielseitig einsetzbar. Jeder Betrieb kann damit selbstständig Sonderteile fertigen, welche sonst teuer eingekauft werden müssen», sagt Eigenmann. Vakuumpressen sind für die Bereiche des Schicht- und Formverleimens bekannt und bewährt.

Das Prinzip ist einfach: Um die zu verleimenden Schichtstoffe in Form zu bringen, braucht es nur einseitig eine Schablone. Diese wird in der Regel mithilfe geeigne- ter Holzwerkstoffe wie beispielsweise MDF und HDF hergestellt. Die Bearbeitung der Teile mittels CNC bietet sich dabei wegen der Genauigkeit an. Ist die Schablone hergestellt, kann diese mit den zu verpressenden, mit Leim versehenen Materialschichten bestückt werden. Die Form samt Material wird anschliessend in einen Vakuumsack geschoben. Ist dieser verschlossen, wird die Vakuumpumpe betätigt, welche die Luft aus dem Sack zieht. Der so entstehende Unterdruck innerhalb des Sacks lässt diesen sich lückenlos und exakt gleichmässig an das Pressgut anschmiegen. Die Umgebungsluft, die einen normalen Luftdruck aufweist, wirkt dabei als Pressmedium mit hohem Druck auf das Material im Sack ein. Eine zweite, äussere Schablone fällt weg und damit auch der Aufwand für deren passgenaue Herstellung. «Je nach Modell kann mit einer Vakuumlösung ein Pressdruck bis zu 10 Tonnen pro Quadratmeter erreicht werden. Bei einem Vakuumsack starten die Preise bei 1500 Franken einschliesslich Pumpe», erklärt Boller.

Vakuumpressen für höhere Effizienz

Während das Handling mit einem Vakuumsack eher aufwendig ist, ist die Bedienung einer Maschine mit klappbarem oder abhebbarem Deckel, welcher die Vakuummembran enthält, effizienter. Das System ist in einem Maschinenständer gebrauchsfertig verbaut. Je nach Modell lassen sich die Maschinen auf Rollen verschieben, oder der Presstisch kann hochgeklappt werden, was viel Platz spart. Für Pressvorgänge, welche Wärme benötigen, lassen sich einige Modelle mit Heizschubladen ausstatten. So bringt man auch Mineralwerkstoffe und Acrylglas in Form.

«Besonders interessant ist, dass sich diese Lösungen auch für einen Schreinerbetrieb mit durchschnittlichen Anforderungen anbietet», betont Boller. Eine Vakuumpresse eignet sich zum Belegen und Furnieren von flächigen Teilen sehr gut. Arbeiten also, die jede Schreinerei regelmässig ausführt.

Die Anschaffungskosten sind im Vergleich zu einer Furnierpresse gering. Gemäss Auskunft der Ineichen AG startet der Preis für eine Vakuumpresse mit klappbarem Tisch der Barth GmbH in der Grundausführung bei rund 15 000 Franken. Folgende Punkte sprechen laut der Fachleute ausserdem für Vakuumtechnik:

  • Im Vergleich zu einer herkömmlichen Furnierpresse braucht das Vakuum- verfahren einen Bruchteil des Stroms, da keine Pressflächen erwärmt werden müssen. Der Siedepunkt von Wasser sinkt bekanntlich, je weniger Druck vorhanden ist, und diese physikalische Tatsache lässt Kleber, welche Wasser als Lösemittel nutzen, auch ohne Hitze sehr rasch abbinden. Die Zeiten reduzieren sich bis zu 50 Prozent.
  • Weil sie nicht erhitzt wurden, müssen die Teile nach dem Pressvorgang auch nicht ausgelüftet werden, die direkte Weiterverarbeitung ist möglich und damit eine zusätzliche Zeitersparnis.
  • Bei der Vakuumpresse wirkt der Druck ringsum gleichmässig auf das Werk- stück und die Membran und passt sich allen Unebenheiten an. Somit können beispielsweise bei einem Werkstück auch Kanten belegt oder furniert werden. Das Risiko für Fehlverleimungen wegen Dickenunterschieden, wie Kürschner, ist dabei gering.
  • Viele Maschinenmodelle lassen sich verschieben und, falls mit klappbarem Vakuumtisch ausgerüstet, besonders platzsparend verstauen.
  • Versehen mit einer Abdeckung, lässt sich eine Vakuumpresse zusätzlich als grosser Arbeitstisch nutzen.
  • Die Membran besteht in der Regel aus hochwertigem Naturkautschuk. Wer seine Maschine nach Herstellervorgabe bedient und pflegt, kann bis zu 250 000 Pressvorgänge ausführen. Somit ist diese Lösung äusserts langlebig bei gleich- zeitig sehr geringen Unterhaltskosten. Nur die Vakuumpumpe muss regel- mässig gewartet werden.

Ein wichtiger Punkt ist der passende Leim, der bei Werkstücken für die Vakuumpressen eingesetzt wird. Heute existiert eine Vielzahl an Produkten, die exakt auf die gewünschte Anwendung zugeschnitten sind. «Hier empfehlen wir eine Beratung durch den Klebstofflieferanten, um die richtige Wahl zu treffen», sagt Eigenmann. «In den meisten Fällen werden zunächst Flächen belegt. Mit wachsender Routine und Erfahrung wurden die Schreiner immer kreativer und erweiterten das Einsatzspektrum auf Formteile, Mineralwerkstoffe oder das Verleimen von Kanten», erklärt Boller.

Die Grenzen kennen

Natürlich hat auch die Vakuumtechnik ihre Grenzen, und bei einigen Anwendungen ist Vorsicht geboten. Die Abmessung der Werkstücke ist immer durch die Grösse des Sacks respektive des Vakuumtisches begrenzt. Ein Nachschieben wie bei der Furnierpresse ist nicht möglich. Werkstücke bis zu 2600 × 950 Millimeter Grösse sind jedoch mit grossen Modellen möglich. Columbus hat mit dem 2022 vorgestellten Modell «Infinity» eine Vakuumpresse im Angebot, bei der Werkstücke von 10 Metern Länge und mehr eingelegt werden können. Dabei lässt sich die Membran auf die gewünschte Länge abrollen. Multizonen-Absaugung und Membran-Dichtungsbalken ermöglichen eine Steuerung der benötigten Zonen, wenn nicht die ganze Fläche benötigt wird. Ausserdem gilt es zu beachten:

  • Die zum Pressen eingesetzten Schablonen müssen genügend stabil gebaut sein, damit diese nicht unter dem hohen Druck implodieren und die Presse beschädigen.
  • Die Membran einer Vakuumpresse muss mittels Abdeckplatte oder Blache vor Sonneneinstrahlung geschützt werden, da Naturkautschuk nicht UV-stabil ist.
  • Ebenso ist Vorsicht geboten bei der Verwendung von bestimmten Leim- typen. Wenn nicht Weissleim einge- setzt wird, muss die Membran mit einer Trennschicht vor Verschmutzung und dem Verkleben geschützt werden. Oft kommt dabei eine Plastikfolie zum Einsatz.

Die Erfahrung bringts

Am besten gelingt der Einstieg in die Vakuumtechnik mit einer Schulung. Dabei sind die Händler behilflich. «Unser Hersteller Columbus bietet eine digitale Schulung an, in der das Anwendungswissen der letzten mehr als 45 Jahre zusammengefasst wurde», sagt Eigenmann. Die Schulung kann selbstständig im eigenen Betrieb durchgeführt werden. Schulungskosten entfallen daher, und weitere Mitarbeitende können auf einfache Weise ausgebildet werden. «Wir stellen den Anwendern detaillierte Schulungsunterlagen zur Verfügung und zeigen bei Bedarf einzelne Techniken bei uns in Ermensee an der Demomaschine», sagt Boller. Wer die Technik nutzt, sammelt Erfahrung.

www.eigenmannag.chwww.ineichen.chwww.columbus-tech.comwww.barth-maschinenbau.de

Das sagt der Praktiker

Einer, der einige Tricks kennt, ist der 26-jährige Schreiner Fabian Winiger, der derzeit eine Ausbildung zum Produktionsleiter VSSM macht. Er hat Erfahrung mit der Vakuumpresse und kennt deren Vorteile sowie Herausforderungen sehr gut. «Flächenbelegen mit Vakuum ist sehr effizient. Es gilt jedoch, einige Punkte zu beachten», sagt er.

Der hohe Druck und die Tatsache, dass sich die Membran sehr fest an ein Werkteil anschmiegt beim Pressen hat zur Folge, dass der Belag im Kantenbereich abbricht, wenn dieser übersteht. Bei Furnier oder Kunstharz kann dies rasch der Fall sein. Als Lösung dient eine Platte, welche als Zulage zuoberst auf das Werkstück aufgelegt wird und ringsum übersteht. Damit wird der Belag geschützt, und im Randbereich bricht nichts ein. Alternativ kann der Randbereich mit Abschnitten ausgelegt werden, welche zusammen mit dem Werkstück auf die gleiche Dicke oder sogar leicht dünner geschliffen wurden. So gelingen konventionelle Arbeiten mit Sicherheit.

Für Schubladen mit Siphonausschnitt

Für Formteile und Spezialanwendungen ist das Vakuumverleimen besonders gut geeignet. «Ist die Schablone einmal hergestellt, lassen sich eigene Formteile rasch produzieren», sagt Winiger. Beispielsweise rund geformte Rückwände für Schubladen mit Siphonausschnitten aus mehreren verklebten Schichten Kunstharz und Furnier. Dabei ist ein Innenradius von nur 100 Millimetern absolut unproblematisch. Für das Verkleben von Kunstharz kommt jedoch ein Schaumleim zum Einsatz. «In solchen Fällen müssen die Teile mit Stretchfolie eingewickelt werden, um die Membran nicht zu verschmutzen», rät er. Sonderteile, die ansonsten als Halb- oder Fertigprodukte eingekauft werden müssen, lassen sich im eigenen Betrieb herstellen. Dies steigert die Wertschöpfung und lässt individuelle Lösungen auf Mass zu.

Für Betriebe mit wenig Furnier

Die Vakuumtechnik kann für jeden Schreiner eine kostengünstige, effiziente und gleichzeitig sehr vielseitige Presslösung sein, welche eine konventionelle Furnierpresse ablösen kann. Insbesondere Betriebe, die einen eher kleinen Anteil an Furnierarbeiten oder Arbeiten zum Belegen haben, können profitieren. Bei gleichzeitiger Kostenreduktion kann sich das Einsatzspektrum erweitern. Es lohnt sich auf jeden Fall, diese Möglichkeit zu prüfen. «Die Anwendungen sind fast unbegrenzt, und so macht die Arbeit mit der Vakuumpresse wirklich Spass», meint Winiger.

Roland Wildi, RW

Veröffentlichung: 20. Juni 2024 / Ausgabe 25/2024

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