Welcher klebt besser?


Die Wahl des «richtigen» Klebstoffsystems beschäftigt die Schreiner. Schmelzkleber wie diese von Henkel leisten aber viel mehr, als man meint.
Die Wahl des «richtigen» Klebstoffsystems beschäftigt die Schreiner. Schmelzkleber wie diese von Henkel leisten aber viel mehr, als man meint.
Klebeverfahren. Bei der Evaluation einer Kantenleimmaschine ist die Wahl des «richtigen» Klebstoffsystems ein wichtiger Faktor. Einfache Schmelzkleber, Polyurethan oder gleich Laser? – Jedes System hat seine Berechtigung und nicht immer werden sie ihrem Ruf gerecht.
Einfacher Schmelzkleber, Polyurethan oder doch gleich mit dem Laser kleben? Diese Frage spaltet die Kantenleimergemeinde. Die Auswahl der «richtigen» Klebetechnik an der Kantenanleimmaschine steht meist zuvorderst beim Evaluieren einer Anlage. Wer sich in der Schreinerbranche bewegt, bekommt immer wieder die gleichen, einfachen Grundsätze zu hören: Einfache Schmelzkleber (EVA) seien weder wasser- noch hitzefest, Polyurethan (PU) sei beides und Laser übertreffe PU in jeder Hinsicht. Zudem seien bei EVA und PU die Fugen zu sehen. Doch die Qualität der Verleimung an der Maschine nur auf das Klebesystem zu reduzieren, greift deutlich zu kurz. Immer mehr setzt sich unter Experten die Erkenntnis durch, dass die Verleimart auf die Qualität des Endprodukts nur einen untergeordneten Einfluss hat.
«Die allgemein gängigen Argumente haben etwa bei EVA bei näherer Betrachtung nur beschränkt Bestand», sagt Severin Niklaus von der Homag Schweiz AG. Vielmehr sei es die Nachbearbeitung, die über Top oder Flop entscheide.
Das scheint logisch, wenn man das Klebesystem genau betrachtet. Einfache Schmelzkleber bestehen aus Polymeren, die für die innere Stabilität (Kohäsion) sorgen. Zudem sind klebrige Harze eingebaut, die bei Zimmertemperatur in festem Zustand sind. Bei der Erwärmung schmelzen sie, bei Abkühlung erstarren sie wieder und sorgen zwischen Kante und Kleber sowie zwischen Kleber und Trägermaterial für Haftung (Adhäsion).
Mittels Füllstoffen wird die Performance der Klebstoffe eingestellt. So lassen sich Schichtstärken einstellen, das Fliessverhalten und der Schmelzzeitpunkt verändern und der Kleber lässt sich einfärben. «Diese Stoffe sind allesamt nicht wasserlöslich und durch den Klebstoff gibt es kaum Wasserdiffusion», sagt Felix Stark, Entwicklungschef für Schmelzklebstoffe von Jowat Deutschland. Theoretisch sei also auch eine Fuge mit einfachem Schmelzkleber wasserfest, denn es gäbe keine Komponente, die mit dem Wasser reagieren würde. «Zudem füllt der Schmelzkleber alle Hohlräume an der Spanplattenkante sauber auf, so dass sich innerhalb des Klebefilms keine Feuchtigkeit ausbreiten kann», erklärt Stark.
Für die angeblichen Schwächen des Schmelz- klebers muss es also andere Ursachen geben. «Man muss bei der Belastung zwischen flüssigem Wasser und Wasserdampf unterscheiden», sagt Severin Niklaus. Nur der letztere könne der Verleimung etwas anhaben. Um den Vorgang zu untersuchen, hat Niklaus Versuchsverklebungen gemacht. Dabei hat er herausgefunden, dass erst die Wärme aus dem Dampf der Fuge zusetzt. Sie öffnet sich leicht und lässt die Feuchte eindringen. Dadurch quellen die Spanplatten auf, was die Fuge erst recht öffnen lässt. Solange die Fuge aber geschlossen sei, passiere gar nichts. Und dies sei so lange der Fall, bis eine bestimmte Temperatur überschritten werde.
Moderne Schmelzkleber erweichen bei etwa 120°. Die Verarbeitung erfolgt je nach Maschinenanbieter bei rund 250°. Mit der Erkenntnis, dass es in der Küche wohl nur im Bereich des Backofens und eventuell noch beim Geschirrspüler zu einer folgenschweren Kombination von Wasser und Wärme kommen kann, könnte man die Schmelzkleber in der Küche fast uneingeschränkt und im Bad ohne jede Einschränkung als tauglich bezeichnen. Die gefährdeten heiss-feuchten Stellen muss man einfach entsprechend schützen, zum Beispiel mit Blechstreifen oder Metallprofilen.
In der Theorie kommen diese Argumente schlüssig daher. Doch in der täglichen Anwendung muss man dazu Vorbehalte anbringen. Das Anleimen von Kanten mit EVA-Kleber in Badezimmern ist doch mit gewissen Risiken verbunden, etwa dann, wenn die Fuge nicht hundertprozentig dicht ausgeführt wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies passiert, ist relativ hoch. Möglich sind zum Beispiel Fehler beim Leimauftrag. «Das Werkstück darf die gerillte Leimwalze beim Auftrag nicht berühren», sagt Patrick Nardi von Biesse Schweiz. Nur so sei der Auftrag eines durchgehenden und vor allem gleichmässigen Leimfilms auf dem Werkstück möglich. «Das Werkstück soll einen Schmelz- kleberfilm von der Auftragswalze ziehen», meint Nardi. Am Werkstückende soll zudem ein kleiner Wulst Leim aus der Fuge dringen. Ein Wulst am Anfang des Werkstückes ist aber unerwünscht, denn dieser zeigt an, dass die Werkstücke die Auftragswalze berühren.
Nardi empfiehlt, immer wieder Probestücke ohne Nachbearbeitung zu fertigen und die Leimfuge genau zu kontrollieren. «Es sollte immer lückenlos etwas Leim aus der Fuge drängen», sagt Nardi. Wenn sich nur sogenannte «Mäusezähne» zeigten, also nur punktweise Leimtropfen aus der Fuge drängen, weise dies auf offene Fugen hin. Doch auch der geichmässige Leimaustritt kann zu Problemen führen. «Gefährlich wird es beim Bündigfräsen und bei der Ziehklinge, als Täter kommt meistens letztere infrage. Sie droht die Oberflächenbeschichtung der Trägerplatte zu beschädigen», meint Severin Niklaus. Bleibe eine Klebstoffspur auf der Platte, würden viele Maschinisten die Ziehklinge absichtlich etwas tiefer einstellen, um den überschüssigen Klebstoff auch wirklich restlos zu entfernen. Damit spart man bei der manuellen Nachbearbeitung. «Man darf die oberste Melaminschicht der Platten aber keinesfalls verletzen», sagt Niklaus. Wirklich zu sehen seien solche Beschädigungen erst, wenn die Klinge bis zum Dekorpapier vordränge, dies sei aber definitiv zu tief.
Auch wenn es beim Kantenleimen vordringlich auf die dichte Fuge zwischen Dekorbelag und Kante ankommt und sich diese auch mittels EVA-Kleber zuverlässig schliessen lassen, haben reaktive PU-Systeme gegenüber den einfachen Schmelzklebern Vorteile. «Die Verbindung zur Melaminfolie lässt sich mittels PU-Technik deutlich einfacher realisieren, sie haften einfach besser», sagt Severin Niklaus. So könne man eine gut verklebte Kante nicht mehr von der Platte entfernen, ohne sie zu zerstören. Zudem seien sie sehr hitzebeständig und heisser Dampf könne ihnen kaum etwas anhaben. Der «Purmelt HKP 26» von Geistlich etwa lässt sich bereits bei etwa 150° verarbeiten. Das ist rund 100° tiefer als bei EVA-Klebstoffen. Entsprechend weniger verfärbt sich der Klebstoff, wenn er längere Zeit auf Temperatur gehalten wird, etwa bei einem längeren Unterbruch beim Kleben.
Auch die Fugenstärke hat sich verändert. «Mit modernster Leimtechnik lässen sich Fugen von nur noch 0,2 bis 0,3 mm Stärke erzielen», sagt Felix Stark von Jowat. Er verweist auf die stark verbesserten Klebstoffe, die in letzter Zeit auf den Markt gekommen sind. Tatsächlich hat sich bei der Zusammensetzung einiges getan. «Die Klebstoffe sind heute deutlich weniger mit Füllstoffen versetzt», erklärt Stark. Mit dem Einsatz von neuen Polymeren wie Polyolefine seien die Klebstoffe auch beständiger geworden. Dafür sei aber die richtige Einstellung der Maschine noch einmal schwieriger geworden. «Nur wer seine Maschine perfekt unterhält, stets wartet und sie peinlich sauber hält, kann die Prozesssicherheit im Griff haben.»
Bleibt die Frage, welche Maschine respektive welches Klebesystem für wen tauglich ist. «Handwerkliche Betriebe setzen nach wie vor mehrheitlich auf EVA und fahren damit gut», sagt Severin Niklaus. Dagegen setzt die Industrie fast vollständig auf PU oder sogar auf Laser oder Plasma. Doch diese Systeme sind recht aufwendig zu betreiben und bedingen grosse Investitionen. Und nach wie vor gibt es nicht jede Kante in Laserqualität. Ob sich die zu Laser und Plasma angekündigte Alternative Heissluft in der Praxis bewährt, wird sich weisen. Entwickeln sich Maschine und Klebstoff weiter wie bisher, wird die konventionelle Schmelzklebetechnik mit EVA oder Polyolefinen wohl weiterhin ihre Abnehmer finden – zurecht!
Wer die bestmögliche Fugenqualität aus seiner Kantenleimmaschine herausholen will, sollte die herstellerübergreifenden Kantenleimworkshops unter der Federführung von Geistlich Ligamenta nicht verpassen. An noch zwei Standorten kann man sich mit wertvollen Tipps und Tricks von Maschinenherstellern, Klebstoffproduzenten und Kantenzulieferern versorgen. Am Workshop wird gezeigt, wie man Fehlverklebungen verhindern kann und wie man durch einen optimalen Materialeinsatz Kosten und Zeit sparen kann. Dabei wird die Maschineneinstellung genauso zum Thema wie die Wahl des richtigen Klebstoffes. Maschinenseitig werden die Workshops durch die Eigenmann AG, die HM Spörri AG und Biesse Schweiz GmbH getragen. Von den Kantenzulieferern sind die beiden Firmen AFS Furniere und Kanten sowie C+R Möbelkanten beteiligt. Zudem zeigt die Firma Geistlich Ligamenta die neuesten Produkte. Die Veranstaltungen finden in Bachenbülach (24.bis 26. September) und Kriens (8. bis 10. Oktober) statt.
www.geistlich.chSchmelzkleber auf Basis Ethylenvinylacetat (EVA) bestehen aus Polymeren und Harzen, die unter Wärmeeinfluss aufschmelzen. Kühlen sie wieder ab, sind sie sofort wieder hart und haben die gleichen Eigenschaften wie vor dem Schmelzen.
Polyurethankleber (PU) bestehen aus Teilen, die sich schmelzen lassen und vernetzenden Polymeren. Im Kantenleimer sorgt der schmelzfähige Teil für Anfangshaftung, die anschliessende Vernetzung für dauerhaft beständige Fugen.
Alle drei Verfahren arbeiten mit einer zweischichtigen Kante. Die Werkstückseite lässt sich mittels Laserstrahl, Plasmadüse oder mit sehr heisser Luft auf- schmelzen und sofort anpressen. Je nach Wärmequelle lassen sich unterschiedliche Geschwindigkeiten fahren.
Mit dem «Kantenking» ist ein neues Heissluftaggregat auf dem Markt erhältlich. Damit lassen sich gemäss Hersteller pro Minute bis zu 20 Laufmeter Kante anfahren, der Energieverbrauch ist aber hoch. Die heisse Luft wird dabei in einem Behälter erzeugt und über eine Transportleitung zur Kante geführt. Gemäss Hersteller soll sich das Aggregat in alle handelsüblichen Kantenleimer integrieren lassen.
www.schugoma.deVeröffentlichung: 06. September 2012 / Ausgabe 36/2012