Von Zurücklehnen keine Spur

Toni Walker (82) in seinem Atelier in Flüelen, wo er noch lang kreativ sein möchte. Bild: Caroline Mohnke

Leute. Toni Walker geht schnellen Schrittes voraus die Holzwendeltreppe hinauf zu seinem Atelier.

Holzfiguren, Serpentinobjekte, Reliefs, Zeichnungen und Bronzefiguren zieren seinen hellen Arbeitsplatz mit einem spektakulären Blick auf den Urnersee und die umliegenden Berggipfel. Das Panorama im Fenster bettet sich wie ein schönes Gemälde in sein Atelier. «Hier oben bin ich tagtäglich, wenn ich nicht im Wald bin», sagt der Bildhauer aus Flüelen UR, der aus einer Holzerfamilie stammt. Das Elternhaus ist nur mit ein paar Schritten durch den Garten getrennt von seinem Atelier. «Hier bin ich mit sieben Geschwistern aufgewachsen.» In der Nachbarschaft gab es viele Kinder, und Walker hat es schon als kleiner Bub genossen, mit dem Vater in den Wald zu gehen. Unterhalb seines Ateliers hat Tobias Walker, einer seiner Söhne, seine Schreinerwerkstatt. Auch Toni Walker hat ursprünglich Schreiner gelernt. «Früher hat man noch viel mehr von Hand gearbeitet», blickt er zurück. In einer heutigen Schreinerei mit modernen Maschinen möchte er nicht arbeiten. Er erinnert sich auch gerne an die Zeit, als er die Holzbildhauerschule in Brienz, im Berner Oberland, besucht hat: «Das Handwerk und die Arbeit mit Holz faszinieren mich.» Später besuchte er in Luzern die Kunstgewerbeschule und vertiefte seine zeichnerischen Fähigkeiten. In seinem Atelier trifft man auf einige Stierskulpturen. Seine erste grosse Bronzearbeit steht in Altdorf vor der Urner Kantonalbank. «Zwei Meter siebzig lang und anderthalb Meter hoch ist der Bronzestier», erzählt Toni Walker.

«Manchmal sprechen mich die Leute an und sagen: ‹Du bist doch derjenige, der den grossen Uristier vor der Bank in Altdorf gemacht hat.› »

Ab und zu sprechen ihn die Leute an: «Du bist doch derjenige, der den grossen Uristier vor der Bank in Altdorf gemacht hat», erzählt er mit einem Lachen. Die Arbeit mit Bronze hat er sich selbst angeeignet. «Ich habe verschiedene Giessereien besucht.» Er habe die positiven Gussmodelle aus Gips oder Wachs zum Giesser gebracht, dieser habe sie in Sand oder Silikon gegossen. In Dornach restaurierte er die Karfreitagsrätsche. Diese ersetzt die Kirchglocken, die bis Ostern traditionell schweigen. In Flüelen hat er einst eine neue gebaut. Der begeisterte Bildhauer hat viele Kirchen und Orgeln restauriert. Gerade jetzt, in der schwierigen Weltlage, denke er viel an die Orgel in Kiew, deren Schnitzereien er gemacht habe. Sein achtjähriges Grosskind Elin kommt die Treppe hinauf mit einem Holzrelief und einer Zeichnung. Auf die Frage, ob er sich freuen würde, wenn die Grosskinder in seine Fussstapfen treten würden, antwortet er: «Die sollen ihren eigenen Weg gehen und lernen, was ihnen gefällt.» Er zeige seinen Grosskindern zwar gerne das Schnitzhandwerk, doch spätestens mit neun Jahren vergehe das Interesse meistens wieder, und andere Interessen rücken in den Blickpunkt.

Ans Zurücklehnen denkt der 82-Jährige keine Sekunde. Zu sehr liebt er seine Arbeit. Doch ab und zu bleibt auch Zeit für andere Sachen: «Am Sonntag waren wir wandern», erzählt er. In den Urner Bergen vor der Haustür. «Da muss man sich vollständig auf den Weg konzentrieren, denn auf unseren stotzigen Wegen darf man sich keinen Fehltritt erlauben.»

Caroline Mohnke

Veröffentlichung: 18. November 2024 / Ausgabe 45/2024

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