Von Gewässern magisch angezogen

Beim Fliegenfischen fängt Robin Ruetz (30) hin und wieder eine schöne Bachforelle.Bild: PD

Leute. «Ich bin ein richtiger Seebueb», beschreibt sich Robin Ruetz. Das ist eigentlich nur die halbe Wahrheit. Der 30-Jährige ist in Küsnacht am Zürichsee aufgewachsen und war schon als Bub viel am und im Wasser.

Mit seinem Vater erlebte er mit dem Segelboot den Zürichsee. Später brauste er mit einem Motorboot über das Wasser. Er erwarb den Segelschein für Binnengewässer, merkte aber bald, dass Seen für ihn zu zahm, zu überschaubar sind. «Es hat zu wenig Wind, zu wenig Action», stellt Ruetz fest. Die ganze Wahrheit ist deshalb, dass Ruetz ein Meerjunge ist. Denn das Meer zieht ihn seit jeher an. Das Meditative, die Luft, das Salzwasser. Aber auch das Raue, Unbändige und Unberechenbare. Seit sein Vater in Frankreich eine 40-Fuss-Ketsch-Segelyacht gekauft hat und die beiden zusammen über das Meer gesegelt sind, wollte Ruetz schnellstmöglich auch Skipper werden. Er lernte intensiv und bestand innerhalb eines Monats die theoretische Prüfung für den Hochseesegelschein. «Mit dem Segelboot auf dem Meer zu sein, ist kein All-Inclusive-Ressort. Man muss sich alles selber erarbeiten», schildert er. «Es ist ein Abenteuer, und das ist das Reizvolle», fügt er an. Wenn Ruetz mit einer Handvoll Menschen einen Segelturn plant – von Griechenland aus, wo das Segelboot seiner Familie seinen Standplatz hat –, weiss er, dass vieles nicht planbar ist: Wind und Wetter, Probleme und Pannen. «Man muss offen und spontan sein», weiss Ruetz. «Daraus ergeben sich die schönsten Momente.»

«Segeln bedeutet nicht nur pure Entspannung und Sonnenbaden. Als Skipper übernimmt man eine grosse Verantwortung für die Crew.»

So wie damals, als er mit seinem Vater nachts um die Isola di Stromboli gesegelt ist. Vom Schiff aus konnten sie den seit zehn Jahren grössten Vulkanausbruch und dazu die durch das Flammenlicht fluoreszierenden Quallen im Meer bestaunen. «Segeln bedeutet aber nicht nur pure Entspannung und Sonnenbaden. Als Skipper übernimmt man eine grosse Verantwortung für die Crew», betont Ruetz. «Es kommt immer wieder zu brenzligen Situationen, in denen man die richtige Entscheidung treffen muss.» Das hat Ruetz auch schon am eigenen Leib erfahren, als er einmal zehn Stunden vom Festland entfernt einen Fisch fing, der ihn stach. In kurzer Zeit schwoll seine Hand um das Dreifache an. Ruetz bekam Krämpfe und hatte Schmerzen wie noch nie in seinem Leben. Der Fisch war ein giftiges Petermännchen, dessen Stich auch tödlich sein kann. Glücklicherweise hatte Ruetz’ Vater Antihistamin und Cortison mit dabei, sodass alles gut ausging. Seine Faszination für Segelboote liegt quasi auf der Hand, denn er ist gelernter Bootsbauer. Dass er ein Handwerk lernen will, war früh klar. Nachdem er bei der Firma Boesch Classic Boats zwei Wochen lang geschnuppert hatte, konnte er die anspruchsvolle Lehrstelle antreten. Er lernte den traditionellen Holzbootbau, restaurierte Boote, machte Service- und Unterhaltsarbeiten. «Als Bootsbauer ist man Mechaniker, Schlosser, Schreiner, Elektriker und Logistiker in einem», sagt Ruetz. «Es ist eine körperlich anstrengende Arbeit, und viele wechseln nach einer gewissen Zeit den Bereich.» So auch er.

Nach mehreren Anstellungen als Bootsbauer ist er heute im Holzhandel tätig – als Geschäftsleiter der Bollinger Furniere AG in Nürensdorf ZH. «Die Liebe zum Holz hat mich schon immer begleitet. Diese Leidenschaft ist wichtig für meinen Job.» Weil das Meer nicht gleich nebenan ist, findet Ruetz im Alltag seinen Ausgleich mit einer anderen Beschäftigung am und im Wasser: «Ich bin passionierter Fliegenfischer und verbringe praktisch jede freie Sekunde an Flüssen.»

Franziska Herren

Veröffentlichung: 22. Juli 2024 / Ausgabe 29-30/2024

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