Von der Wolle zum Raumklima


Besonders im Renovationsbereich und beim diffusionsoffenen Bauen kann Schafwolle aufgrund ihrer Eigenschaften punkten. Bild: Fisolan AG
Besonders im Renovationsbereich und beim diffusionsoffenen Bauen kann Schafwolle aufgrund ihrer Eigenschaften punkten. Bild: Fisolan AG
Dämmstoffe. Die Skepsis gegenüber alternativen Dämmmaterialien ist bei vielen Handwerkern gross. Richtig eingesetzt, haben sie aber nicht nur ökologische Vorteile. Zwei Schreiner erklären, weshalb sie mittlerweile fast ausschliesslich auf Dämmstoffe aus Schafwolle setzen.
Decken oder Pullover aus Wolle – bei einigen weckt das Erinnerungen an kratzige Momente. Doch das natürliche Material erfreut sich wieder wachsender Beliebtheit. Kratzfreie Funktionswäsche aus Merinowolle, Innenausstattungen und Gebrauchsgegenstände mit Elementen aus Wollfilz oder Wärmedämmung aus Schafwolle sind wieder ein Thema.
Seit rund 15 Jahren setzt der Schreiner und Blockhausbauer Hans Koster aus Ennetaach ausschliesslich auf Dämmmaterialien aus Schafwolle. «Stellt sich bei der Beratung und Planung heraus, dass ein Kunde explizit einen mineralischen Dämmstoff will, dann winken wir ab», sagt Koster. Ähnliches berichtet auch Matthias Schlup, Geschäftsführer der gleichnamigen Schreinerei im bernischen Rapperswil: «Vor etwa sieben Jahren setzten wir zum ersten Mal Schafwolle ein. Mittlerweile verarbeiten wir kaum noch konventionelle Produkte.»
Doch was bringt Bauherren und Handwerker dazu, auf dieses Material zu setzen? Echte Schafwollprodukte verursachen zumindest etwas höhere Materialkosten. Sind das alles Öko-Idealisten? Als damals ein Kunde Matthias Schlup bat, für das Umbauprojekt Schafwolle einzusetzen, sei er schon sehr skeptisch gewesen. «Der Dämmstoff sieht anders aus, hat einen eigenen Geruch und fühlt sich auch anders an», sagt Schlup. Aber bereits bei der Verarbeitung machten sich erste Vorteile bemerkbar: Im Gegensatz zu den herkömmlichen Dämmstoffen entsteht kaum Staub und nichts juckt. «Insbesondere im Sommer und bei Arbeiten über Kopf weiss man das zu schätzen», bestätigt Hans Koster.
Allerdings unterscheidet sich die Verarbeitung von Schafwolldämmstoff ein wenig von anderen Materialien. Weil die Vliese weich und flexibel sind, empfiehlt es sich, sie mit Klammern zwischen den Sparren zu fixieren. Dafür lassen sich so auch kleinere Differenzen überbrücken oder Zwischenräume und Ritzen ausstopfen. Geliefert wird der Dämmstoff in Rollen. Diese sind je nach Hersteller in Dicken von etwa 40 bis 300 mm verfügbar. Nebst Standardbreiten können auch individuelle Masse bestellt werden. Die Vliese bestehen praktisch aus 100 % Schafwolle, die lediglich mit einem Mottenschutzmittel behandelt wird. Die Ge- fahr durch andere, tierische Schädlinge ist gemäss Herstellerangaben nicht grösser als bei anderen Dämmmaterialien. Schafwolle ist für sie unverdaulich.
Wer die Schafwolle wie konventionelle Dämmstoffe ohne Klammern zwischen die Sparren klemmen will, kann auf klassische Dämmplatten aus Wolle zurückgreifen. Um die dafür nötige Stabilität zu gewährleisten, werden hier allerdings Bindemittel beigemischt. «Deshalb setzen wir eigentlich nur natürliche Vliese ein. Entsprechend geplant, ist man bei der Montage genau so schnell wie mit Dämmplatten», sagt Hans Koster, der rund 500 m3 Vlies pro Jahr verbaut.
Für das Zuschneiden der Wollvliese steht spezielles Schneidewerkzeug zur Verfügung, das ein wenig an einen überdimensionierten «Pizzaschneider» erinnert.
Bleibt noch die Frage, weshalb sich Bauherren trotz des Mehrpreises für diesen alternativen Dämmstoff entscheiden oder überzeugen lassen. «Bei Ausschreibungen sind natürlich meistens konventionelle Dämmmaterialien aufgeführt», sagt Schlup. Man könne dann zwar einen Unternehmervorschlag machen, aber ohne beratendes Gespräch sehe der Bauherr halt nur den Preis. «Dabei hat Schafwolle nicht nur ökologische Vorteile, sondern auch positive Einflüsse auf das Raumklima», argumentiert Koster. Das darin enthaltene Keratin ist nachweislich in der Lage, in der Luft enthaltene Schadstoffe und Gerüche zu neutralisieren. Dieser Effekt macht sich zum Beispiel bei der Funktionsunterwäsche aus Merinowolle deutlich bemerkbar. Und seit einigen Jahren gibt es sogar Gipsfaserplatten im Angebot, denen Keratin beigemischt wird.
Wolle kann ausserdem bis zu einem Drittel seines Eigengewichts an Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben, ohne an Wärmedämmung zu verlieren – ideal also für diffusionsoffenes Bauen. Unter bestimmten Umständen kann deshalb sogar auf eine Dampfbremse verzichtet werden, ein wichtiger Aspekt, gerade wenn es um Umbauten und Renovationen von alten Holzbauten geht, wo das dichte Anbringen einer Dampfbremse manchmal fast unmöglich ist.
Und selbst wenn es zu einem Wasserschaden kommen sollte, die Wollfasern bieten Schimmelpilzen keinen Nährboden. «Wir hatten mal einen Fall, da kam es aufgrund eines Leitungslecks zu einem Wasserschaden. Die Dämmung war völlig durchnässt, nahm aber keinen Schaden. Es musste lediglich alles trockengelegt werden», berichtet Hans Koster.
Solche Aspekte lassen sich allerdings nicht direkt in einem Frankenbetrag ausdrücken. Deshalb setzen beide Schreiner auf eine ausführliche, persönliche Beratung. Die meisten Kunden liessen sich dann auch dafür begeistern. «Spätestens wenn sie ein Stück Wollvlies in den Händen halten, verstehen sie es», zeigt sich Matthias Schlup überzeugt.
www.block-hausbau.chwww.schlup-schreinerei.chwww.isolena.chwww.fisolan.chVeröffentlichung: 19. Juni 2014 / Ausgabe 25/2014