Von Arven, Büffeln und Bären

Mit den traditionellen Engadiner Baustoffen lässt sich viel Stimmung erzeugen. Der Büffelkopf setzt im gemütlichen Gastraum einen markanten Akzent.

Hotelschreiner.  In Bivio haben ein innovativer Hotelier und ein Baufachmann eine eigene Organisation zur Sanierung von Hotels und Liegenschaften aufgezogen. Zum Konzept gehört auch eine eigene ungewöhnliche Schreinerei.

Wer sich mit Felix Barandun unterhält, spürt sein grosses Engagement – für seinen Arbeitgeber, aber auch für den Werkstoff Holz und für die Region, in der er lebt und arbeitet. Der gelernte Zimmermann und Bauführer saniert mit seinem Team in der Heimat von Braunbär M13 Hotels und Immobilien der Swiss Mountain Hotel Group. Neben einem Gasthaus in Bivio am Julierpass hält und verwaltet Besitzer Hans-Jörg Buff insgesamt fünf Hotel- und Gastrobetriebe sowie weitere Immobilien in St. Moritz und Umgebung. Schon immer hat Buff den Unterhalt seiner Hotels und Liegenschaften selber organisiert. Dazu hat er eigens die PB Engadina Bau AG gegründet und mit Felix Barandun einen langjährigen Geschäftspartner als Leiter an Bord geholt. Dieser führt das Umbaugeschäft und seit zwei Jahren innerhalb der Firma auch eine eigene kleine Schreinerei mit drei Mitarbeitern.

«Hölzig», durch und durch

Felix Barandun lässt sich nicht einfach katalogisieren, er ist weder ein typischer Zimmermann noch ein Geschäftsmann und schon gar nicht Schreiner. Tausendsassa würden ihn die einen nennen, zutreffender wäre wohl das Attribut «kreativer, zupackender Generalist». Er hat sich jahrzehntelang mit dem Umbau verschiedenster Liegenschaften beschäftigt. Barandun ist zwar «hölzig» durch und durch, kennt sich aber mittlerweile in fast allen Gewerken so gut aus, dass er bei seinen Projekten mehrheitlich auf den Zuzug von Spezialfirmen verzichten kann. Dabei weiss er über Natursteinbearbeitung genau so kompetent zu berichten wie über Gipser-, Elektriker-, Sanitär- und Schreinerarbeiten.

Geballte Schlagkraft

Wenn es um Projekte und Termine geht, lässt er nichts anbrennen. «Wir nutzen jeweils die Zeit zwischen den Hauptsaisons um ein Projekt zu realisieren. Dann muss alles sehr schnell gehen, kalte Hotelbetten sind eine Belastung», lacht der Holzfachmann. Bei grösseren Projekten beschäftigt Barandun auch schon mal bis zu 50 Mitarbeiter. Diese generiert er aus seinen umfangreichen Geschäftskontakten und setzt seine langjährigen Mitstreiter als Scouts ein. «Meine Mitarbeiter kommen vorwiegend aus Portugal und Rumänien. Das sind sehr fleissige Arbeiter, die immer noch jemanden kennen, den wir auch noch gebrauchen können», sagt Barandun. Mit dieser geballten Schlagkraft ist der Komplettumbau ganzer Hotelanlagen innert nur weniger Wochen möglich. Das Vorgehen ist dabei immer etwa gleich. Barandun bespricht sich mit Buff über Konzept, Termine und Budget, bereitet dann das Bauprojekt vor. In den Bauruhephasen produzieren die Mitarbeiter Baranduns Möbel und Einrichtungen und bereiten die Baustellen vor. «Für uns ist enorm wichtig, dass am Tag X alle benötigten Materialien vor Ort sind. Die Arbeiten dürfen nicht durch schlechte Planung oder fehlendes Material behindert werden», sagt Barandun.

Kurze Entscheidungswege

Während der eigentlichen Bauphase ist er aber stets auf der Baustelle anwesend. «Ich entscheide alles immer sofort, damit die Arbeiten unmittelbar fortgesetzt werden können», erklärt der erfahrene Baufachmann. Diese kurzen Entscheidungswege sind notwendig, damit die knappen Bauzeiten überhaupt möglich werden. Dabei entscheidet Barandun fast immer nach Augenmass. Komme etwas Unvorhergesehenes zum Vorschein, brauche es spontane Lösungen. Dabei fackelt er nicht lange und entfernt lieber etwas mehr, um Platz für Neues zu schaffen. Das grosse gegenseitige Vertrauen zwischen Buff und Barandun erleichtert auch die Kostenkontrolle. Wenn etwas Spezielles zum Vorschein kommt, auf das schnell reagiert werden muss, spielen die Kosten nur eine untergeordnete Rolle.

Pragmatische Lösungen gefragt

Augenmass beweist Barandun auch in der Wahl der Arbeitsmethoden. Lieber setzt er auf Handwerk als auf moderne, produktivere Methoden, die aber nur auf den ersten Blick besser rentieren. Zum Beispiel bei der Vorbereitung zur neuen Steinfassade am «San Gian»: Für den Aushub und die Betonarbeiten um das Hotel herum setzte Barandun auf Schaufel und Pickel anstelle von Bagger und Betonprofis. Betonarbeiten erledigten die Arbeiter mit dem Trommelmischer. «Das war zwar relativ aufwendig, die Kosten hielten sich trotzdem in Grenzen, denn es brauchte dadurch keine Baupiste für Bagger und Betonarbeiten. Ausserdem konnten wir wegen der stillen Bauweise die ganze Sommersaison bei laufendem Hotelbetrieb betonieren», meint Barandun. Unter dem Strich seien die Aufwände deutlich geringer ausgefallen. Zum Saisonende im Herbst konnte der Fassadeneinbau unmittelbar starten und bereits zu Beginn der Wintersaison war der Umbau abgeschlossen.

Klein, aber zweckmässig

Auf ähnliche Weise leitet Barandun auch die Schreinerei. Diese war zuerst nur ein persönliches Projekt des Holzfachmanns. «Ich wollte mir eine kleine Schreinerei einrichten, um etwas unabhängiger zu werden», erklärt Barandun. Zuvor hätten sie jeweils direkt auf der Baustelle mit einfachsten Mitteln, zum Teil auf dem blanken Boden, geschreinert. Mit dem Kauf der «Grischuna»-Dependance in Bivio konnte Buff neben den zusätzlichen Hotelzimmern auch noch gewerbliche Räume übernehmen. Dort hat Barandun eine Werkstatt mit Formatkreissäge, Hobelmaschine und Kehlmaschine eingerichtet. Zusätzlich stehen noch einige Kleinmaschinen zur Verfügung, die der Fachmann jeweils für bestimmte Projekte beschafft hat.

Nur authentische Materialien

Das Rohmaterial kauft Barandun nur lokal ein. Mehrheitlich handelt es sich um Arven- und Lärchenholz aus einer Sägerei in Martina oder andere Materialien von regionalen Holzwerkstoffhändlern. «Platten verarbeiten wir keine. Wir sind nicht dafür eingerichtet und sie passen nicht in diese Gegend», erklärt Barandun. Hauptsächlich setzt er auf die Arve als regionale Spezialität. «Sie lässt sich einfach verarbeiten und passt optimal zum aktuellen Trend hin zu authentischen Materialien», weiss der Bauführer. Seine Innenausbauten können sich sehen lassen und strahlen viel Charakter aus. Zudem verwendet Barandun nur Mattöl zur Oberflächenbehandlung, eine Spritzanlage sucht man in der kleinen Schreinerei vergebens. «Das Holz soll so natürlich wie möglich erscheinen. Genau das wollen die Gäste sehen», ist er überzeugt.

Aug in Aug mit dem Ungetüm

Wie gut dieses Konzept funktioniert, kann man in der Buffalobar im Hotel «Grischuna» in Bivio sehen. Betritt man das Lokal, sieht man sich zuerst einem ausgestopften und präparierten Büffelkopf gegenüber. Der Schreck hält aber nicht lange an, denn sofort riecht man das Arvenholz, von dem im modern gestalteten Raum sehr viel verbaut ist. Die Decke haben die Schreiner aus Arventäfer gefertigt und mit einem Kranzprofil abgeschlossen. Sichtbalken und indirekte Beleuchtung erzeugen mit einfachsten Mitteln angenehme Stimmung. Die Wände hat der Baufachmann mit traditionellen Putzen versehen und mit gekratzten Wandornamenten, den «Sgraffitos», verziert.

«Das können andere besser»

«Diese Kratztechnik ist typisch am Engadinerhaus und darf nicht fehlen», erklärt Barandun. Für die Böden greift er entweder auf einheimischen Naturstein oder auf geölte Eichenriemen zurück. Auf das Versiegeln der Böden verzichtet der Bündner bewusst, weil geölte Flächen deutlich schöner altern und viel leichter zu pflegen seien. Bei der Bar hat Barandun aber trotzdem auf die Möbelindustrie vertraut. «Die Schränke habe ich beim schwedischen Discounter gekauft und die billigen Fronten entsorgt. Die Industrie kann Platten viel besser bearbeiten als wir und muss damit auch noch ihre teuren Produktionsstrassen amortisieren – Aufwände, die wir uns schenken, zumal die Platten- und die Beschlägequalität gut ist», sagt Barandun. Die Fronten hat er aber wieder selber gefertigt wie alle anderen Elemente aus Arvenholz.

Handwerk bevorzugt

Besondere Beachtung hat Barandun der Möblierung geschenkt. Tische, Bänke und Stabellen hat er selber mit einfachsten Mitteln gefertigt. Nicht einmal bei der Formfräsung der Stabellenlehnen hat er auf moderne Technik vertraut. «Bis ich beim nächsten CNC-Schreiner bin, dieser ein Programm geschrieben hat und die Lehnen gefräst sind, habe ich die Formen schon längst mit Stichsäge und Oberfräse ausgetrennt und verputzt.» Unrecht hat er nicht, denn es sind genau die handwerklichen Fähigkeiten, die manuelle Arbeiten durchaus konkurrenzfähig machen würden, sofern das Wissen noch vorhanden wäre. Genau da hapert es seiner Meinung nach bei den Schreinern. «Man müsste sich wieder vermehrt auf seine Fähigkeiten besinnen und den durch die Automatisierung entstehenden Verwaltungsapparat eindämmen», erklärt Barandun.

Schneller als die CNC?

Die 120 Stabellen hat seine Werkstatt innert nur zwei Wochen hergestellt, die meisten Arbeiten erfolgten dabei von Hand. Für die komplizierten Arbeitsgänge wie das Bohren der Zapfenaufnahme an der Sitzfläche hat Barandun Lehren gefertigt. Als Werkstoff für die Beine hat er Lärchenholz verwendet, wie es früher üblich war. Dass alle Stuhlhersteller für Engadiner Stabellen dafür heute Eschenholz verwenden, dafür hat er kein Verständnis. «Als Vorlage habe ich eine zweihundertjährige Engadiner Stabelle verwendet. Mehr Authentizität geht nicht», weiss Barandun. Und dass es funktioniert, zeigen Barandun die positiven Rückmeldungen der Gäste. «Zudem haben wir deutlich weniger Defekte. Was wir machen, hat eben schon noch Hand und Fuss.»

www.swiss-hotels-stmoritz.ch

wi

Veröffentlichung: 05. Juli 2012 / Ausgabe 27-28/2012

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