Vom Schreiner zum Gastgeber


Der ausgebildete Schreiner Hanskoni Frischknecht (42) leitet mit seiner Frau das Reka-Dorf in Urnäsch – und repariert fast alles selber. Bild: Franziska Hidber
Der ausgebildete Schreiner Hanskoni Frischknecht (42) leitet mit seiner Frau das Reka-Dorf in Urnäsch – und repariert fast alles selber. Bild: Franziska Hidber
Tiefblau spannt sich der Himmel über die grünen Appenzeller Hügel am Fusse des Säntismassivs. Zwei Mädchen in Röcken machen sich barfuss auf den Weg zur Schule, ihre Zöpfe wippen bei jedem Schritt. Sonst wirkt alles still und träge in dieser Mittagsstunde im Dörfchen Urnäsch. Gleich unterhalb des Bahnhofs, wo das rote Appenzeller Bähnli mit einem Ruck zum Stehen kommt, liegt das Reka-Feriendorf – ein moderner, schnörkelloser Bau aus Fichtenholz, der wegen seiner Architektur und der ökologischen Bauweise weit über die Schweiz hinaus für Aufsehen sorgt und Lob erhält. Das kümmert die Hühner wenig, die gerade wohlig in ihren selbst gebuddelten Erdlöchern baden. Ziegen recken neugierig ihre Nase durchs Gitter, Kaninchen liegen schlaff im Schatten, ein Pferd und ein Pony grasen. Vor dem Eingang springt ein Kind jauchzend auf dem Trampolin. Hanskoni Frischknecht tritt aus dem Haus, «Gastgeber» steht auf dem Schild. Er lacht: «Ja, Gastgeber trifft es gut. Ich bin aber auch Betriebsleiter, Hauswart, Reparateur, Tierpfleger, Personalverantwortlicher, Animateur und manchmal sogar Psychologe.» Und das rund um die Uhr: Denn zusammen mit seiner Frau leitet der ausgebildete Schreiner das Reka-Dorf seit dessen Eröffnung 2008. Sie sind verantwortlich für 1600 Familien pro Jahr, 7000 Personen, 54 000 Übernachtungen, 316 Betten.
Ein Entscheid, der das Leben der ganzen Familie mit vier Kindern gehörig auf den Kopf gestellt hat: «Es ist ein Familienprojekt», sagt der Urnäscher.
Er erinnert sich gut an den Moment, als das Inserat erschien, in dem ein Gastgeberpaar gesucht wurde: In Urnäsch, wo er seit Geburt zu Hause ist. Seine Frau brachte den kaufmännischen Hintergrund mit, er den handwerklichen. Als Einheimischer kennt er die Leute, Bräuche und Gepflogenheiten im Dorf, und als Bauernsohn ist er geübt im Umgang mit Tieren. Der Schwerpunkt des Reka-Dorfes liegt beim Thema Bauernhof und Appenzeller Bräuche. «Das passte also perfekt», schmunzelt der 42-Jährige, während er einen Kontrollblick ins Hallenbad wirft. «Für den Unterhalt des Bads musste ich einige Kurse besuchen.» Und auch die Rolle des Gastgebers sei neu für ihn gewesen. «Der Kontakt mit den Gästen bereitet mir sehr viel Freude – man bekommt so viel», schwärmt er und erzählt von jener Familie, die schon zum vierzehnten Mal hier Ferien verbracht hat, und von jener Mutter, die mit Tränen in den Augen gestand, dass sie erstmals wieder ein Buch habe lesen können, weil die Kinder so viele «Gspänli» zum Spielen hatten. Solches entschädigt den Gastgeber dafür, dass Feierabend und freies Wochenende fast Fremdwörter geworden sind. «Mein Natel ist immer auf Empfang.»
Was ihm hingegen manchmal fehle, sei die Zeit, um wieder mal mit den Händen etwas zu erschaffen. Er deutet auf das Häuschen auf der Pferdeweide, das er selbst gebaut hat.
Andererseits könne er sein Wissen als Schreiner täglich anwenden: «Ich repariere fast alles selber.» Die Wohnungen, hell und freundlich, sind mit Urnäscher Weisstannenholz ausgebaut. Als er den unbehandelten Boden erstmals gesehen habe, ein bandsägeroher Riffschnitt, sei ihm etwas «gschmuch» geworden. Heute kann er darüber lachen – die Böden wirken auch nach acht Jahren wie neu.
Und nun klingelt bereits wieder das Telefon, Gastgeber Frischknecht ist gefragt. Vielleicht hat eine Familie einen Wunsch, vielleicht steht eine Reparatur an, vielleicht gibt es nur eine Frage zu beantworten, möglich ist alles. «Genau das macht es so spannend», sagt er und nimmt den Anruf entgegen.
«Der Kontakt mit den Gästen bereitet mir sehr viel Freude – man bekommt so viel.»
Veröffentlichung: 29. September 2016 / Ausgabe 39/2016
Leute. An einem Arbeitstisch fügt ein Mitarbeiter Schlauchklemmen mit Kabelbindern zusammen. «Sälü Markus», sagt er zu Markus Bühler und schüttelt ihm die Hand. Beim Rundgang durch die Produktion 1 in der Stiftung Altried in Dübendorf ZH halten manche Beschäftigte einen kleinen Schwatz mit ihm.
mehrLeute. In einem Dreissig-Liter-Topf braute Johannes Lang daheim auf dem Balkon bei Wind und Wetter sein erstes Bier. Heute hat der gelernte Schreiner und Innenarchitekt seine eigene Bierbrauerei.
mehrPaidPost. Anlässlich des 150-jährigen Firmenjubiläums bietet die Rudolf Geiser AG Einblick hinter die Kulissen und stellt ein paar der 120 Mitarbeitenden vor. Diese Woche ist dies Thomas Dellenbach, Chauffeur der Geiser Camion-Flotte.
mehr