Und was sagt uns die Garderobe?

Gegenüber dem Ein-gang wird der Kunde empfangen. Direkter Augenkontakt ist das Wichtigste. Als zweites fällt die blaue Garde-robe auf. Bild: Meier Zosso

FormensprachE.  «Häng die Jacke hier auf!» Oder «Schmeiss deinen Hut da rein!» Das könnte eine Garderobe uns mitteilen wollen. Meist tritt dieser Objekttyp jedoch nicht wie eine Diva auf, son- dern agiert im Sinne eines «stummen Dieners» im Hintergrund.

Formen und Farben, Strukturen und Oberflächen können mit uns sprechen. Im Ernst: Wie sonst wüssten wir beispielsweise, dass man einen entsprechend gebogenen Rundstab «Kleiderbügel» nennt und wir daran unsere Jacke aufhängen sollen?

Die Welt der Formen und Farben

Beim Eingangsbereich (Bild oben ) der Klinik Impuls in Wetzikon fängt die Kommunikation bereits bei der Türfalle an. Diese lässt sich drücken – die Tür öffnet sich. Dass dies so sein muss, wissen wir, weil man uns das von Klein auf gelehrt hat: «Türklinken werden gedrückt!» Doch danach fangen die Schwierigkeiten an. Öffnet die Tür nach innen oder nach aussen? Als Schreiner wissen wir: Eingangstüren zieht man auf, besonders wenn sie als Fluchtweg dienen. Und dies wiederum erkennt man an den grünen Hinweisschildern an der Decke. Aber Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel. Und an der Türfalle selbst weist kein Schild, keine Form oder keine Farbe darauf hin, dass dies so ist. Wer also nicht mit dem Kopf in die Tür laufen will, der muss die Konstruktion genauestens betrachten. Oder er wählt den pragmatischen Weg und probiert es einfach aus.

Ein ruhiger Eingangsbereich

Damit wir uns nicht ständig den Kopf anschlagen oder uns Gedanken über den de-taillierten Türaufbau machen müssen, verwenden Architekten und Designer die Formensprache.

Der Eingangsbereich in der Klinik ist vorwiegend dreifarbig gehalten. Der Innenraum in gebrochenem Weiss wird akzentuiert durch blaue Objekte. Dabei zeigt die Farbe an, wo sich der Blick des Besuchers hinwenden soll: Nämlich als Erstes zum Empfang. «Die Kundenführung ist in einer Gemeinschaftspraxis sehr wichtig», sagt Romeo Andrea Corbanese, Innenarchitekt beim Planungsbüro von Meier Zosso. Am Empfang geschehe die erste Kontaktaufnahme mit den Patienten, von hier würden diese an die Ärzte der Gemeinschaftspraxis verwiesen. Da sei besonders der persönliche Blickkontakt von grosser Wichtigkeit. Dass dieser passiere, werde durch die Platzierung der Rezeption direkt gegenüber dem Eingang erreicht. «Die blaue Farbe zeigt nicht nur an, wo Empfang und Garderobe liegen – sie bildet zugleich auch die ‹Corporate Architecture› der Praxis», so Corbanese. «Man findet dieselbe Farbe auch auf der Webseite wieder.»

Sorgfältig gewählte Materialien

Der Stil in der Praxis ist geradlinig und puristisch. «Was aber nicht gleichbedeutend ist mit steril», will Corbanese präzise verstanden sein. Dass der Raum vielmehr eine gewisse Wärme ausstrahlt, erreicht er mit gebrochenen, warmweissen Farbtönen sowie fein strukturierten Materialien, wie beispielsweise Glasfasertapete. Diese ist nicht nur optisch ein Hingucker, sondern dank dem Gewebe aus Glasfaser auch einsetzbar als statische Stärkung für alte Bausubstanzen. Alt war die Bausubstanz im vorliegenden Umbau aber nicht. «Vielmehr mussten wir mit der gegebenen Raumaufteilung vorlieb nehmen», erzählt der Architekt. Er hätte bei der Ausgestaltung der sieben Arztpraxen eine flexible Raumlösung mit verschiebbaren Stellwänden bevorzugt.

Zielgruppengerechte Gestaltung

«Wichtig ist, dass die Formensprache auf die Zielgruppe ausgerichtet ist», sagt Corbanese weiter. Weil in den sieben Arztpraxen vor allem Rheumatologen und Orthopäden eingemietet sind, mussten mit den architektonischen Möglichkeiten Rahmenbedingungen geschaffen werden, in denen sich die ältere Kundschaft wohl fühlt. Ebenso waren die hygienischen Vorgaben einer Arztpraxis einzuhalten. Die Bodenplatten sind aus Naturstein, die dunklen Holzelemente aus Räuchereiche. Und weil auch ein gedämpfter Schall für mehr Wohlbehagen sorgt, ist die Decke mit Akustikplatten versehen.

www.meierzosso.ch

Der Klassiker

Garderoben als Produkte gibt es in den vielfältigsten Formen und Farben. Ein absoluter Klassiker ist die 1953 entstandene «Hang it all» von der Designlegende Charles Eames. Anstelle einfacher Haken sollten farbige Holzkugeln die Kinder er- muntern, ihre Sachen aufzuhängen. Weil der Abstand zwischen den Kugeln immer gleich ist, lässt sich die Garderobe in be- liebig lange Reihen hängen und ist damit auch für den Objektbereich geeignet.

Das Bild von Vitra zeigt die farbige Version, «Hang it all» ist aber auch mit einfarbigen Kugeln in verschiedenen Holzarten erhältlich.

www.vitra.com

Schweizer Design

Wer kennt sie nicht, die robuste, schlichte Garderobe aus Schulhäusern und Turn-hallen. Seit 50 Jahren wird der Klassiker beim Metallbauunternehmen Edak AG in Dachsen nahe der deutschen Grenze her- gestellt. Mittlerweile sind drei Systeme mit den Namen «Kubisch», «Radial» und «Gaia» erhältlich. Auf Länge bestellt und vom Produzenten als Bausatz geliefert, kann die Garderobe auch vom Schreiner mit Sitzleisten aus eigenem Holz ausgestattet werden. Mit «Gaia» ist nun ein neu überarbeitetes Design in verschiedenen Fixlängen erhältlich.

www.edak.ch

Wellen aus Holz

«Spiga» ist die italienische Bezeichnung für «Äre». Und genau so sieht die verflochtene Garderobe von Designer Ubald Klug auch aus, wie das Bild der Firma Röthlisberger AG aus Gümligen bei Bern zeigt. Sie besteht aus sieben Wellenbändern aus Birkensperrholz. In den vielen Öffnungen finden nicht nur Kleider, Hüte, Taschen oder Kleiderbügel Platz, es können beispielsweise auch Zeitungen eingeklemmt werden. Interessant zu wissen: Die Idee des Designers war es ursprünglich, Spiga aus den Produktionsresten des bekannten Kofferschrankes «Shell» herzustellen. Heute wird die Garderobe selbstverständlich als eigenständiges Produkt fabriziert.

www.roethlisberger.ch

Kleiderleiste

Nach der «K/01» hat das Zürcher Designbüro Schindlersalmerón seine Kleiderleiste zur «K/02» weiterentwickelt. Zusammen mit dem Lichtgestalter Jörg Fontana ist ein Produkt entstanden, das mit einem integrierten LED-Band auch als Akzentbeleuchtung im Eingangsbereich eine gute Figur macht. Der hinterleuchtete Chromstahl verleiht dem praktischen Hilfsmittel einen futuristischen Touch. Das Profil ist am Meter auf Mass erhältlich.

www.schindlersalmeron.ch

Einfach anlehnen

Locker lässig scheint die Garderobe «Lo- delei» von Nils Holger Moormann an der Wand zu lehnen. Für Taschen, Handschuhe oder andere Accessoires gibt es das durchhängende Tuch. Es animiert dazu, die Dinge einfach hineinzuwerfen, während die Haken aus Holz für eine ge- wisse Ordnung sorgen. Produziert wird die Garderobe von der Nils Holger Moormann GmbH. Für das Design waren die estländischen Designer Martin Pärn und Edina Dufala-Pärn verantwortlich.

www.moormann.de

Asiatischer Einfluss

Die asiatische Kultur verleitete den Designer Andreas Saxer zur Kollektion «Made in Asia», zu der auch die Garderobe «Chopstick» gehört. Der Entwurf ist von der Steckverbindung geprägt, wie sie noch an Dachkonstruktionen alter japanischer Tempel vorkommt. Indem die Querstange einen schwalbenschwanzförmigen Querschnitt aufweist, kann die Konstruktion einfach zusammengesteckt werden. Unter dem Gewicht der Kleider versteift sich die Garderobe zusätzlich.

www.cairo.de

Begriffsklärung

Formensprache unter der Lupe

Das Wort Formensprache deutet bereits darauf hin, dass mit Form – ähnlich wie mit der Sprache – etwas ausgedrückt und erzählt werden kann. Gestalter müssen verschiedene Formensprachen beherrschen, um sie an Objekten einzusetzen und mit der Zielgruppe zu kommunizieren. Ästhetische Sprachmodelle gibt es viele. Im deutschen Sprachraum wird häufig der Offenbacher Ansatz verwendet. Grundlage für den Ansatz bildet die Bedeutungslehre (Griechisch: Semantik).

Dabei wird die Formensprache zur Differenzierung grob unterteilt in:

Formalästhetische Funktionen: Mit diesen sind die gestalterischen Grundlagen gemeint. Es geht um Strukturen, Raster, Kontraste oder Proportionen.

Symbolfunktionen: Formen und Baustile können wir bestimmten Zeitepochen zuweisen. Auch Corporate Architecture können wir aufgrund gewisser Gestaltungsmerkmale einer Firma zuweisen.

Anzeichenfunktionen: Der Türdrücker ist ein typisches Beispiel hierfür. Er sagt uns: «Bitte drück mich!» Auch auf einen Stuhl setzen wir uns, ohne zu überlegen.

www.hfg-offenbach.de

MW

Veröffentlichung: 26. April 2012 / Ausgabe 17/2012

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