Sein Herz gehört dem Zirkus

Joël Demierre (23) übt mit seinen Schützlingen das Klettern am Vertikaltuch. Bild: Cornelia Thürlemann

Leute. «Arabas – Cirque Jeunesse» ist ein Zirkus mit und für Kinder und Jugendliche. Aber auch viele Erwachsene tragen zum Gelingen bei. Einer von ihnen ist Joël Demierre, gelernter Schreiner aus Eggenwil AG und Co-Präsident des Trägervereins.

An jenem Samstagmorgen ist er beim Training in der Turnhalle Zufikon und im Winterquartier im Bremgartner Industriegebiet. Das trübe Herbstwetter draussen ist nicht zu vergleichen mit dem bunten Feuerwerk an artistischen und spielerischen Darbietungen, die jeweils von August bis September im Zirkuszelt in Mellingen AG zu sehen sind. Doch die ruhigen und stillen Herbst- und Wintertage sind ebenfalls ein wichtiger Teil des Zirkusjahres. In der Turnhalle übt Demierre mit fünf Mädchen das Klettern am Vertikaltuch. Ein Mädchen ist das erste Mal mit dabei, die anderen sind schon erfahrene Artistinnen, zwar noch nicht am Vertikaltuch, aber im Diabolo-Jonglieren und in anderen Sparten. Um elf Uhr kommt eine Gruppe Turner, welche die Halle benützen möchten. Demierre und die Mädchen räumen ohne grosses Aufheben auf. Auch das gehört zum Zirkusleben: «Flexibilität. Wenn etwas nicht klappt, aufstehen und weitermachen», betont Demierre. Sein Herz gehört dem Zirkus, doch seine Arbeit dort ist ehrenamtlich. Beruflich arbeitet er bei der Firma RWDM in Fahrwangen AG, wo er grosse und kleine Teams bei der Anwendung von CAD-Programmen berät und schult, Vorträge hält und individuelle Lösungen bei der Anwendung von CAD-Programmen findet.

«Bei all dem hat mir der Zirkus sehr geholfen», sagt er. Gleichzeitig kommt ihm der Schreinerberuf bei der Zirkusarbeit zugute, etwa beim Umbau von Bauwagen zu Zirkuswagen. Was jedoch anders ist: «Die Schreinerarbeiten für den Zirkus müssen nicht so perfekt sein wie die Arbeiten für Kunden.»

«Ohne den starken handwerklichen Praxisbezug im Zirkus, wäre mir der Entscheid ins Büro zu wechseln, nicht so leicht gefallen.»

Der 23-Jährige wollte schon als Kind Schreiner werden, obwohl niemand aus seiner Familie in dieser Branche arbeitet. Vielleicht hat ihn sogar der Zirkus dazu animiert. Nach der Lehre bei der R + S in Wohlen und der Rekrutenschule wechselte er in die Schulung und Entwicklung von CAD-Technik. In seiner Freizeit spielt er Volleyball und ist Feuerwehroffizier in seinem Wohnort. «Ohne den starken handwerklichen Praxisbezug im Zirkus, wäre mir der Entscheid ins Büro zu wechseln, nicht so leicht gefallen», sagt er. Er ist froh, dass er beruflich weiterhin mit Schreinern und Schreinerinnen arbeiten kann. Sein Vater stammt aus Lausanne, und so spricht der junge Mann auch fliessend französisch. Auch das kommt ihm in seinem Berufsalltag zugute. Eben erst durfte er eine Holzmesse in Belgien besuchen. Oft arbeiten ganze Familien beim Zirkus «Arabas» mit. Ausschlaggebend für die Aufnahme ist die Begeisterung für den Zirkus und der Wille, eine Zirkussaison von Anfang bis Ende mitzugestalten, weniger die sportlichen Fähigkeiten.

«Wenn die Kinder etwas wollen, so lernen sie es», stellt Demierre immer wieder fest. Im Winter wird trainiert, im Frühling werden Ideen für die nächste Vorstellung gesammelt, die Aufführung für den Sommer entworfen und eingeübt. «Die Kinder entwickeln die einzelnen Stücke selbst, wir Erwachsenen fügen die Szenen zu einem Ganzen zusammen.» Nach den Sommerferien und mehreren Trainingswochen finden die Aufführungen statt. «Das ist für die Kinder die schönste und aufregendste Zeit.»

Cornelia Thürlemann

Veröffentlichung: 25. November 2024 / Ausgabe 47/2024

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