Schweizweites Unikat

Der 50-jährige Unteriberger Franz Betschart ist der schweizweit einzige hauptberufliche Hersteller von Intarsien. Bild: Caroline Schneider

Anfang Jahr hat er den Schritt in die Selbständigkeit gewagt und sein Hobby zum Broterwerb umfunktioniert. Sein Beruf ist einzigartig und zwar im wortwörtlichen Sinn: Franz Betschart ist schweizweit der einzige hauptberufliche Hersteller von Intarsien für Schwyzerörgeli und Möbel. «Soweit mir bekannt ist», fügt der bescheidene 50-Jährige hinzu. Bei der Intarsie handelt es sich um eine uralte Handwerkskunst, die in der Dekoration von Möbeln und Instrumenten Anwendung findet. Dabei werden verschiedene Hölzer in aufwendiger Feinarbeit zu einem ästhetischen Muster zusammengefügt. Die Spuren der Intarsien gehen bis auf die Ägypter zurück, die Holzsärge mit dieser Einlegearbeit verziert haben. «Vom Groben zum Feinen» – so kann man Betscharts beruflichen Werdegang in Kurzform umschreiben. Sein Arbeitsfeld war von Beginn weg von Holz geprägt. Angefangen hat der Unteriberger als Säger. Später wechselte er in die Schreinerei und die letzten zwölf Jahre verbrachte er im Instrumentenbau und stellte Schwyzerörgeli her. Zur Intarsie kam er – wie das im Leben so oft geschieht – durch Zufall. Oder anders formuliert: Die Intarsie hat ihn gefunden. «Ein Kollege zeigte mir ein Intarsienmuster und bat mich, dieses für ihn anzufertigen.» Den hartnäckigen Tüftler Betschart musste man nicht zweimal darum bitten.

«Es juckt und prickelt in meinen Fingern und brennt mir auf den Nägeln, wenn ich vor eine anspruchsvolle Aufgabe gestellt werde», sagt er, und wenn Betschart über sein Handwerk spricht, legt sich ein Glänzen in seine Augen. Das Schwierigste bei der Herstellung einer Intarsie sei der erste Schritt: der Entwurf. Diesen zeichne er mit Farbstiften. Die zehnfach vergrösserte Zeichnung kann man sich wie ein verpixeltes Bild vorstellen.

Im Original misst so ein Pixel respektive ein «Holzwürfeli» 0,6 × 0,6 Millimeter. Eine Intarsie für ein Schwyzerörgeli ist acht Millimeter breit und nicht einmal einen Millimeter hoch. Präzisionsarbeit vom Feinsten. Hier sind diverse Fähigkeiten gefragt. Für Betschart ist das räumliche Vorstellungsvermögen etwas vom Zentralsten. Betrachtet man die zarten Muster und Motive, wird klar, dass hier Sorgfalt und Geduld gefragt sind. Aber nicht nur das: «Die Herstellung einer Intarsie ist ein schöpferischer Prozess. Es braucht Kreativität und viel Fantasie.» Franz Betschart ist ein durch und durch visueller Mensch. Stets hält er die Augen offen, nimmt laufend Impulse aus seiner Umgebung auf und verarbeitet diese zu neuen Motiven. Zu seinen Kunden zäh-len mehrheitlich Instrumentenbauer, die in der Schweizer Musiktradition beheimatet sind. Aber auch Schreiner brauchen Intarsien für Möbel. Betschart ist nicht nur Kunsthandwerker, er verfügt auch über ein gutes Gespür fürs Geschäftliche. «Ich überlege mir, was meine Kunden brauchen, und was ihnen gefallen könnte. Daraufhin kreiere ich einen Prototyp und präsentiere diesen persönlich vor Ort.» Nebst seinem Kerngeschäft hat er einen passenden Koffer für Schwyzerörgeli entworfen. Betschart zeigt weiter auf «Chlefeli» und «Holzlöffel». «Auch die stelle ich her – selbstverständlich mit Intarsien oder speziellen Gravuren versehen», erklärt er stolz. Im Instrumentenbau hat sich Franz Betschart längst einen Namen gemacht. Derzeit tüftelt er an einer Intarsie für Gitarren. «Das ist eine technische Knacknuss, weil die Intarsie rund sein muss.» Doch Betschart wäre nicht Betschart, wenn ihm dies nicht gelingen würde.

«Es juckt und prickelt in meinen Fingern und brennt mir auf den Nägeln, wenn ich vor eine anspruchsvolle Aufgabe gestellt werde.»

cs

Veröffentlichung: 25. Februar 2016 / Ausgabe 8/2016

Artikel zum Thema

28. April 2025

Wohlklänge als persönliche Wohltat

Leute. Über Mittag dringen tiefe, brummige Klänge durch die Räume der Marty Fensterbau AG in Richterswil ZH und erzeugen eine fast meditative Atmosphäre. Stefan Marty, der 44-jährige Inhaber des Familienbetriebs, übt in der Mittagspause regelmässig Didgeridoo.

mehr
21. April 2025

Ein Kunst-Hand-Werker

Leute. In den Bildern von Stephan Rüeger scheint alles in Bewegung zu sein. Organische Formen winden sich von unten nach oben, erzeugen Wirbel, treiben aufeinander zu oder weisen sich gegenseitig ab.

mehr

weitere Artikel zum Thema:

Leute