Die Emotionen gehen zuweilen ganz schön hoch: Wenn es um den Einsatz von Schäumen bei Schallschutzfugen geht, wird angeregt diskutiert. Die Baubehörden des Kantons Aargau schliessen bei der Ausführung ihrer Schallschutzmassnahmen die Verwendung von Schäumen nach wie vor kategorisch aus. Mit dieser Argumentation gehen die Verantwortlichen auf Nummer sicher. Denn noch gibt es keine langfris- tige Messreihe, die eine klare Aussage bezüglich Langzeitverhalten machen würde. Genau bei diesem besteht noch viel Un- sicherheit, auch wenn aktuelle Tests in die richtige Richtung zeigen. Andere Kantone und Bauträger sind weniger skeptisch und lassen Schäume unter bestimmten Voraussetzungen zu.
Argwohn sitzt tief
Das Misstrauen verdanken die Schäume längst vergangenen Zeiten. In den Anfängen waren die Polyurethanschäume sehr vergänglich. Sie bestanden zu einem grossen Teil aus Isocyanaten, die nicht nur giftig, sondern auch noch im Verdacht stehen, Krebs zu erregen. Die leichten Produkte waren hart, brüchig und wenig dauerhaft. Oft genügten zwei Wochen UV-Belichtung, um den Schaum nachhaltig zu zerstören. Doch auch ohne UV-Licht glänzten die Produkte nicht mit chemischer Stabilität. Diese billigen Produkte sind nach wie vor erhältlich, wenn auch mit tieferen Isocyanatanteilen und um einiges verbesserten technischen Werten.
Neue Basis, neues Glück?
Die neuen Zauberwörter heissen nicht mehr nur Polyurethan, sondern modifizierte Silane. Damit ist die Herstellung dauerhafter Schäume möglich, die dem UV-Licht die kalte Schulter zeigen und auch sonst sehr flexibel sind. Ihr Rückstellvermögen erinnert an Schaumstoffe, giftige Ausdünstungen sind passé. Möglich ist dies mit neuen Basisstoffen oder neuen Formulierungen. So hat die Firma Gyso mit dem «Dämm- stoff E» ein Produkt auf dem Markt, welches von seinen Eigenschaften her ohne weiteres als Schalldämmschaum durchgehen könnte. Auch die Firma Ilbruck wirbt beim Fensterschaum «FM230/FM537» mit Elastizität und gutem Haftvermögen. Im Gegensatz zum Produkt von Gyso ist aber das Ilbruck-Produkt nicht UV-beständig und enthält Isocyanate. Alles Voraussetzungen, die eine Freigabe durch die skeptischen Bauträger erschweren dürften.
Experten geben Auskunft
Die SchreinerZeitung hat von Andreas Berg-mann, einem ausgewiesenen Experten im Bereich Bauakustik, und von Kandid Vögele, Leiter Technik und Produkte der Gyso AG, Meinungen zum Thema eingeholt und präsentiert diese auf den Seiten 12 und 13. Die Gespräche zeigen auf, das durchaus eine Annäherung der Positionen möglich wäre. Immer aber vorausgesetzt, die Produkte haben die entsprechenden Prüfungen erfolgreich bestanden und ihre Langzeittauglichkeit bestätigt. Ohne diese Garantien wird man wohl auch weiterhin am Bewährten festhalten.
Pro Schaum: Alles nur Vorurteile?
-
Die SchreinerZeitung: Warum empfehlen Sie den Einsatz von Schaum bei Schall-
- dämmfugen?
-
Kandid Vögele: Grundsätzlich eignen sich Schäume von der Materialstruktur her recht gut zur Wärme- wie auch zur Schalldämmung, egal ob es Polyurethanschäume oder andere sind. Die Struktur hat aber nichts mit den Materialeigenschaften zu tun. Da gibt es unter den einzelnen Produkten grosse Unterschiede. Leider besteht nach wie vor die Tendenz, allen Produkten etwa die gleichen Eigenschaften zuzuordnen.
- Wo liegen die Unterschiede?
- Es gibt Ein- und Zweikomponentenschäume. Mit Ersteren kann man ausfüllen und dämmen, die zweikomponentigen eignen sich auch für die Montage. Die chemische Basis ist meist ein Polyurethan-Polymer (PU). Diese Schäume weisen sehr starre Strukturen auf und haben kaum Rückstellvermögen. Das heisst, wenn man sie verformt, verbleiben sie in dieser Position. Bewegen sich die angrenzenden Teile, kann es zu einem Flankenabriss kommen. Unterdessen gibt es aber auch Schäume auf anderer Basis mit verbesserten Eigenschaften.
- Können Sie erklären, welche?
- Bis vor etwa zehn Jahren gab es nur PU-Schäume mit hohem Anteil an Isocyanaten, die als Katalysator dienten. Diese Stoffe stehen im Verdacht, Krebs zu erregen, und sind giftg. Mittlerweile gibt es aber auch monomerarme Produkte. Bei diesen ist der Anteil der gefährlichen Stoffe sehr niedrig oder sogar in der Struktur gebunden, so dass eine Gefährdung wegfällt. Zusätzlich sind in den letzten Jahren neue Technologien entstanden, zum Beispiel silantherminierte Polymere, diese haben nichts mehr mit PU zu tun und enthalten keine Iso- cyanate mehr.
- Die Firma Gyso hat mit dem «Dämmstoff E» ein neues Produkt entwickelt. Wie sind dessen Eigenschaften?
- Der «Dämmstoff E» ist ein monomerarmer Einkomponentendämmstoff mit weniger als einem Prozent Isocyanat. In der Raumluft ist der Stoff nicht messbar. Die Basis ist ein territäres Amin, was mit PU nur noch wenig zu tun hat. Das Produkt weist eine sehr gute UV-Beständigkeit auch über lange Zeit auf. Der Schaum hat ein sehr grosses Rückstellvermögen. Kommt es zu Bewegungen, kann der Dämmstoff mitgehen, ohne dass die Flanken abreissen. Konven-tioneller PU bricht sehr schnell und wird von UV-Licht stark abgebaut.
- Sie empfehlen den Einsatz von «Dämmstoff E» für Schalldämmfugen. Wo sehen Sie Vorteile gegenüber dem klassischen Stopfen?
- Die Qualität einer gestopften Fuge hängt mit der Ausführungsqualität zusammen. Jeder, der das schon einmal gemacht hat, kennt das: sind Anschlagkrallen oder Schrauben im Weg, behindern diese den Zugang. Somit ist nicht mehr sichergestellt, dass alles sauber ausgestopft ist. Wenn ich die Fuge mit Schaum fülle, bis es mir das Material entgegentreibt, weiss ich, die Fuge ist gefüllt.
- Diese Sicherheit hat man beim Stopfen nicht. Zusätzlich hat man durch die Prüfungen eine gewisse technische Sicherheit über die Eigenschaften der Fuge. Namhafte Institute haben die Materialien geprüft und die technischen Werte ermittelt. Das gibt Sicherheit in der Anwendung.
- Beim Stopfen zählt aber die Erfahrung?
- Ich habe noch nie ein Prüfzeugnis von gestopften Fugen gesehen. Es gibt auch keine technischen Werte über die Wirkung der einzelnen Stopfmaterialien. Es gibt einzig Praxismessungen, deren Resultate aber sehr mit der Ausführungsqualität zusammenhängen. Mit der kontrollierten Anwendung von Schäumen kann man die Sicherheit erhöhen.
- Haben Sie denn auch schon Langzeittests gemacht?
- Wir haben in unserem Industriegebäude in Kloten den Dämmstoff vor rund zehn Jahren eingebaut und kürzlich zur Analyse Proben entnommen. Der Schaum hat in diesen Jahren überhaupt nicht abgebaut, hat keine Veränderungen gezeigt. Wir haben aber auch Schallmessungen gemacht. Im Kanton Bern haben wir gemessen und die Werte waren auch nach fünf Jahren noch in Ordnung. Natürlich ist es schwierig, bei einem neuen Material auf Langzeittests zu setzen. Die Empa hat 2003 eine Testreihe gemacht, um die Unterschiede zu klassischen Einkomponentenschäumen festzustellen. Wir wollten wissen, ob wir bei der Entwicklung auf dem richtigen Weg waren. Die Ergebnisse wiesen aber eine gros- se Streuung auf, zeigten nur Tendenzen.
- Was läuft falsch, wenn die Schäume von Fachleuten nach wie vor abgelehnt werden?
- Das ist eine emotionale Diskussion mit wenig Tiefgang. Man vertritt noch immer Meinungen, die zu Zeiten entstanden sind, als zugegebenermassen mangelhafte Einkomponentenschäume zum Einsatz kamen.
- Dass die heutigen Produkte deutlich leistungsfähiger sind, wird vernachlässigt. Die Verantwortlichen wissen sehr viel über Polyurethan, merken aber nicht, dass es noch anderes gibt. Man lehnt von vornherein ab, ohne die Fakten zu kennen. Das ist schade und wird sich hoffentlich ändern. Viele Betriebe haben sich überzeugen lassen und wenden das Produkt heute an.
Kontra Schaum: Langzeiterfahrungen fehlen!
-
Die SchreinerZeitung: Welche Anforderungen werden an Fugen zu angrenzenden Bauteilen gestellt?
-
Andreas Bergmann: Es wird immer eine Gesamtanforderung an das Bauteil mit flankierenden Teilen gestellt. Dabei ist die SIA 181, Schallschutz im Hochbau, massgebend und schliesst alle Komponenten des Bauteils mit ein. Bei Sanierungen kommt die Schallschutzverordnung zur Anwendung. Fenster unterstehen zudem der SIA 331, Fenster und Fenstertüren.
- Welche Eigenschaften muss eine schalldämmende Fuge aufweisen?
- Das ist einerseits die Aufnahme von Verformungen, aber auch der Wärmeschutz und die Schalldämmung. Aussenfugen müssen von innen luft- und dampfdicht sein, aus-sen ist Schlagregendichtheit Voraussetzung. Auf all diesen Faktoren ist eine dauerhafte Funktionalität gefordert. Das steht in den beiden Normen SIA 331 und 181.
- Welche Argumente gibt es für oder gegen Schaum bei der Schalldämmung?
- Schäumen will man, weil es schnell geht und billig ist. Ein weiteres Argument für das Schäumen ist die Möglichkeit, auch einmal grössere Fugen überbrücken zu können oder nach hinten konisch verlaufende. Gegen das Schäumen gibt es einige Argumente. Man hat lange mit sehr steifen Schäumen experimentiert und damit schlechte Erfahrungen gemacht. Bei Prüfungen hat man immer wieder Flankenabrisse gefunden, die aufgrund der Bewegung des Bauteils erfolgten. Löst sich der Schaum vom Bauteil, sinken die Dämmwerte stark.
- Wie haben Sie das gemessen?
- Wir haben zum Beispiel bei einem Objekt in Steffisburg drei Messungen im Abstand von einem und fünf Jahren gemacht und einen steten Rückgang der Schalldämmleistung festgestellt. Bei der ersten Messung waren es noch R’W ctr 31 dB, bei der übernächsten Messung sechs Jahre später waren es noch 28 dB.
- Eingebaut war aber wohl ein sehr harter Schaum. Die Firma Gyso sagt, mit weichem Schaum würde dies nicht passieren. Was halten Sie von diesen neuen Produkten?
- Bei der angesprochenen Messreihe gehe ich auch von der Verwendung eines PU-Schaums aus. Bis auf wenige Ausnahmen sind auch tatsächlich alle Schäume als «hart» einzustufen. Die neuen flexiblen Schäume lehnen wir nicht generell ab. Wenn diese Produkte die Anforderung der dauerhaften Funktion erfüllen und genügend flexibel sind, um die anfallenden Bewegungen aufzunehmen, steht ihrem Einsatz nichts im Wege. Nur konnte bisher noch niemand einen Nachweis über den geforderten Zeitraum bringen.
- Gyso hat aber eine Prüfung zur Alterungs-
- beständigkeit gemacht. Was halten Sie von den Resultaten?
- Die Resultate basieren auf einem Vergleich zwischen konventionellem PU-Schaum und dem neuen Produkt. Dass dieses besser ist als günstige PU-Schäume, liegt auf der Hand. Die Resultate zeigen denn auch nur Trends. Echte Aussagen kann man nur aus Langzeitstudien ableiten. Zudem ist die Alterung nur über einen Zeitraum von rund zehn Jahren simuliert worden. Die Fugen müssen aber über den gesamten Nutzungszeitraum funktionieren. Dieser beträgt bei Fenstern mindestens 20 Jahre.
- Ist die denn bei gestopften Fugen gegeben?
- Ja, Seidenzopf geht nicht kaputt und verliert bei gleichbleibenden äusseren Umständen auch nicht seine Eigenschaften. Solange alles trocken bleibt, passiert nichts. Wenn man in 20 Jahren die geschäumten Fugen testen kann, sind solche Aussagen auch bei Schaumfugen möglich.
- Hat man denn schon die verschiedenen Fugenaufbauten im Labor getestet?
- Ja, das Institut für Fenstertechnik (IFT) in Rosenheim hat ein Verfahren entwickelt, welches nicht normiert, aber von anderen Prüfinstituten anerkannt wird. Die Prüfungen führten zu einer Empfehlung, wonach die Werte der geschäumten Fugen um etwa 10 dB höher sein müssen als die Anforderungen an das Fugenschalldämmmass. Ist beim eingebauten Fenster 35 dB Schalldämmung gefordert, braucht es einen Schaum, der mindestens 45 dB garantiert. Voraussetzung ist aber die IFT-Prüfung.
- Wie muss eine korrekt ausgeführte Fugenkonstruktion im Umbaubereich aufgebaut sein?
- Es braucht funktionierende Anschlussbauteile, das heisst, Leibungen müssen in Stand gestellt sein. Alle Hohlräume müssen ausgedämmt sein, innen und aussen braucht es flexible Dichtungsfugen: innen für die Dampfdichtigkeit, aussen gegen den Schlagregen. Die Konstruktion ist bei der geschäumten Ausführung genau gleich. Beide Fugen innen und aussen müssen unterhalten werden.
- Sie betreuen Schallschutzprojekte der Kantone. Einige stellen sich immer noch strikte gegen das Schäumen. Wann wird diese Einschränkung fallen?
- Sobald man genügend Erfahrungen gesammelt hat und die Garantie vorhanden ist, dass sich die Produkte über die ganze Nutzungszeit bewähren. Dann wird kaum mehr etwas gegen deren Verwendung sprechen.
Zur person
Aus der Praxis gelernt
Kandid Vögele ist gelernter Spengler-sanitär und hat sich zum Spenglermeister weitergebildet. Er ist seit 14 Jahren bei der Firma Gyso in Kloten und dort als Leiter Technik und Produkte tätig. Er ist in dieser Funktion für die korrekte Anwendung der Produkte verantwortlich.
www.gyso.ch
Zur person
Vom Holzbau zur Bauakustik
Andreas Bergmann ist gelernter Zimmermann und hat sich zum Holzbau-techniker ausbilden lassen. Bei der Grolimund und Partner hat er viel Erfahrung im Bereich Bauakustik gesammelt und betreut Projekte von privaten und öffentlichen Bauherren im Bereich Schallschutzsanierung.
www.gundp.ch
wi, wi, wi