Saumässig engagiert

Beim Familienbetrieb seines Vertrauens, der Metzgerei Klauser in Uerkheim AG, kauft Peter Bolliger (51) am liebsten Blut- und Leberwürste. Bild: Franziska Herren

Eine richtig gute Wurst wird in den Krausdarm der Sau abgefüllt. Sie muss glänzen, wenn sie aufgeschnitten wird. Aber natürlich ohne auszulaufen. Sie soll saftig sein wie eine frisch geerntete, reife Tomate und herzhaft schmecken. Auch soll sie fein gewürzt sein und eine Pfeffernote im Gaumen hinterlassen. Für Peter Bolliger sind diese Eigenschaften das höchste aller Wurstgefühle. Und ausgerechnet mitten in Zürich, im «Feindesland» eines waschechten Aargauers, hat er das letzte Mal eine solche Wurst verspeist. «Die Wurst stammte allerdings aus dem Aargau», stellt er klar und lacht. Bolliger beschäftigt sich nicht nur im Gaumen mit der Wurst. Er liest auch Bücher wie «Es geht um die Wurst» – eine Art Wurstbibel, welche die Bedeutung der Wurst als deutsches Kulturgut abhandelt. «Deutschland ist für mich der Wursthimmel», schwärmt Bolliger. Würste beschäftigen ihn aber noch auf eine andere Weise: Seit vier Jahren ist der 51-jährige Schreiner Präsident des Vereins zur För- derung des Ansehens der Blut- und Leberwürste. Den Verein gründeten 1968 fünf Wurst-Enthusiasten im Restaurant Löwen im zürcherischen Unteralbis. Während zur gleichen Zeit Studierende für freie Liebe, Gleichberechtigung und Selbstverwirklichung protestierten, setzten sich die Vereinsmitglieder für die «moralische Unterstützung der Zucht und Haltung von glücklichen Säuen» ein. Noch heute wird der Grundsatz hochgehalten, dass zu diesem Glück eine artgerechte Haltung und gute Ernährung massgebend beitragen.

«Die Tiere sollen lange leben und möglichst stressfrei getötet werden – auf dem Hof oder in der Nähe davon», erklärt Bolliger. Aus Respekt vor dem Tier soll ausserdem alles verwertet werden – vom «Schnörrli bis zum Schwänzli». Von den mittlerweile hundert Vereinsmitgliedern trifft sich rund die Hälfte mehrmals im Jahr zu Metzgeten – Schlachtgerichten mit Blut- und Leberwürsten, Leberli, Wädli und Speck. Die Fleischgerichte werden bewertet, und am Ende der Saison wird der Gaststätte mit der besten Bewertung der Vereinspreis überreicht. «Als Präsident des Vereins zur Förderung des Ansehens der Blut- und Leberwürste ist es mir wichtig, über den Genuss zu sprechen, aber auch über die Verantwortung als Konsument.» Diese Verantwortung übernimmt auch er selber. In seinem Kühlschrank stehen fast ausschliesslich Produkte, von denen er genau weiss, woher sie stammen: aus seinem eigenen Garten oder von Betrieben aus der Region. Das Kochen ist seine grösste Passion. Spezialisiert hat er sich – wen wunderts – auf die Fleischküche. Genau genommen auf die Veredelung minderer Stücke wie Rindsschulter, Schweinshals und -backen sowie Kutteln. «Filets kann jeder braten. Um einen Schulterspitz oder ein Schafvoressen richtig fein zuzubereiten, dafür braucht es Fingerspitzengefühl und Geduld.»

Auch Würste macht er hie und da von Hand – zusammen mit seiner Frau Martina und Freunden. «Das ist immer eine saumässige Gaudi.» Mit dieser Art der Fleischverarbeitung will der Schreiner alte Traditionen weiterleben lassen. «Das Handwerk soll nicht verlorengehen», sagt er. Bolliger ist ein offener Geist, der ohne Scheu Neues ausprobiert. So zum Beispiel auch die vegane und vegetarische Küche.

An Humor fehlt es Bolliger nicht. Wie auch dem Verein mit dem ulkigen Namen, dessen Präsident er ist. Dieser soll laut Statuten nach 100 Jahren, am 8. November 2067, aufgelöst und das Vermögen bis auf den letzten Rappen an einer Metzgete verfressen werden.

www.vbl.org
«Die Tiere sollen lange leben und möglichst stressfrei getötet werden – auf dem Hof oder in der Nähe davon.»

fh

Veröffentlichung: 14. März 2019 / Ausgabe 11/2019

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