Die Regeln sind klar, Spielraum ist absolut keiner vorhanden: So wie eine Brandschutztür geprüft wurde, so soll sie auch eingebaut werden. In der Praxis erfordert das grosse Plandisziplin bei der Herstellung und Montage. Schreiner sind immer wieder gezwungen, auf für sie unbekannte oder zumindest ungewohnte Montagemethoden zurückzugreifen, weil das die Brandschutzzulassung des gewählten Produktes verlangt. Nur wenn alles korrekt montiert wurde und die Nutzung dem Produkt entspricht, funktionieren die Elemente – zumindest zu Beginn.
Eigentümer sind verantwortlich
Die Funktion der Brandschutzeigenschaften muss während der gesamten Nutzungsdauer einer Tür gewährleistet sein. Doch nicht von jeder Funktion kann man mit Sicherheit behaupten, dass sie auch noch nach Jahrzehnten funktioniert. So reduziert etwa zunehmendes Spiel an den Beschlägen die Dichtigkeit der Tür. Das muss aber nicht zwangsweise zu einer Einschränkung der Brandschutzeigenschaften führen, sondern beschleunigt im Ernstfall die Reaktionszeit von aufschäumenden Streifen, dies, weil sie durch die Undichtigkeiten schneller mit heisser Luft in Kontakt kommen und dadurch früher aufschäumen. Fachleute sehen beim zunehmenden Beschlägespiel denn auch kaum Probleme. Viel mehr sei es die Schliessfunktion selber, die öfter Probleme verursache. So sieht das neue Produkthaftungsgesetz denn ebenso die Abgabe von Papieren an die Besteller vor, die Funktion und zwingenden Unterhalt definieren. Damit erfolgt zumindest eine Erstinformation, was die Forderungen aus der neuen Gesetzeslage erfüllt. Dabei ist aber festzuhalten, dass aus Sicht des Brandschutzes der regelmässige Unterhalt nicht zwingend vorgeschrieben ist. Die Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF) gibt lediglich vor, dass die Eigentümer- und Nutzerschaft von Bauten stets für die Sicherheit von Menschen, Tieren und Sachen gewähleisten muss. Das beinhaltet in erster Linie die Instandhaltung und Betriebsbereitschaft des baulichen, technischen und abwehrenden Brandschutzes. Bei komplexen Anlagen ist der Abschluss eines Wartungsvertrages oder zumindest die regelmässige Auftragswartung durch die Türenspezialisten für die Eigentümer der beste und sicherste Weg.
Im Interview mit der SchreinerZeitung erklärt Beat Neuenschwander, Brandschutzexperte und Regionalleiter Süd der Gebäudeversicherung Bern, welche Situationen am Bau anzutreffen sind und wie die zuständige Brandschutzbehörde im Kanton Bern vorgeht.
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SchreinerZeitung: Die Gebäuderversicherung des Kantons Bern versichert über 400 000 Gebäude mit einem Versicherungswert von 330 Mia. Franken. Wer ist im Kanton Bern für den sicheren Betrieb von Brandschutzanlagen verantwortlich?
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Beat Neuenschwander: Das sind wie in der ganzen Schweiz die Eigentümer oder Betreiber einer Liegenschaft, die für den Unterhalt zu sorgen und damit die Funktionalität zu gewährleisten haben.
- Und wird das auch gemacht? Wie zuverlässig funktioniert das System der Eigenverantwortung?
- Das ist sehr unterschiedlich, zum Teil sind sich die Bauherren ihrer Verantwortung nicht oder nur teilweise bewusst. Es gibt aber auch Gebäudeeigentümer oder Betreiber, die das Thema Sicherheit sehr ernst nehmen und auch einen Sicherheitsbeauftragten ernennen. Das Spektrum ist sehr breit.
- Gibt es im Kanton Bern unangemeldete periodische Kontrollen der Brandschutzbehörden?
- Kontrollen gibt es nur in Gebäuden mit erhöhten Brandschutzanforderungen, also in Schulen, Hotels und in öffentlichen Gebäuden. Das sind aber immer nur Stichkontrollen, Momentaufnahmen an besagtem Tag. Diese Gebäude kontrollieren wir alle vier oder acht Jahre, je nach Nutzung. In Gewerbe-, Industrie- und privaten Hochbauten gilt die alleinige Eigenverantwortung des Eigentümers. Bei Neubauten begleiten wir Baubewilligungsverfahren und verfügen die notwendigen Brandschutzmassnahmen.
- In welchen Fällen gibt es Probleme, wie verändert sich die Schutzfunktion?
- Es gibt mechanische Abnutzung bei den Beschlägen, zudem verändert sich das Rückstellvermögen der Dichtungen, bei Holz- türen ist immer das Schwinden und Quellen ein Thema. Es können Verformungen eintreten, die sich auf die Funktion auswirken. Die Elemente verschliessen dann weniger gut oder die Riegel rasten nicht mehr in der Falle ein. Türen mit Rückhaltemagnet sollte man regelmässig testen und auslösen. Nicht immer fallen diese korrekt ins Schloss.
- Woran fehlt es denn in der Regel?
- Oft ist es das Klima in den Bauten, das sich zu Beginn stark verändert. Das Gleiche gilt genauso für Türschliesser. Diese funktionieren erst nach einer gewissen Einlaufzeit zuverlässig und störungsfrei, oft muss man sie ein paarmal nachstellen. Bei elektronischen Komponenten braucht es integrale Tests, um die vorgesehenen Funktionen zu erfüllen.
- Was passiert am Türrahmen?
- Es gibt immer wieder Beschädigungen am Türrahmen, die den Brandschutz beeinflussen. Das können durch Palettenrollis abgerissene Rahmenteile sein, die einschränkend wirken. Deutlich häufiger sehen wir aber Zweckentfremdungen am Türblatt oder -rahmen. Das können nachträglich eingebaute Lüftungsgitter sein oder Durchbrüche für Kabel oder Lüftungen. Ausschnitte und gekürzte Türblätter gehören auch in diese Kategorie.
- Moderne Brandschutztüren sind mit einer Plakette ausgerüstet. Wie erkennt man denn alte Brandschutztüren ohne Plakette?
- Alte, bestehende Türen, die nach Merkblattfür T30-Türen gefertigt wurden, sind tatsächlich für Laien schwierig zu erkennen. Fachleute identifizieren die Elemente leicht an den Kanten aus Eiche. Ausserdem sollte man an der Umgebung ablesen können, ob Brandschutz eingebaut ist. Bei Türen zu Heizungsräumen oder zu Garagen sowie im Bereich von Fluchtwegtüren war schon früher ein erhöhter Brandschutz gefordert. Bei solchen Türen sollten die Alarmleuchten angehen. Laien, die solche Zusammenhänge nicht erkennen, schneiden aber auch an einer neuen, geprüften und gekennzeichneten Tür einen Gitterausschnitt in das Türblatt, da hilft die Plakette kaum etwas.
- Worauf muss man beim Abändern einer Brandschutztür speziell achten?
- Ein wichtiges Thema sind auch immer wieder die aufschäumenden Gitter. Es gibt geprüfte Türen mit solchen Gittern, im Bereich von Fluchtwegen sind diese ungeeignet, weil sie oft erst nach Erreichen einer bestimmten Temperatur aktiviert werden und den Freiraum verschliessen. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt die Gefahr einer Verrauchung des Fluchtweges. Sind Menschen in Gefahr, gibt es nur sehr wenig Spielraum.
- Was muss ein Schreiner beachten, wenn er auf eine erkennbare Brandschutztür trifft und sieht, dass ein unrechtmässig installiertes Gitter eingebaut worden ist? Gibt es eine Meldepflicht?
- Grundsätzlich liegt die Verantwortung beim Eigentümer oder Betreiber. Wenn der Schrei-ner nicht einen expliziten Auftrag erhält, um die Einrichtungen auf ihre gesetzmäs-sigkeit zu kontrollieren, wird er wohl nicht behaftet, wenn er so etwas sieht und nicht meldet. Es wäre aber schon vernünftig, Bauherren auf offensichtliche Missstände aufmerksam zu machen.
- Neben der Abänderung der Konstruktion ist die Sabotage ein grosses Thema. Was bekommen Sie als Kontrolleur zu sehen?
- Die bewusste oder unbewusste Sabotage von Brandschutzmassnahmen kommt sehr häufig vor. Klassisch ist der untergeschobene Türkeil, der Türen offen stehen lässt und so die Bildung eines Brandabschnittes verhindert. Neben Keilen kommen auch Blumentöpfe zum Einsatz, nicht unbedingt, um bewusst eine Brandschutztür zu sabotieren, sondern oft einfach dekorativ. Typisch ist auch die Rolle der Auslösekordel von Schnelllauftoren als Saboteurin. Man lässt sie beim offenen Brandschutztor einfach zwischen Tür und Rahmen hängen, damit verhindert sie im Notfall das Schliessen der Tür. Man ist sich der Folgen oft einfach nicht bewusst. Daneben sieht man aber auch immer wieder grobe Eingriffe.
- Zum Beispiel?
- Muss ein Lüftungskanal verlegt werden, schneiden Monteure oftmals einfach ein Loch in den oberen Türrahmen und führen den Kanal durch das Loch. Wer es noch einfacher haben will, montiert den Kanal einfach durch die Türöffnung und schneidet das Türblatt oben ab.
- Was hat das zur Folge?
- Das sind krasse Fälle, die mit Ansetzung einer Frist behoben werden. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass die Tür ersetzt werden muss, Brandschutzklappen einzubauen sind oder andere Massnahmen. Werden solche Mängel in Gebäuden mit erhöhten Brandschutzanforderungen nicht behoben, hat das Sanktionen zur Folge. Das kann so weit gehen, dass patentrechtliche Einschränkungen oder sogar Betriebsschliessungen bei den zuständigen Behörden beantragt werden. In weniger heiklen Fällen gibt es einfach eine Behebungsfrist mit Nachkontrolle oder der Eigentümer kann die Behebung der Mängel glaubhaft dokumentieren.
- Geben Sie den Eigentümern Empfehlungen, wann und wie häufig sie die Anlagen kontrollieren lassen sollen?
- Wie gesagt, liegt die Verantwortung für die dauerhafte Gewährleistung der Betriebssicherheit beim Eigentümer beziehungsweise beim Betreiber. Der Kontrollturnus ist stark abhängig von der Komplexität, Robustheit und der Nutzungsfrequenz der Anlagen. Eine allgemein gültige Empfehlung abzugeben, ist da nicht möglich.
Zahlen und fakten
Der grösste Gebäudeversicherer
Im Portfolio der Gebäudeversicherung Bern (GVB) befanden sich 2012 402 406 (2011: 398 816) Gebäude mit einem Versicherungswert von 323,7 Mia. Fran- ken. Die Schadenssumme durch Feuer betrug im Berichtsjahr 38,4 Mio. Franken (2011: 45,15 Mio). Damit ist das Schadensausmass trotz zunehmendem Gebäudebestand leicht sinkend.
Beat Neuenschwander ist Ingenieur FH Holztechnik und Brandschutzexperte VKF. Als Regionalleiter Süd der GVB und Brandschutzexperte umfasst seine Tätigkeit unter anderem die Begleitung im Baubewilligungsverfahren, Abnahmekontrollen in Gebäuden, Beratung und Auskünfte sowie Ausbildungstätigkeiten.
www.gvb.ch
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