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ScheinerZeitung: Welche Art von Schäden kommen bei der Montage auf der Baustelle am häufigsten vor?
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Ruedi Amsler: Für uns gibt es zwei Arten von Schäden. Die selber verursachten, also wenn man in eine Leitung bohrt, und jene nach der Montage. Deshalb läuft heute auch alles nur noch mit Abnahmen. Wenn man sieht, was heute auf den Baustellen abgeht, da interessiert es niemanden, was jemand anderes mit viel Liebe montiert hat.
Peter Bernhauser: Also eine klassische Abnahme oder Teilabnahme eines Werkes. Das setzt natürlich eine vollständige Lieferung voraus.
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Amsler: Richtig. Heute wird leider so viel gestohlen auf den Baustellen, da wird wirklich jedes Teil bis zum Eierhalter im Kühlschrank kontrolliert. Einen groben Haftpflichtfall hatten wir – Holz anfassen – bis anhin zum Glück nicht.
- Wie sieht es denn mit den kleineren Vorfällen aus?
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Amsler: Solche kommen bei uns im Schnitt etwa zwei Mal pro Jahr vor. Meistens ist die Schadenssumme überschaubar, dann lohnt es sich kaum zu streiten. Zum Beispiel wenn ein Monteur von uns eine Leitung der Bodenheizung anbohrt.
- Nach Möglichkeit spitzen wir dann den Boden sogar selber auf, damit der Heizungsmonteur das nicht tun muss. Langzeitschäden stellen da schon ein grösseres Problem dar, wenn man nicht bemerkt, dass die Leitung angebohrt wurde.
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Bernhauser: Hier schreibt das Obligationenrecht klar vor, dass nach den Regeln der Baukunst gehandelt werden muss. Was das genau heisst, ist aber nicht eindeutig, es ist eine Grauzone. Auch für mich stellt sich die Frage, wie sorgfältig muss ein Unternehmen vorgehen? Welche Abklärungen muss es treffen? Und macht es dies in der Praxis auch?
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Amsler: Die Praxis lässt detaillierte Abklärungen meistens gar nicht zu. Wenn an der Wand eine Küche geplant ist, dann muss ich davon ausgehen können, dass sich die Wasserleitungen beim Becken befinden und nicht im Bereich der Oberschränke. Aber Wasser verursacht sicher die schlimmsten Schäden.
- Und wenn der Monteur dennoch eine Leitung anbohrt?
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Amsler: Ist man länger auf einer Baustelle, dann hilft es sicher, wenn man vor Ort abklärt, wo sich die Hauptabsperrventile der Wasserleitungen befinden. Im Notfall kann man so das Wasser frühzeitig abdrehen und grössere Schäden vermeiden.
- Kommen auch Ortungsgeräte für Leitungen zum Einsatz?
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Amsler: Wir haben solche Geräte. Aber unsere Monteure brauchen sie sehr selten. Am häufigsten, wenn es sich wirklich um eine heikle Situation handelt. Heute hat man sowieso sehr oft eine Weisung, wie tief man bohren darf. Aber das ist eigentlich Blödsinn, irgendwo muss man die Bauteile ja richtig befestigen. Das ist einer der Gründe für die Zunahme geklebter Befestigungen. Früher hat man noch richtig mit Schrau-ben und Dübel montiert.
- Kann das Nichtbenutzen eines Ortungsgerätes im schlechtesten Fall als Verletzung der Sorgfaltspflicht betrachtet werden?
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Bernhauser: Wenn es sich wirklich um eine heikle Bausituation handelt, kann das durch-aus als pflichtwidrig unsorgfältig gewertet werden, wie es Juristen nennen. Dies könnte als Grundlage für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen den Unternehmer genügen.
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Amsler: Die Erfahrung zeigt, dass die Bauherrschaft nichts mit solchen Fällen zu tun haben will. Man versucht, das immer mehr auf die anderen abzuschieben, obwohl ja auch die Bauherrschaft versichert wäre. Aber wie gesagt, die Kosten halten sich zum Glück in Grenzen.
- Die Versicherungen zahlen aber auch nicht alles ...
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Bernhauser: Klar, Versicherungen werden nicht zahlen, wenn ein Unternehmen grobfahrlässig gehandelt hat. Auch bei grossen Schadenssummen, insbesondere wenn Personen zu Schaden gekommen sind, wird sehr genau hingeschaut. Oder wenn vorsätzlich falsch montiert wird.
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Amsler: Das sind dann aber schon grobe Planungsfehler oder sogar Pfusch am Bau. Dafür gibt es auch schon Planungsversicherungen. Ich weiss von einem Fall, da hat ein Schreiner die Steigzonen nur EI30 ausgeführt statt EI60. Die Pläne wurden sogar von allen Stellen abgenommen. Im Nach- hinein sagten jedoch die gleichen Leute, dass die Normen in diesem Bereich klar seien und er dafür gerade stehen müsse. Zum Glück hat hier die Planungsversicherung einen Teil der Kosten übernommen. Aber Brandschutz kann sowieso ein heikles Thema sein.
- Inwiefern?
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Amsler: Hier geht es um grosse Schäden, und sogar Menschenleben. Irgendwann wird es wahrscheinlich einmal einen Fall geben, in dem die Brandschutzmassnahmen nicht wie vorgesehen funktionieren. Dann wird natürlich die Frage nach der Haftung gestellt. Aber hier kann man sich relativ gut absichern, indem man sich an die geltenden Normen hält, die Bauabnahmen und Funktionstests sauber durchführt. Das ist dann auch ordentlich dokumentiert und signiert.
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Bernhauser: Genau. Hier wird es erst richtig heikel, wenn jemand ein Produkt liefert oder montiert, von dem er weiss, dass es nicht den Vorschriften entspricht, dieses aber als solches verkauft wird.
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Amsler: Aber zum Beispiel bei Brandschutztüren wird das schon schwierig für uns. Die Bauteile werden uns vom Schreiner fertig geliefert. Von aussen erkennen wir als Monteure ja nicht, ob die richtige Trägerplatte verwendet wurde.
- Angenommen, es gibt einen Personenschaden. Könnte dann der Schreiner, der montiert hat, ebenfalls belangt werden?
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Bernhauser: Grundsätzlich kann der Monteur und sein Arbeitgeber haftbar gemacht werden. Aber wenn der Monteur zum Beispiel feststellt, dass es sich um eine Fälschung handelt oder das Produkt nicht den Normen entspricht, dann muss er darauf aufmerksam machen. Ansonsten hat er im Schadensfall wirklich ein Problem, weil er seiner Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen ist.
- Wird das in der Praxis auch gemacht?
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Amsler: Wenn wir feststellen, dass beispielsweise bei einer Brandschutztür die gelieferte Senkdichtung unserer Meinung nach nicht den Anforderungen entspricht, melden wir dies schriftlich dem Lieferanten. Hält dieser dennoch daran fest, dann führen wir es auch im Abnahmeprotokoll auf. Aber uns ist es natürlich unmöglich, jedes Detail zu kontrollieren.
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Bernhauser: Das verlangt auch niemand. Aber wenn es ganz offensichtlich ist, dann muss man unbedingt darauf aufmerksam machen.
Und dafür reicht ein einfaches E-Mail?
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Bernhauser: Kommt es zu einem Prozess, liegt es im Ermessen des Richters, wie er ein solches Beweismittel wertet. Ein unterschriebenes, schriftliches Dokument ist sicher noch die beste Lösung. Aber theoretisch kann man ja auch eine Unterschrift fälschen. Entscheidend ist, dass man eine durchgängige Beweiskette hat.
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Amsler: Wir haben festgestellt, dass es auch bei kleinen Sachen, Regiearbeiten oder auch heiklen Bohrarbeiten viel weniger Diskussionen mit den Kunden gibt, wenn wir sie schriftlich informieren. Willigt der Auftrag-geber ein, dann können wir für die Zusatzaufwände auch mehr verrechnen. Anderenfalls lassen wir die Finger davon und machen die Arbeit nicht.
- Dann lassen Sie die Arbeit einfach liegen?
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Amsler: Ja, bei Neukunden kam das schon vor. Bei langjährigen Auftraggebern haben wir aber kaum noch Diskussionen, man kennt sich und weiss, wie der andere tickt. Das bedingt aber auch eine Sensibilisierung unserer Monteure. Ich sage immer, wir verdienen unser Geld auch mit Schreiben. Nämlich indem wir unsere Leistungen dokumentieren und dem Kunden vorlegen. Kürzlich hatten wir wieder einen Fall, da hat der Kunde 280 Regiestunden diskus- sionslos bezahlt, eben weil alles dokumentiert und visiert war! Wenn da unsere Monteure nicht acht geben ...
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Bernhauser: ... dann sind wir wieder bei der Beweiskette. Will man erst im Nachhinein ohne unterschriebenen Regierapport Aufwände verrechnen, hat man eine schlechte Verhandlungsposition.
- Und das Schreiben funktioniert in der Realität?
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Amsler: Ja, man muss einfach die Monteure immer wieder darauf aufmerksam machen und schulen. Sie müssen die Bauherrschaft informieren, bevor sie eine nicht geplante Arbeit ausführen. Eine wichtige Funktion übernehmen die jeweiligen Projektleiter, sie müssen den Monteur dabei unterstützen. Der Monteur teilt dem Projektleiter die Zusatzaufwände mit, dieser erledigt dann die Formalitäten und Abklärungen.
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Bernhauser: Aus meiner Sicht haben solche Streitigkeiten bezüglich Regieaufwände we-sentlich zugenommen. Das Thema beschäftigt mittlerweile mehr, als die zu Beginn besprochenen Haftpflichtfälle.
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Amsler: Das ist leider so. Früher hielt man noch sein Wort, heute geht es nur noch schriftlich. Aber das müssen wir Schreiner halt noch lernen, denn wir sind Handwerker und sind es uns gewohnt zu machen, anstatt zu schreiben.
- Ab wann lohnt es sich denn, vor Gericht zu gehen?
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Bernhauser: Geschäftlich wie auch privat sollte man bei Streitsummen bis 10 000 Franken wirklich genau prüfen, ob ein Gerichtsverfahren wirtschaftlich tatsächlich Sinn macht. Aber selbst dann lohnt es sich vielleicht nicht, wenn beispielsweise der Schuldner kein Geld hat. Bekomme ich Recht, erhalte ich für mich zwar ein positives Urteil. Aber am Schluss bekomme ich dann einfach einen Verlustschein. Ausser dem Portemonnaie des Antwalts bringt das niemandem etwas. Nur schlechte Anwälte empfehlen den Gang vor das Gericht, wenn es nicht absolut nötig ist!
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Amsler: Zudem kosten solche Vorfälle ex-trem viel Energie und gehen an die persönliche Substanz. Wenn es um grosse Auftragssummen geht und der Kunde nicht zahlen kann, dann habe ich wiederum meine Vorabklärungen in Bezug auf die Liquidität nicht sauber gemacht.
Ruedi Amsler ist Geschäftsführer der Montageunternehmung AM GmbH in Embrach. Seit rund 25 Jahren montiert das Unternehmen mit 35 Angestellten allgemeine Innenausbauten, Fenster, Brandschutzelemente und Gross- küchen.
www.am-gmbh.chPeter Bernhauser ist Leiter des Bereiches Recht und Administration beim Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten (VSSM).
Zu den Dienstleistungen gehört eine professionelle, auf das Schreinerge-werbe spezialiserte Rechtsberatung in den Bereichen GAV, Arbeitsrecht, Ver- tragsrecht und anderen relevanten Bereichen.
www.vssm.ch/rechtph
Veröffentlichung: 22. November 2012 / Ausgabe 47/2012