Raumskulptur, die Ebenen verbindet
Ähnlich aber nicht gleich: Der tragende Handlauf ersetzt bei der Bogentreppe die Spindel und schafft so Platz im Innenraum. Bild:Bianchi Holz- und Treppenbau AG
Ähnlich aber nicht gleich: Der tragende Handlauf ersetzt bei der Bogentreppe die Spindel und schafft so Platz im Innenraum. Bild:Bianchi Holz- und Treppenbau AG
Spindeltreppen. Kaum eine andere Treppenform lässt derart dynamische Wirkungen im Raum mit so wenig Platzbedarf zu. In vielen Um- und Neubausituationen lassen sich auf elegante Weise Stockwerke verbinden, wenn in der Planung Grundlegendes berücksichtigt wird.
Praktisch jede alte Kirche hat welche, um auf den Turm zu kommen, und in manch einer Bibliothek führen sie in sehr schmaler Ausführung auf eine Galerie: Treppenstufen, die sich um eine zentrale Säule nach oben schrauben. Die Säule heisst dann Spindel und die Treppe Spindeltreppe. In der Röhre des Turms ermöglicht sie ein endloses Emporsteigen ohne Zwischenpodest, im freien Raum wirkt sie als Skulptur mit besonderen Vorteilen.
Viele moderne Spindeltreppen bestehen aus Segmenten. Ein Säulenstück wechselt sich dabei mit einem Stufenelement ab, welches im Grundriss einem Tortenstück gleicht, das an der Spitze einen kreisrunden Abschluss entsprechend dem Durchmesser der Spindel hat. Die Elemente werden auf einer Zugstange aus Stahl in der Mitte der Spindel aufgesteckt und am oberen Ende der Treppe, am Gewinde des Stangenendes, mit einer Mutter zusammengezogen. Ein Deckel schliesst dann die Spindel, in der Regel auf Brüstungshöhe, im obersten Stockwerk ab.
Wenn sich die Treppe mit der Zeit etwas gesetzt hat oder die Stufen abgeschwunden sind, kann dieser Deckel abgenommen und die Spannung nachgezogen werden. Da die gesamte Treppe in Holzausführung über ein Stockwerk nicht übermässig schwer sein muss, kann sie oft unproblematisch auf den Unterlagsboden (UB) oder sogar den fertigen Boden gestellt werden. Die Tragfähigkeit dieses Bodens und was sich im Stockwerk darunter an dieser Stelle befindet, sollte jedoch vorgängig vom Planer abgeklärt werden. Auch Körperschallüber- tragungen können ein Thema sein. «Für Schallschutzmassnahmen müssen wir teilweise im Bereich des UB entsprechende Aussparungen machen lassen, um eine Schallschutzglocke einzusetzen», ergänzt Gabriel Strässle. Er ist technischer Verkaufsberater bei der Columbus Treppen AG in Oberbüren SG.
Stufen, die nur einseitig befestigt sind, werden bei ihrer Belastung leicht federn. Ist diese Befestigungsseite nur eine zentrale Spindel, entstehen leichte Schwingungen, die bei falscher Dimensionierung unangenehm werden können. Für die Umsetzung dieses spektakulären Bautyps braucht es einiges an professioneller Erfahrung, wenn die Nutzung zur vollen Zufriedenheit sein soll. Um grundsätzlich aber einen Kunden über die Vor- und Nachteile beraten zu können, lohnt es sich, das Spezielle an dieser Bauart kennenzulernen.
Martha Walker von der Bianchi Holz- und Treppenbau AG in Landquart GR erklärt: «Ohne tragendes Geländer braucht es eine möglichst dicke Spindel von mindestens 190 mm und immer eine Stufendicke von mindestens 44 mm, wenn die Ausführung aus Holz ist. Bei gleicher Stufendicke und einem tragenden Handlauf reduziert sich die Schwingung, und 160 mm Spindeldurchmesser können genügen.»
Ein geschwungener Holzhandlauf von wenigen Zentimetern Höhe ist alleine noch nicht tragend. Wird er allerdings mittels vieler Staketen (senkrechte Streben) mit den Stufen verbunden, versteift sich die Aussenseite der Treppe, die Bewegungen werden stark eingedämmt. Ganz wichtig ist auch, dass jeder Tritt mit dem darunterliegenden direkt verbunden ist. Das alleine genügt bereits, um Schwingungen deutlich zu reduzieren.
Nochmals steifer – optisch nicht mehr ganz so leicht, aber dennoch faszinierend – sind Handläufe, die als spiralförmige Wand bis unter die jeweilige Stufe reichen. Die Columbus AG kann formverleimte Schichtholzgeländer in Spiralform anbieten, und die Ambauen Treppen AG aus Beckenried NW erreicht das Gleiche mit untereinander verleimten Staketen. Bei der Feldmann + Co. AG in Lyss BE ist, bei ausreichend steifem Aussenbereich, die Spindel selbst sogar als spiralförmig verdrehter Holzladen erhältlich.
Das Zusammenspiel der Stufen mit dem Handlauf ermöglicht effektiv unendlich viele Gestaltungen, die einen Raum nicht nur in der Funktion bereichern. Können die Tritte an der Wand befestigt werden, entsteht die gleiche Situation wie bei sonst üblichen Treppen mit Wandbefestigung. Durch eine gummigelagerte Bolzenverbindung mit der Wand werden allfällige Schwingungen eliminiert, ohne dass Körperschall übertragen wird. Die Verbindung der Tritte mittels Bolzen ist auch zur Spindel hin möglich, wenn auch auf dieser Seite jeder Tritt mit dem darüber und darunter verbunden ist und ein tragendes Geländer verwendet wird. Welche Methode letztendlich zur Anwendung kommt, hat immer mit den gewünschten Materialien zu tun, aber auch mit der Funktion der Spindel. Ob eine Treppe als zusätzliches Element in ein Gebäude gestellt wird oder die Spindel gleichzeitig als tragende Säule Verwendung findet, macht einen grossen Unterschied. Bei Letzterem kann es gut sein, dass die gesamte Treppe mit der durchgängigen, einteiligen Spindel schon beim Aufbauen des Hauses gesetzt werden muss.
Die Frage der Nutzung ist bei Treppen eine der wichtigsten. Durch die Spindel hat diese Konstruktionsart den Nachteil, dass sperrige Teile nur sehr bedingt darauf das Stockwerk wechseln können. Christian Ambauen sagt dazu Folgendes: «Eine Spindeltreppe muss, wenn sie als einzige Stockwerksverbindung in einem Einfamilienhaus gebraucht wird, eine Stufenbreite von mindestens 900 mm, besser noch 1000 mm aufweisen. Dann können auch noch Möbelteile transportiert werden.»
Bis zu einer Stufenbreite von 1300 mm ist noch eine komfortable Lauflinie mit normaler Steigung erreichbar. Darüber wird die Steigung als flach wahrgenommen, da die Tritttiefe im Aussenbereich ja zwangsläufig zunimmt und die Höhe tiefer ge- halten werden muss, um ein gutes Laufverhältnis zu ergeben. Ein zusätzlicher Treppenaufgang, beispielsweise in eine schon erschlossene Galerie, kann aber wesentlich schmaler und somit sehr platzsparend ausfallen. Der grobe Platzbedarf einer solchen Treppe lässt sich folgendermassen berechnen: Für die Spindel rechnet Ambauen eine Dicke von 10 % des Gesamtdurchmessers der Treppe. Bei 900 mm Stufenbreite sind das dann 200 mm und 2000 mm im Gesamten. So gross wirken diese Treppen allerdings selten in ihrer Umgebung, da sie bewusst ausgerichtet werden, um Platz zu gewinnen.
Da sich die Platzverhältnisse unter jeder Treppe durch die Steigung der Stufen konstant verändern, ist das Positionieren einer Spindeltreppe etwas äusserst Grundlegendes. Denn alleine durch die Position der Antrittsstufe kann auf einer Etage mehr oder weniger Durchgangsraum neben der Treppe entstehen – oder eine ideale Positionierung des Podestes bei der jeweiligen Austrittsebene erreicht werden. «Dieses Podest sollte bei mehrstöckigen Treppen mindestens drei Tritte an Fläche haben, um dem gesamten Aufstieg einen guten Laufrhythmus zu verschaffen», sagt Ambauen. Nur eine harmonisch wirkende Trittfolge erlaubt auch längerfristig ein angenehmes, ermüdungsfreies Begehen. Dazu gehört auch, dass es bei mehrstöckigen Treppen in jeder Etage auch wirklich ein Podest gibt.
Die Austrittssituation bei einer Spindeltreppe ist immer ein Podest, welches wie die Stufen ein Element der Treppe ist. Nur so können alle statischen Ansprüche auch sicher umgesetzt werden. Das heisst: Der Austritt gehört dem Treppenbauer und die Bodendurchgangsöffnungen müssen entsprechend rund oder quadratisch sein.
Gerade bei Umbauten von Dachstöcken stellt sich die Frage, wo die Treppe hingestellt werden soll, dass sie möglichst wenig Platz braucht, den Raum nicht verschandelt und funktionell praktisch ist. Spindeltreppen bieten vor allem drei Grundpositionen bei der räumlichen Anwendung:
Durch Kombinationen dieser Einbauarten ist eine Spindeltreppe auch über mehrere Stockwerke mit völlig unterschiedlichen Raumaufteilungen und ohne Unterbruch oder Richtungswechsel führbar.
www.columbus.chwww.bianchi-treppen.chwww.ambauen.chwww.felma.chVeröffentlichung: 30. Juni 2016 / Ausgabe 26-27/2016
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