Nomen ist nicht immer Omen

«Wenn du kämpfst, willst du gewinnen», erklärt Kickboxer Ernst Schläpfer (36) seine Leidenschaft. Bild: PD

Ernst Schläpfer? Ist das nicht ...? Nein. Der Mann, der im appenzellischen Stein die Haustür des über 200-jährigen «Heimetli» öffnet, ist definitiv jünger als sein Namensvetter, der berühmte Schwinger. Er lacht: «Im Appenzellerland heissen viele so, das ist nichts Besonderes.» Doch der Name ist nicht die einzige Gemeinsamkeit: Auch dieser Ernst Schläpfer hat sich einst als Schwinger versucht («wie fast alle hier»), bevor er sei-ne wahre Leidenschaft entdeckte, das Kickboxen. Das war vor vielen Jahren, noch während der Schreinerlehre. Schon länger hatte er vor dem Fernseher mitgefiebert, wenn der legendäre Andy Hug im Ring stand. Eines Tages nahm er das Telefonbuch zur Hand – es war die Zeit, als noch lange nicht alle Internet hatten –, fand beim Blättern in Abtwil ein Fitnessangebot unter dem Titel «Selbstverteidigung», ging für eine Schnupperstunde hin – und blieb. «In den ersten fünf Jahren habe ich vor allem Fitness und Kondition trainiert», erinnert er sich. «Es tat mir gut, mich mal richtig auszupowern, meine Beweglichkeit und die Kraft zu verbessern.» Am Kampfsport gefiel ihm auf Anhieb, dass der Kopf gefordert wird: «Strategie ist wichtig. Du musst dem Gegner stets einen Schritt voraus sein, taktisch vorgehen. Ihm zum Beispiel im richtigen Moment den Weg abschneiden oder mit einem Täuschmanöver eine Falle stellen.» Und im Gegensatz zum herkömmlichen Boxen seien auch die Beine im Spiel. «Kickboxen verlangt Wendigkeit – wer nicht beweg-lich ist, hat es schwer.»

Beweglich, wendig und sportlich war der heute 36-Jährige schon immer. Das lebt er seit seiner Kindheit aus: «Turnverein, Geräteturnen, Schwingen, Velorennen, Bergläufe ...», zählt er auf. Und als Bauschreiner habe er das Fitnesstraining sowieso inklusive.

Zwischen seiner ersten Schnupperstunde und dem ersten Kampf vergingen fünf Jahre. «Ich hatte Respekt davor. Wenn ich bei einem Berglauf schlecht abschneide, steht mein Name einfach weiter hinten auf der Liste. Aber beim Kickboxen entblösst du dich vor dem Publikum. Und wenn du kämpfst, willst du auch gewinnen.»

Das ist ihm in den vergangenen 14 Jahren immer wieder gelungen. Zu seinen schönsten Erinnerungen gehören die Siege an den Schweizer Meisterschaften 2006, 2014 und 2016 sowie je einmal Silber und Bronze an den Amateur-Weltmeisterschaften. Dazu kommen Pokale von unzähligen wei- teren Wettkämpfen. Sie sind stumme Zeugen einer erfolgreichen Sportkarriere, säuberlich aufgereiht im Regal in Schläpfers Appenzellerhaus auf dem grünen Hügel ein gutes Stück ausserhalb von Stein. Das Haus gehörte den Grosseltern, Schläpfers Vater ist hier aufgewachsen, nun baut es der Sohn für sich um. «Es gibt noch einiges zu tun, demnächst ist die Fassade an der Reihe.» Und dafür braucht er Zeit. Zeit, die ihm für Wettkämpfe und ein seriöses Training fehlt. Deshalb stehen aktuell keine Meisterschaften in Schläpfers Agenda: «Ein bisschen kickboxen geht nicht. Wenn du mit guten Chancen und selbstsicher in den Kampf gehen willst, musst du super vorbereitet sein.»

Gut möglich, dass er nach dem Umbau wieder Vollgas gibt. Das Kickboxen hat ihm in bald zwei Jahrzehnten zu viele unvergessliche Erlebnisse gebracht.

Er gerät ins Schwärmen, wenn er von der Eröffnungszeremonie an der Weltmeisterschaft erzählt, oder von seiner Zeit in Thailand, als er auf dem Heimweg von Neuseeland spontan 40 Tage fürs Thaiboxen eingeschoben hatte. Und obwohl er längst auf Profiniveau boxt, möchte er weiterhin Amateur bleiben: «Bei den Profis geht es schnell ums Geld, mir aber geht es um die Leidenschaft.»

«Bei den Profis geht es schnell ums Geld, mir aber geht es um die Leidenschaft.»

hid

Veröffentlichung: 19. April 2018 / Ausgabe 16/2018

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