«Nicht einfach nur ‹losfreaken› »

Bild: Frank Weinmann

Wettbewerb aus Restholz.  Restholz clever einsetzen – so etwa lässt sich kurz die Aufgabe beschreiben, die den Technik- und Designstudenten aus Zug gestellt wurde. Spannend daran: Das Projekt war durch eine Zürcher Schreinerei initiiert worden und deshalb praxisnah.

Wenn an Hochschulen ein Projekt mit Industriepartnern zustande kommt, dann ist das nicht nur für die Studenten interessant. «Auch Schreinereien können profitieren», erklärt Raphael Bertschinger die potenzielle Win-Win-Situation. Der ehemalige Student der Höheren Fachschule für Technik und Gestaltung in Zug (HFTG) spricht aus eigener Erfahrung. «Es hat immer Spass gemacht, etwas für einen ‹echten› Kunden zu gestalten», sagt er. Jetzt konnte er als Auftraggeber der Schule zu einem interessanten Projekt verhelfen. Dass sich an der HFTG mehrheitlich Schreiner weiterbilden, kam beiden Seiten gelegen.

Mit der «Kollektion Bertschinger» ist Raphael Bertschinger vor Kurzem in den Markt der Designmöbel eingestiegen. Das besondere an der Kollektion, die bisweilen aus drei Beistelltischen und zwei Sideboards besteht: Sie ist von Restholz inspiriert.

Produzierbare Objekte entwerfen

Mit seiner Wettbewerbsanfrage stiess Bertschinger bei der HFTG also auf offene Ohren. Weil in der Schreinerei viel Restholz anfällt – der Massivholzverschnitt beläuft sich auch in der Schreinerei Bertschinger auf um die 30% –, wurden die Studenten beauftragt, aus den angefallenen Massivholzresten ein Produkt zu gestalten.

Die Aufgabe der Technikerklasse bestand im Entwickeln eines Kleingegenstandes mit formalen Qualitäten. Es ging nicht zuletzt darum, eine CNC von A bis Z zu programmieren. Entstanden sind Garderoben, Pfeffermühlen, Kleinmobiliar, Accessoires und eine Leuchte.

Die Aufgabenstellung für die Gestalterklasse gestattete weniger Freiraum. Das hatte seinen Grund. «Gestalter erdenken sich oft fantasievolle Entwürfe, die mit den technischen Möglichkeiten nicht umgesetzt werden können», sagt Raphael Bertschinger. «Mit einer konkreten Aufgabenstellung kann man nicht einfach ‹drauflosfreaken›», erklärt er schmunzelnd. Für die gestalterisch tätigen Studenten galt es, einen Salontisch oder Beistelltisch sowie ein ergänzendes Regal oder Sideboard zu entwerfen. Das Zielpublikum beschränkte sich ganz spezifisch auf Menschen der mittleren bis höheren Einkommensklasse mit einer Affinität zum klassischen Design. Oder anders ausgedrückt: Die Möbel sollten sich an diejenige Zielgruppe richten, für die auch die Kollektion Bertschinger bestimmt ist.

Umsetzung als Preis

Den schulinternen Wettbewerb gewannen der Gestalter Frank Weinmann mit seinem Beistelltischchen sowie der Techniker David Hochueli mit einer Stablampe aus Holz. Als Preis winkte die Aufnahme in die Kollektion. «Die Handlampe hätte noch einiges an Entwicklung benötigt, um in den Verkauf gehen zu können», sagt Raphael Bertschinger. Sie passte zumindest im Moment nicht zu hundert Prozent in die Möbelkollektion der Schreinerei aus Bubikon. Das Beistelltischchen dagegen wurde mittlerweile in einer ersten Auflage produziert. Es ist beabsichtigt, dieses in weiterentwickelter Version an der nächsten Designmesse Blickfang in Zürich vorzustellen. Der Name des Entwerfers werde erwähnt, lässt der Produzent durchblicken. Schliesslich weiss er die Ideenfülle zu schätzen, die aus Schulprojekten wie diesen hervorgeht.

Nur der Seitenriss bleibt bestehen

Grösster Unterschied zu den einstigen Visualisierungen von Frank Weinmann, der mittlerweile einen Bachelor-Ausweis der HFTG in der Tasche hat: Die Restholz-Ästhetik ist verloren gegangen, obwohl ebenfalls das weiterentwickelte Objekt gemäss Bertschinger aus Restholz bestehen wird. Was Frank Weinmann ursprünglich in verschiedenen Holzarten angedacht hat und in der Anlage des Projekts verankert war, liegt nun als Prototyp für die Kollektion Bertschinger in schwarz melierter Eiche vor. Die Abmessungen des Möbels wurden noch konsequenter auf die Grösse von Zeitschriften abgestimmt.

Die Gestaltung mit verschiedenen Holzarten ist urspünglich entstanden, weil diese den Bestand an Restholz abbilden. «In den Restholzkübeln von Schreinereien liegen viele Holzarten vor, doch von keiner hat es meist genug für ein Möbel», meint Frank Weinmann zur Ausgangslage des Projekts. Er hat einzelne «Ringe» mit einer Breite von 100 mm geschaffen und diese leimfrei mit einer Verbindungsstange aneinandergefügt. Mit seinem Entwurf wäre es theoretisch auch möglich gewesen, die Breite des Beistelltischchens zu erweitern. Das Tischchen von Weinmann besitzt von den Anzeichen her kein Oben und Unten, sondern kann gedreht werden.

Von der Idee zur Produktion

Durch Filzfüsse erhält der weiterentwickelte Prototyp eine klare Stellfläche. Restholz liege halt oftmals nicht in bester Qualität vor, meint Raphael Bertschinger zu seinem Entscheid, die Restholzoptik zu verlassen. Die angestrebte Zielgruppe wird eine homogene Holzoberfläche wohl zu schätzen wissen. «Auch formal gefällt mir das Möbel besser, wenn es aus ein und demselben Holz gebaut ist», sagt Bertschinger und ergänzt, dass er nun Platten einsetze, die vorgängig bereits verleimt würden. Den endgültigen Produktionsablauf hat man noch nicht ganz gefunden, die zurzeit vorliegenden Möbel sind Prototypen. Stirnseitig wurde mit einer Verbindung aus Schaumleim experimentiert, um schliesslich mit dem Clamex-P-Verbinder von Lamello eine vielversprechende Lösung zu finden.

www.kollektionbertschinger.chwww.hftg.ch

Leuchten-Prototyp aus Restholz

Auch Judith Strebel beschäftigte sich in ihrer Bachelor-Arbeit an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) mit Produktionsüberschüssen. Während der Recherche besuchte die Designstudentin Betriebe aus verschiedenen Branchen, um am Ende für ihre Lampen-Prototypen beim Werkstoff Holz zu landen. Die Firma Girsberger stellte dafür Restholz aus der Tischproduktion zur Verfügung. «Manchmal muss man sich mit bescheidenen Werkstoffabmessungen begnügen», sagt Strebel zum Problem, wenn man mit Restmaterialien arbeitet. Ihr Bruder Jonas Stre- bel ist Schreiner bei der R + S Schreinerei AG in Wohlen, wo die beiden für den Bau der Prototypen die Infrastruktur nutzen durften.

Die Komponenten der Leuchte

Die Leuchte besteht aus mehreren Restholzsegmenten. Diese sind untereinander nicht verleimt, sondern am Alu-Leuchtprofil aufgereiht und unter dem Druck des isolierten Textilkabels lediglich ineinander verkeilt. «So lässt sich die Lampe später wieder in ihre Einzelteile zerlegen», begründet Strebel die Konstruktion, die zu ihrem Konzept passt. Heute würde sie die Segmente aus Stabilitätsgründen aber untereinander verleimen. Das Licht der LED-Leuchtkörper im Aluprofil wird mit einem Diffusor gestreut.

Das Betriebsgerät für die Transformation des Wechselstroms konnte im Holzgehäuse untergebracht werden. Für die Entlüftung des Trafo dienen Schlitze, die beim Prototypen auf der Kehlmaschine ausgeführt worden sind. «Sollte der Prototyp in Produktion gehen, bräuchte es noch einiges an Überarbeitung und vor allem Engagement», räumt Judith Strebel ein. «Damit das Produkt überhaupt marktfähig wäre, müssten vor allem die Arbeitsschritte optimiert werden», ist sich die Gestalterin sicher. «Eine CNC-Bearbeitung wäre anstelle der Kehlmaschine sicherlich von Vorteil.».

www.fhnw.ch

MW

Veröffentlichung: 12. September 2013 / Ausgabe 37/2013

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