Natur bis in die Küche

Barbara Schuler-Rozzi (60) verwendet nicht nur in der Schreinerei, sondern auch für besondere kulinarische Erlebnisse gerne lokales Arvenholz. Bild: Martina Bisaz

Leute. Es tue ihr leid, sie hätte eigentlich ja eine Glace auftischen wollen, doch sie sei schlichtweg nicht mehr dazu gekommen. Die entschuldigenden Worte von Barbara Schuler-Rozzi an diesem heissen Sommernachmittag sind natürlich alles andere als nötig.

Die entschuldigenden Worte von Barbara Schuler-Rozzi an diesem heissen Sommernachmittag sind natürlich alles andere als nötig, und der Blick von der gemütlichen Laube hinein in die Schreinerwerkstatt und das dort herrschende emsige Treiben lässt auch vermuten, dass es an diesem Tag tatsächlich genügend anderes zu tun gibt, als irgendeinem Gast selbst gemachte Glace anzubieten. Aber ja, natürlich war es, wenn man denn ganz ehrlich ist, im Vorfeld schon zumindest so ein ganz stiller und heimlicher Wunsch, tatsächlich einmal diese besondere Glace der Bergüner Schreinerin kosten zu dürfen. Denn Barbara Schuler-Rozzi macht nicht irgendeine Glace, sondern ein mit Arvensägespänen aromatisiertes Sonderexemplar. Es schmecke ungemein frisch und ebenso schön nach Natur, versichert sie. Natur. Diese bewegt und fasziniert Barbara Schuler-Rozzi schon seit jeher. «Ich mag alles so natürlich, so pur und so rein wie möglich», sagt sie. Eine Philosophie, welche die dreifache Mutter sozusagen in die Wiege gelegt bekommen hat. Genau so wie den Bezug zum Schreinerhandwerk. «Ich fand es schon als kleines Mädchen toll, jeweils barfuss in der Werkstatt meines Vaters durch die Holzspäne zu laufen», erinnert sie sich schmunzelnd. Heute führt sie den Familienbetrieb bereits in der dritten Generation und sagt, dass die Schreinerei ihr Leben sei. Die Freude am Betrieb und am Handwerk ist denn auch in jedem Moment spürbar, wenn sich die Chefin mit ihren Mitarbeitenden austauscht oder gleich selbst Hand anlegt. Sobald der Werkstoff Holz in ihrer Nähe ist, fangen ihre Augen an zu leuchten.

«Ich mag alles so natürlich, so pur und so rein wie möglich.»

Aus der Leidenschaft für Holz – im besonderen Fall für das Arvenholz – sowie dank einer gesunden Portion Neugierde und Experimentierfreude ist denn auch Barbara Schuler-Rozzis Arvenglace entstanden. «Eigentlich habe ich diese Idee einfach einmal bei einem Urner Spitzenkoch gesehen und mir gesagt, das kann ich auch», sagt sie lachend. Gesagt, getan. So stehen bei ihr nun seit ein paar Jahren eben immer mal wieder eine Glace mit Arvenholz sowie andere mit im Kachelofen gedörrten Arvennadeln gewürzten Gerichte auf dem Familientisch. An die grosse Glocke hängen oder aus den nicht alltäglichen Produkten gar irgendwie Profit schlagen, will die ehemalige Präsidentin des Schreinermeisterverbandes Graubünden derweil nicht. Das wäre auch so gar nicht ihre Art. Viel zu bescheiden und bodenständig ist sie dafür. Und dennoch. Zumindest eine kleine Chance gibt es auch für Nicht-Familienmitglieder, eines Tages einmal in den Genuss der Arvenkochkünste der Schreinerin kommen zu können.

Denn zweimal im Jahr lädt sie gemeinsam mit ihrem Werkstatt-Team zu einem mehrtägigen Schreiner-Workshop für jedermann respektive jedefrau ein. Dann wird den Teilnehmenden einerseits der Schreinerberuf nähergebracht und die Freude für das Handwerk vermittelt. Andererseits wird an diesen Tagen eben auch immer mindestens einmal eine Arvenholzglace als Überraschungsdessert aufgetischt. Nur einer von vielen Gründen, warum sich ein Besuch bei der engagierten und überraschenden Barbara Schuler-Rozzi und in ihrem Familienbetrieb im idyllischen Bergün in den Bündner Bergen lohnt.

Franco Brunner

Veröffentlichung: 09. September 2024 / Ausgabe 36/2024

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