Lieber Werkstatt als Kanzlei

Sein Grossvater hat vor 108 Jahren den Grundstein gelegt: Antikschreiner Heinz Lehmann (69) in seiner Werkstatt. Bild: Caroline Mohnke

Leute. Der frische Schnee türmt sich an der Schmiedgasse in Stans. Antikschreiner Heinz Lehmann hat einen sauberen Weg geschaufelt zu seiner Werkstatt.

Drinnen blickt er auf 45 Jahre Arbeitsleben zurück. «1916 hat mein Grossvater das Haus hier an der Schmiedgasse gekauft», erzählt er. Im Fundus fand er eine Tafel mit kalligrafischer Federschrift von Jakob Lehmann. Es ist eine Warnung: «Unterzeichneter erklärt hiermit, dass er jede Haftpflicht bei Benutzung der Maschinen ablehnt.» Geschrieben am 27. Januar 1916. Das Andenken hängt nun in der Werkstatt. Heinz Lehmann führt das Familienunternehmen in der dritten Generation, aber nur noch bis Ende Jahr. Sein Vater hatte aus der Schreinerei seinerzeit eine Antikschreinerei gemacht. Heinz Lehmann arbeitet, wo er aufgewachsen ist. «Wir waren vier Kinder», erzählt er und fügt weiter an: «Mit zwanzig habe ich die Matura gemacht und ging danach zwei Jahre ins Militär.» Es folgten noch vier Semester Jus-Studium. «Das war mir dann doch zu kopflastig», sagt der 69-jährige Familienvater von drei Söhnen mit einem Lachen. Mit 24 Jahren begann er seinen Weg als Antikschreiner in der väterlichen Schreinerei an der Schmiedgasse. Nebst der handwerklichen Arbeit übernahm er viel Büroarbeit. Nach fünf Jahren Zusammenarbeit bekam sein Vater gesundheitliche Probleme und musste seine Arbeit aufgeben. Heinz Lehmann übernahm das Geschäft und war mit 29 Jahren sein eigener Chef. «Viele Jahre stand ich morgens um sieben in der Werkstatt bis abends um sechs, mit einer Stunde Mittagspause», blickt er zurück und lacht: «Ich musste jeweils nur vier Treppen hinauf bis zum Mittagessen.» Es gab Zeiten, an denen er mehr als zehn Stunden gearbeitet hat am Tag.

Er denkt an die Zeit zurück, als er für das Engelberger Talmuseum alte Möbel restauriert hat. Etwas vom Schönsten sei das Restaurieren von sehr alten Möbeln gewesen, die er aus den Gaden geholt habe. Er deutet auf ein Lesepult mit Karteiboxen aus Karton. Darauf steht mit feinsäuberlicher Schrift: «Kundendatei». Sein Kundenstamm ist in der ganzen Schweiz verteilt. «Ich fahre bis ins Tessin, in den Jura oder nach Genf», erzählt er. Doch auch in Nidwalden und Umgebung habe er viele Kunden. Am Morgen habe er einen Tisch ausgeliefert. Der Weg führte einen stotzigen Hügel hinauf, es lag noch Schnee. Doch mit dem richtigen Geländewagen sei das kein Problem. In all den Jahren habe sich viel verändert, erzählt er: «Eine Homepage ist heutzutage wichtig, es gibt Kunden, die kaufen ein Möbel, ohne es vorher besichtigt zu haben.» Er schreibe praktisch keine Offerten mehr. Lehmann liebt sein Handwerk. Man spürts und siehts: Es sind schöne Möbelstücke, die noch in seiner Werkstatt und Nebenräumen stehen. Er habe die vielen interessanten Kundengespräche sehr geschätzt bei seinen Besuchen.

«Doch irgendwann ist genug. Klar könnte ich noch bis achtzig weiterarbeiten», sagt er und lacht. Doch dann müsse er wahrscheinlich jemanden anstellen, der ihm helfe, die Werkstücke herumzutragen. Auf die Frage, ob keiner seiner drei Söhne übernehmen wolle, antwortet er: «Nein, die haben alle ihre Berufe, und das ist für mich kein Problem. Es ist heutzutage auch nicht mehr so einfach als Antikschreiner.» Er freut sich auf die Zeit danach: «Ich habe mehr Zeit für mein Enkelkind, bald sind es zwei, kann wieder vermehrt biken und wandern.» Da seine Frau noch arbeitet, warten aber auch Haushaltsarbeiten auf ihn. Die Möbel, die er noch in der Werkstatt habe, seien weiterhin auf seiner Homepage erhältlich.

Caroline Mohnke

Veröffentlichung: 16. Dezember 2024 / Ausgabe 50/2024

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