Gemeinsam durch schwere Zeiten


Schreiner Erwin Schärli (64) hat mit seinem Stiefsohn Robin Scherer (37) manche Schwierigkeiten bewältigt. Bild: Beatrix Bächtold
Schreiner Erwin Schärli (64) hat mit seinem Stiefsohn Robin Scherer (37) manche Schwierigkeiten bewältigt. Bild: Beatrix Bächtold
Leute. Über zwei Themen redet Erwin Schärli extrem gerne. Nummer zwei ist Holz. Schon klar. Schliesslich war der gelernte Schreiner gefühlte 100 Jahre lang in der Holzbranche im Aussendienst, zuletzt 27 Jahre für die Herzog Elmiger AG in Kriens.
Jetzt frühpensioniert, könnte er die Hände in den Schoss legen und den lieben langen Tag an seinem Wohnort Buochs NW am Vierwaldstättersee lustwandeln. Tut er aber nicht. Lieber führt er für ein bayerisches Unternehmen, das aus Mondholz Dielen macht, Beratungen in der Schweiz durch. Der Umgang mit Architekten, Schreinern und Zimmerleuten macht ihm weiterhin Freude. Doch die Nummer eins in seinem Leben ist sein Stiefsohn Robin. Ob das nicht abwertend klingt? «Schreiben Sie ruhig ‹Stiefsohn›. Das ist korrekt», sagt Schärli, und Stiefsohn Robin Scherer nickt. Für Wortklaubereien haben sie nur ein müdes Lächeln übrig. Mit Mut, Verstand und ungeheurer Energie überwanden die beiden Abgründe. Das kostete Nerven und Zeit. Für andere Hobbys blieb kaum Zeit. Jetzt atmen sie durch, blicken staunend und dankbar zurück. Es begann in der Primarschule. Da fiel auf, dass Robin schulisch schwächer war als die anderen. In der durchgetakteten Bildungsmaschine konnte er nicht mithalten. Er lernte zwar fleissig, aber nichts blieb hängen. Seine Mutter Regula und sein Stiefvater Erwin waren ratlos. Die Lehrpersonen machten Druck. Panik. Noch mehr Druck. Noch mehr Panik. Derweil wurde Robin immer schwächer. Ja, es ging ihm richtig schlecht. Schulisch und körperlich. Irgendwann wurde die chronisch-entzündliche Darmkrankheit Morbus Crohn bei ihm diagnostiziert. «Diese Autoimmunerkrankung erlaubt keine Reserve. Null und nichts. Unheilbar. Der Horror», sagt Erwin Schärli. Im Alter von 13 Jahren geben Erwin und Regula Schärli der Schulleitung durch: «Robin kommt nach den Sommerferien nicht mehr. Er macht eine Coiffeurausbildung.» Man kann sich ja vorstellen, dass das auch Empörung und Kopfschütteln hervorrief. Aber egal. Ein grosser Druck fiel von Robin ab. Zwei Jahre lang ernährte sich der Jugendliche von Astronautennahrung. Das gab Kraft. Es ging aufwärts. Robin fand einen super Lehrbetrieb in Nidwalden. Das alles schreibt und liest sich schnell. Die jahrelange Verzweiflung, die Gedanken, das Scheitern und das Aufraffen kann man kaum in Worte fassen. «Ich will mich nicht als Held präsentieren. Ich habe nur einen Bruchteil von dem geleistet, was seine Mutter für ihn tat. Hut ab auch für Robin, dass er das alles so gepackt hat», sagt Erwin Schärli. «Gleich zwei eidgenössische Fähigkeitsausweise. Einer für Damen, einer für Herren», fügt Robin Scherer hinzu. Und nicht nur das: Seit 13 Jahren führt er in Hergiswil am Vierwaldstättersee seinen eigenen Salon. Wenn er Kraft hat. Erst kürzlich zog ihn seine Krankheit wieder für eine Zeit lang aus dem Verkehr. Aber im Grunde läuft es. Die Kundschaft schwört auf seine Schnitte.
«Als Schreiner dachte mein Stiefvater immer vernetzt und lösungsorientiert. ‹Geht nicht› gibt es bei ihm nicht.»
«Durch Schnitt» lautet der Titel der Doku, die 2022 an den Solothurner Filmtagen lief und die man sich auf Vimeo anschauen kann. Darin erzählt Robin Scherer aus seinem Leben. Mit dem Film wolle er allen Mut machen, bei denen die körperliche oder seelische Verfassung mit den Anforderungen des Systems nicht kompatibel sind. Ihm liegt das sehr am Herzen. Er sagt: «Viele brechen eine Lehre ab, weil es im Moment nicht rund läuft. Bleibt dran, beisst durch, nehmt Hilfe an. Als Schreiner dachte mein Stiefvater immer lösungsorientiert und vernetzt. ‹Geht nicht› gibt es bei ihm nicht. Das hat uns weitergebracht.»
Veröffentlichung: 13. November 2023 / Ausgabe 45/2023
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