Es kam anders als geplant …


Die «Alaska-Schreinerin» Denise Portmann ist gelernte Möbelschreinerin und im Besitz des Diploms als HF Gestalterin.
Die «Alaska-Schreinerin» Denise Portmann ist gelernte Möbelschreinerin und im Besitz des Diploms als HF Gestalterin.
Erfahrungsbericht. Die 29-jährige Denise Portmann hatte schon immer den Wunsch, im Ausland als Schreinerin Berufserfahrungen zu sammeln. Aber musste es gerade Alaska sein? Wie es dazu kam und wie ihr Arbeitstag aussieht, erzählt die Schreinerin der SchreinerZeitung.
… denn ursprünglich bewarb sich Denise Portmann auf ein Inserat des amerikanischen Küchen- und Schrankherstellers Hertco mit Hauptsitz in Ferndale im Bundesstaat Washington. Ein anderer Bewerber machte zwar das Rennen um die 18-monatige Praktikumsstelle, doch Denise Portmann willigte ein, dass ihre Unterlagen zur Tochterfirma Kodiak Cabinets nach Anchorage, Alaska, geschickt wurden.
Doch plötzlich ging alles ganz schnell. Sie erhielt einen Anruf ihres jetzigen Chefs und bat um eine Nacht Bedenkzeit. Doch ihre Antwort war sofort klar gewesen. Obwohl sie nicht viel über Alaska wusste, sagte sie zu. Nur wenige Wochen später star-tete Denise Portmann das Abenteuer mit einem «einfachen» Ticket und drei vollbepackten Koffern Richtung Anchorage in Süd-Zentral-Alaska.
Für die Firma Hertco ist es zur Tradition geworden, im Abstand von eineinhalb Jahren ein bis zwei Schweizer oder deutsche Schreiner pro Standort für die Produktion anzuheuern. Sowohl die Gründer als auch die jetzige Führung des Unternehmens sind ursprünglich aus Deutschland und wissen um das gute Ausbildungsniveau der Handwerker. Das sogenannte «J-1»-Visum mit maximaler Dauer von 18 Monaten ermöglicht ihnen auf relativ einfache Art, junge Fachkräfte einzustellen. Im Gegenzug bieten sie den jungen Schreinern, ihr erlerntes Wissen weiterzugeben, ihr Können zu erweitern und unbezahlbare Erfahrungen in einer anderen Umgebung zu sammeln.
Kaum in Alaska angekommen, startete Denise Portmann am nächsten Tag ins Arbeitsleben. Wie in der Schweiz beginnt der Arbeitstag auch bei Kodiak Cabinets um 7 Uhr. Mit einer halben Stunde Mittagszeit endet er relativ früh, und zwar um 15.30 Uhr. Das macht acht Stunden pro Tag und 40 in der Woche. Dies liegt etwa im amerikanischen Durchschnitt. Auf der anderen Seite gibt es weniger bezahlte Ferientage als in der Schweiz. Denise Portmann spart ihre drei Wochen für diesen Sommer auf, wenn Familie und Freunde zu Besuch kommen. Durch die geografische Lage Alaskas sind die Tage im Sommer mit bis zu rund 22 Sonnenstunden sehr lange, was das Aufstehen am nächsten Morgen zusätzlich erschweren kann.
Der Start in den Arbeitsalltag gestaltete sich für Portmann einfach, wohlbehütet –und vertraut. Florian Schlup, ihr Schweizer Arbeitskollege, ist schon seit März 2013 in der Firma und stand ihr mit Rat und Tat zur Seite. Bill und Sharon Campbell, ihre Gasteltern, zeigten ihr, wie man die Wochenenden in Alaska verbringen kann und nahmen sie gleich am zweiten Wochenende mit zum Lachsfischen.
Obwohl Denise mittlerweile eine Wohnung mit Florian teilt, ist der Kontakt zu den Campbells geblieben, und sie ist zu einem Teil der Familie geworden.
Kodiak Cabinets ist auf die Herstellung von Küchen- sowie Badezimmerkorpussen und Schränken in grosser Stückzahl spezialisiert, agiert meistens als Zulieferer für Baumärkte und Architekten und ist dementsprechend eingerichtet. Die meisten Einzelteile eines Korpusses befinden sich an Lager und werden von den Mitarbeitern vervollständigt, zusammengefügt und für den Transport fertig gemacht. Die Mitarbeiterzahl in der Produktion variiert je nach Auftragslage von 7 bis zu 17 Personen. Denise und Florian bearbeiten zum grossen Teil die speziellen Einzelanfertigungen oder werden intern mit der Verbesserung eines Ablaufes oder der Einrichtung der Produktion beauftragt.
Der Maschinenpark ist relativ schmal eingerichtet. Da alle Massivholzelemente von einem anderen Unternehmen zugestellt werden, gibt es keine Hobel- oder Schleifmaschine. Die horizontale Plattenfräse ist eine Striebig, hat aber im Gegensatz zu den Maschinen in der Schweiz zwei verschiedene Massbänder, nämlich in Millimetern und Inches (Zoll). Deshalb trägt Denise neben dem mitgebrachten Schwedenmeter auch ein Massband in Zolleinheiten auf sich und braucht diese zusätzliche Einheit immer mehr in ihrer alltäglichen Schreinersprache. Die einzelnen Schrankelemente werden in Zoll nach ihrer Breite und Höhe benannt. Diese Bezeichnungen sind beispielsweise zu vergleichen mit den 550er-Elementen in der Schweiz. Ihren Wortschatz musste Denise Portmann um einige Begriffe erweitern: «Base lazy Susan» (Unterbau faule Susanna) ist ein allgemein gebräuchlicher Name für ein Unterbaumöbel mit einem integrierten Lebensmittelkarussell als Ecklösung und erleichtert so der Hausfrau und dem Hausmann das Kochen. Das «Murphy Bed» ist das ausklappbare Bett, hat seinen Namen von seinem Erfinder, wird auch von Kodiak Cabinets produziert und gehört zum allgemeinen englischen Vokabular.
Auf die Frage, was denn anders sei in Amerika, würde Denise Portmann sicher das fehlende Angebot von Lehrstellen im amerikanischen Bildungssystem hervorheben. Andere junge Kollegen von Denise und Florian beneiden die beiden um ihre fundierte Ausbildung. Für den amerikanischen Berufsnachwuchs ist es neu, mit einer CNC zu arbeiten und Aufträge mit einer grossen Stückzahl abzuwickeln.
Die Bestellungen mit dem Namen «Mancamp» können bis zu 500 Elemente beinhalten. Die Abnehmer sind verschiedene Firmen, die im hohen Norden nach Öl bohren, immer noch expandieren und deshalb für die neuen Mitarbeiter Unterkünfte benötigen, die zum Teil von Kodiak Cabinets ausgestattet werden.
Neben all den Unterschieden zwischen den beiden Kulturen, die oft im Detail zu finden sind, ist auch bei Denise Portmann schnell der Schreineralltag eingekehrt. So staunte Portmann nicht schlecht, als sie beim Aufstellen von Ausstellungsküchen sah, dass diese Messe speziell für Frauen organisiert wurde.
www.kodiakcabinets.comVeröffentlichung: 15. Mai 2014 / Ausgabe 20/2014
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